Die CIA-Contra-Crack-Connection

USA Ein von Ausweisung bedrohter Nikaraguaner strapaziert sein Erinnerungsvermögen und gräbt eine »alte Geschichte« wieder aus

Wenn amerikanische Journalisten mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet werden, haben sie zumeist ausgesorgt. Es gibt nichts, was ihrer Karriere zuträglicher sein könnte. Aber Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel: Dem kalifornischen Reporter Gary Webb nützte die begehrte Auszeichnung letzten Endes gar nichts. Die Zunft, die ihren Preisträger 1990 erst feierte, fiel später massiv über ihn her und weigert sich bis heute, ihn zu rehabilitieren. Der Grund ist offensichtlich: Gary Webb hat sich mit dem Geheimdienst CIA angelegt. Das war ein Fehler.

Die Vorgeschichte ist etwas länger und nicht unkompliziert. Im August 1996 veröffentlichte Webb in der Tageszeitung San Jose Mercury News eine mehrteilige, sensationelle Serie. Unter der Überschrift »Dark Alliance« (Dunkle Allianz) berichtete er über die enge Verbindung der CIA mit nikaraguanischen Contra-Führern, die in den achtziger Jahren in Kalifornien als Drogenhändler operierten. Die CIA habe gewusst, schrieb Webb, dass die Contras das Ghetto von Los Angeles mit Crack überschwemmten, um mit den Drogengeldern ihren Krieg gegen die Sandinisten zu finanzieren.

Dieser Vorwurf war nicht ganz neu, im Zusammenhang mit dem Iran-Contra-Skandal, hatte die alternative Presse bereits einiges dazu publiziert, aber es war nicht der politische Aspekt, der seinerzeit für Aufregung sorgte, sondern die mit CIA und Contras in Zusammenhang gebrachte horrende Crack- Epidemie im Ghetto von Los Angeles. Auf einmal erhielt ein altes Gerücht wieder Auftrieb - das vom Genozid: die Weißen hätten Drogen ins Ghetto eingeschleust, um die schwarze Rasse auszulöschen. In Los Angeles braute sich eine unheilvolle Stimmung zusammen. Sie machte sich in Talkshows Luft, in teach-ins an Universitäten, in den Forderungen schwarzer Politiker nach einer offiziellen Untersuchung durch den Kongress. Aus Angst vor einem heißen Herbst reagierte Washington sofort: Senat, Justizministerium und CIA ordneten Ermittlungsverfahren an. Auch die Mainstream-Presse machte sich an die Arbeit. Aber nicht etwa, um den diversen Aspekten der »Dark Alliance« - wenn auch spät, so doch selbst - nachzugehen, sondern um die Geschichte herunterzuspielen. Und um Gary Webb Fehler nachzuweisen. Die Serie sei schlecht recherchiert, in vielen Punkten zu vage und von der CIA »nicht gegen-gecheckt«, wurde moniert.

Verunsichert durch die nationale Einheitsfront distanzierte sich die San Jose Mercury News von Story und Autor. Gary Webb verließ die Zeitung. Er veröffentlichte »Dark Alliance« als Buch und ging auf eine Vorlesereise, die von alternativen Buchläden organisiert wurde.

1998 wurden die Zeiten für den Journalisten wieder besser. CIA und Justizministerium schlossen ihre Untersuchungen mit Berichten ab, die den Reporter in den entscheidenden Punkten rehabilitierten. Die CIA sah sich gezwungen, offiziell einzuräumen, was sie zuvor kategorisch abgestritten hatte: Sie war über die Drogenaktivitäten der Contra-Führer sehr wohl und von Anfang an informiert. Dass heißt, Crack im Ghetto von L.A. wurde vom amerikanischen Geheimdienst als Mittel zum Zweck eingesetzt - für den Sieg der Contra über die Sandinisten. Wer entsprechende Schlagzeilen oder vielleicht sogar eine Entschuldigung der Presse bei Webb erwartet hatte, wurde enttäuscht. Es passierte nichts.

Auch die jüngste Entwicklung wird von den Mainstream-Medien ignoriert. Am 29. Juli berichtete nur der lokale San Francisco Examiner, dass ein ehemaliger Contraführer/Drogenhändler namens Renato Pena eine Verhandlung vor einem Berufungsgericht in San Francisco gewonnen habe. Pena war in den achtziger Jahren Sprecher der Contras in Nordkalifornien. Er war in dieser Zeit wegen Drogenhandels verhaftet worden, hatte sich schuldig bekannt, seine CIA-Kontakte offenbart und erhielt 1987 politisches Asyl.

Aufgrund seines Drogenvergehens entzog ihm die Einwanderungsbehörde dann jedoch das Asylrecht und begann ein Ausweisungsverfahren. Pena ging in die Berufung mit der Begründung, er hätte sich nur schuldig bekannt, weil ihm der Staatsanwalt damals ein niedriges Strafmaß versprochen hätte, daran könne er sich sehr genau erinnern. Außerdem habe sein Pflichtanwalt es unterlassen, ihn auf die Gefahr der Deportation aufmerksam zu machen. Besagter Staatsanwalt hat dementiert, doch das Berufungsgericht in San Francisco hält Pena für glaubwürdig und hat ihm jetzt ein Anhörungsverfahren vor der Einwanderungsbehörde zugestanden, damit er die Chance hat, seine Abschiebung nach Nikaragua abzuwenden. Renato Penas Anwalt gibt sich siegessicher: »Wir brauchen nur den CIA-Contra-Crack-Untersuchungsbericht vorzulegen«, sagt er, »da steht alles drin. Der entlastet uns einwandfrei.«

Ob es wirklich zu Penas Hearing kommt, bleibt abzuwarten. Wahrscheinlich wird man ihn einfach ziehen lassen. Denn wenn die CIA-Dokumentation tatsächlich vor Gericht ausgebreitet würde, wäre das nicht nur hochpeinlich für die Agency, sondern auch eine unziemliche Blamage für den Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses. Auch dieses Gremium hat nämlich einen Untersuchungsbericht komponiert. Darin wird bis heute behauptet, »dass es keinerlei Beweise dafür gäbe, dass die CIA jemals Informationen zurückgehalten habe, die den Drogenhandel oder darin involvierte Contras beträfen«.

Hier spricht das alte Prinzip: Was nicht sein darf, nicht sein kann. Die CIA-Contra-Crack-Connections gehören nicht an die Öffentlichkeit. Das braucht man der Estalishment-Presse nicht zweimal zu sagen - und deshalb wird die Rehabilitierung des exzellenten investigativen Journalisten Gary Webb seine ganz persönliche Sache bleiben.

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