Pofalla beendet Dinge

Überwachung Besorgte Gemüter können sich wieder beruhigen: Ronald Pofalla hat gestern in einer Stellungnahme versichert, dass sich Briten und Amerikaner an Recht und Gesetz halten

Die ganze Aufregung war also umsonst. Nach dem Ende einer mehrstündigen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums versicherte Ronald Pofalla (CDU), Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, gestern: „Es gibt in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung, wie immer wieder fälschlich behauptet wird.“

Eigentlich sollte man froh darüber sein, dass sich die Sorgen der Opposition und großer Teilen der Medien wegen der Abhöraffäre letztlich nur als „Luftschlösser“, wie Unions-Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer sagte, entpuppen. Denn schon vor der Sitzung verkündete er die frohe Botschaft, dass „all das, was in den letzten Wochen skandalisiert wurde“, sich in Luft auflösen würde.

Andernfalls hätte die Politik eingestehen müssen, dass zum Beispiel das verfassungsmäßig garantierte Grundrechte in Artikel 10, wonach das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich sind, im großen Stile verletzt worden sind – und die gewählten Vertreter dies auch noch stillschweigend billigten. Von der Verletzung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung, des Datenschutz- und des Teledienstedatenschutzgesetzes ganz zu schweigen.

Was soll die Aufregung? Freut euch!

Vielmehr sollte sich nach der gestrigen Stellungnahme Ronald Pofallas der besorgten Bürger erst einmal die Flausen aus dem Kopf schlagen und sich eingestehen: Die Zusammenarbeit zwischen deutschen und amerikanischen Geheimdiensten ist ein Erfolgsmodell! Denn Pofalla sieht scheinbar „bei der Zusammenarbeit der Dienste die einmalige Chance [...], einen Standard zu setzten, der mindestens unter den westlichen Diensten stilbildend sein könnte für die zukünftige Arbeit“.

Untermauert wird diese vertrauensbildende Einschätzung der Lage damit, dass vonseiten der USA der Abschluss eines No-spy-Abkommens vorgeschlagen wird. Anstatt jedoch die einfache Rechnung aufzustellen, dass das Angebot eines solchen Abkommens gewissermaßen das Eingeständnis dafür ist, dass bis dato also ausgespäht worden ist (denn warum sonst bedürfte es überhaupt eines solchen Abkommens? Als symbolisches Zeichen des Vertrauens etwa?), winden sich Pofallas Analysekünste: „Dieses Angebot könnte uns niemals gemacht werden, wenn die Aussagen der Amerikaner, sich in Deutschland an Recht und Gesetz zu halten, nicht tatsächlich zutreffen würde.“

Offen Fragen

Diese Schlussfolgerung sei erst einmal dahin gestellt. Doch selbst ausgehend von diesen hehren Bekundungen, drängen sich Fragen auf, die unbeantwortet bleiben: Welche Daten wurden überhaupt erhoben? Wenn allein im Dezember 2012 vom BND an die NSA 417 Millionen persönliche Verbindungsdaten weitergeleitet worden sind, unter denen keine Daten Deutscher dabei sein sollten: Wie wollen denn ernsthaft die Geheimdienste alle Datensätze zum Beispiel auf ".de-Mails hin" überprüfen und diese gewissenhaft herausfiltern? Wie kann hinreichender Schutz gewährleistet werden, wenn die meisten Server, welche die Deutschen benutzen, auf britischen oder amerikanischen Boden liegen? Oder wenn der US-Geheimdienst Zugriff auf die Server von Internet-Diensten wie Google oder Facebook hat? Wie sollen Persönlichkeitsrechte nach deutschem Recht gesichert werden, wenn die Briten einfach Transatlantikkabel direkt anzapfen? Und wie soll denn das angekündigte No-spy-Abkommen im Detail aussehen?

Über derartige Fragen kann nun jeder für sich im stillen Kämmerlein nachdenken. Von verantwortlicher Regierungsseite sind keine neuen Erkenntnisse absehbar. Weitere Fragen waren nicht erwünscht – Pofalla verschwand augenblicklich nach seiner Stellungnahme.

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Geschrieben von

Baran Korkmaz

Stipendiat am Bildungswerk Kreuzberg und derzeit Praktikant beim Freitag.

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