Bei all der Erregung über den Kernwaffentest Nordkoreas sollte nicht in Vergessenheit geraten: Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm sind gescheitert - die EU-Außenminister haben es in dieser Woche in Luxemburg eingestanden. Wieder einmal hat sich gezeigt, dass die USA und in deren Gefolge die EU mit ihrem Kampf gegen den Terrorismus und Islamismus genau das Gegenteil dessen erreicht haben, was sie angeblich anstreben. Waren schon die Kriege gegen Afghanistan, den Irak, Palästina und Libanon dazu angetan, den Terrorismus zu stärken und die Basis der Radikalislamisten spürbar zu erweitern, gilt nun dasselbe für den Streit um Irans Nuklearprogramm. Die damit einher gehenden Sanktions- und Kriegsdrohungen haben dazu geführt, dass die radikalen Kräfte um Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad die Macht im Iran für sich monopolisieren und ihren Einfluss in der gesamten Region ausdehnen können.
Nach dem Sturz der Taliban hat Iran in Afghanistan wieder stärker Fuß gefasst, im Irak ist Teheran über die schiitische Mehrheit praktisch an der Macht beteiligt, in Palästina und im Libanon gibt es Einflussmöglichkeiten über Hamas beziehungsweise Hisbollah. Nicht zu Unrecht wird Iran heute im Nahen und Mittleren Osten als regionale Großmacht gesehen, gilt in der gesamten islamischen Welt der Populist Ahmadinedschad bei den Massen als ein Held, der den Mut aufbringt, der Supermacht USA und der größten regionalen Militärmacht Israel die Stirn zu bieten und dem Druck von außen zu widerstehen.
Demgegenüber stehen die USA und die EU mit leeren Händen da. Teheran hat sich auf die Politik von "Zuckerbrot und Peitsche" nicht eingelassen und will nicht auf sein international verbrieftes Recht verzichten, Uran im eigenen Land anzureichern und den nuklearen Brennstoff zur friedlichen Nutzung der Atomenergie herzustellen. Nun sind Washington und Brüssel im Zugzwang - doch was können sie tun? Wie ließe sich dem möglichen Versuch Irans, in den Besitz von Nuklearwaffen zu gelangen, Einhalt gebieten? Über den UN-Sicherheitsrat wird kaum etwas zu erreichen sein. Die Veto-Mächte Russland und China sind aufgrund ihrer ökonomischen Interessen nicht bereit, harte Sanktionen mit zu tragen.
Selbst die EU-Staaten scheinen allmählich zu begreifen, wie kontraproduktiv Strafaktionen sein können. Derlei Maßnahmen gegen den viertgrößten Ölproduzenten der Welt würden die Preise für Erdöl und Erdgas in die Höhe treiben und der Wirtschaft im EU-Raum enorm schaden. Die Europäer würden zudem einen wichtigen Markt verlieren und sich beträchtlichen Sicherheitsrisiken aussetzen.
Diese Erkenntnis hat in den vergangenen Wochen bei den so genannten EU-3, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, offenkundig zu einer Kurskorrektur geführt - nur kam die leider zu spät. Selbst der Vorstoß Frankreichs, die Gespräche ohne Vorbedingung wieder aufzunehmen, ließ Teheran nicht einlenken. Der demonstrative Optimismus des EU-Außenbeauftragten Javier Solana, Irans Verhandlungsführer Ali Laridschani doch noch von seinen Vorschlägen überzeugen zu können, zeugt von unverzeihlicher Naivität. Weshalb sollte man sich in Teheran auf die Offerten der EU einlassen, wenn man dort längst davon überzeugt ist, dass die von den USA aufgebaute Drohkulisse einem brüllenden Löwen ohne Zähne gleicht? Selbst wenn es Washington gelingen würde, Russland und China für "symbolische und sanfte" Sanktionen zu gewinnen, dürfte das die iranischen Machthaber nicht sonderlich beeindrucken - Druck von außen ist eher dazu angetan, das Regime zu stabilisieren, anstatt es zu schwächen.
Eigentlich könnte der Streit längst beigelegt sein, hätte sich die US-Administration auf den Vorschlag aus Moskau eingelassen, Iran die Urananreicherung auf niedrigem Niveau zu erlauben - sofern es der Forschung dient - und die industrielle Herstellung des atomaren Brennstoffs Russland übernehmen zu lassen. Aber wie die Geschichte des Konflikt zeigt, geht es Washington mitnichten nur darum, Iran am Bau von Nuklearwaffen zu hindern. Weit mehr hat man gesicherte Energiequellen im Nahen und Mittleren Osten und die Kontrolle der gesamten Region im Blick. Dazu gehört ein Regimewechsel im Iran. Die USA machen keinen Hehl daraus, genau dies anzustreben.
Die Frage ist nun, wie sich Washington in dieser neuen Lage verhalten wird. Es ist kaum vorstellbar, dass sich die Bush-Regierung mit "sanften Sanktionen" begnügen und eine potenzielle Atommacht Iran hinnehmen wird. Eher ist zu befürchten, dass sie sich dafür entscheidet, kurzen Prozess zu machen. Doch können sich die Amerikaner neben Afghanistan und dem Irak noch einen weiteren Kriegsschauplatz leisten? Wenn überhaupt, dann nur mit Hilfe der NATO. Der Krieg gegen Libanon und das Engagement der wichtigsten EU-Länder in der Region zur Sicherung des Waffenstillstands zwischen Israel und dem Libanon könnten als Vorspiel eines solchen Vorgehens gedeutet werden.
Sollte sich die Europäische Union jedoch weigern, militärische Maßnahmen gegen den Iran zu unterstützen, bliebe Washington nur der Ausweg, im Alleingang Irans Atomanlagen und Militärbasen möglicherweise mit Nuklearwaffen anzugreifen. Die verheerenden Folgen, die ein solcher Schritt nicht nur für die gesamte Region, sondern auch für Europa, die USA und den Weltfrieden hätte, kann man sich kaum ausmalen.
Vom Autor ist in diesem Jahr das Buch erschienen: Iran - die drohende Katastrophe. Kiepenheuer Witsch. Köln.
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