Schakale und Sklaven

Säulen des Imperiums Ein Economic Hit Man (HTM) aus Neuengland packt aus

Den skrupellosen Wirtschaftskiller hat man John Perkins wahrscheinlich nie angesehen. Die hohe Stirn, die hageren Züge und die Hände eines Klavierspielers deuten auf einen Schöngeist, den intellektuellen Yankee aus dem noblen Neuengland. Doch auf seiner landesweiten Booktour stellt sich Perkins gerade ohne Umschweife als einstiger "Economic Hit Man" vor - als eiskalter Wirtschaftsattentäter mit globalem Aktionsradius, der sich in den siebziger und achtziger Jahren auf höchster Ebene in Indonesien, Ekuador, Panama und Saudi-Arabien zu schaffen machte und mit Hilfe von US-Geheimdienst, Weltbank, IWF und privaten Großkonzernen systematisch und weltweit arme Länder zur Ader ließ - im Dienste des permanent expansionsfreudigen Imperiums, das - so Perkins - "im Gegensatz zu allen anderen in der Geschichte durch wirtschaftliche Manipulationen aufgebaut (wurde) - durch Schwindel, durch Verführung der Menschen zu unserem way of life, durch wirtschaftliche Attentäter. Ich war einer von ihnen."

Sein Buch Confessions of an Economic Hit Man (Bekenntnisse eines Wirtschaftsattentäters/Verlag Berrett-Koehler Publishers) hat er sich nach vier Anläufen abgerungen. Drohungen und eine halbe Million Dollar Bestechungsgeld hätten ihn von einer früheren Veröffentlichung abgehalten. Der Autor Perkins, wahrlich kein begnadeter Stilist, nennt ohne Skrupel viele Namen und beschreibt, wie das System der Ausbeutung funktioniert - ein hemmungslos persönlich gehaltener Bericht über Ereignisse, die ihn dazu zwangen, zwischen seinem Gewissen und einem Leben in phantastischem Luxus zu wählen. Seine Hauptaufgabe war es - kurz gesagt - Entwicklungsländer durch gezinkte Prognosen zu überteuerten Industrieprojekten zu überreden und in der Folge mit Krediten zu ruinieren. Ein "Economic Hit Man" (EHM) kann weltweit Länder um Zig Milliarden betrügen und Weltbank- oder Entwicklungskredite in die Taschen von Großkonzernen und reichen Familien schleusen. Zum Operationsbesteck eines solchen Spezialisten gehören Wahlmanipulation, Schmiergelder, Erpressung, Sex und Mord.

Wirtschaftskiller dieses Kalibers haben in den USA Tradition, seit Kermit Roosevelt, der Enkel von Präsident Teddy Roosevelt, 1953 in Persien fast eigenhändig die demokratisch gewählte Regierung Mossadegh stürzte und den Schah einsetzte. "Damals haben wir erkannt", schreibt Perkins, "dass die Idee des EHM extrem gut war. Wir mussten uns keine Sorgen über einen Krieg mit Russland machen, wenn wir so vorgingen. Das Problem mit Kermit Roosevelt war allerdings, dass es sich bei ihm um einen CIA-Agenten handelte. Er war bei der Regierung angestellt, und wenn man ihn erwischt hätte, wären wir in große Schwierigkeiten geraten. Daher wurde entschieden, dass Organisationen wie die CIA und die NSA wirtschaftliche Attentäter wie mich rekrutieren, die dann in Privatfirmen arbeiten - Berater- und Ingenieurbüros oder Bauunternehmen, so dass - falls wir enttarnt würden - keine Verbindung zur Regierung festzustellen wäre."

Perkins wird 1968 von der National Security Agency (NSA) rekrutiert. Er studiert gerade an der Wirtschaftshochschule der Universität Boston: "Sie haben die stärksten Drogen unserer Kultur eingesetzt - Sex, Macht und Geld -, um mich zu vereinnahmen." Auf Anraten der NSA geht Perkins zum Peace Corps und arbeitet drei Jahre als Freiwilliger in Ekuador. Anschließend beginnt die große Karriere als Chefökonom des internationalen Consulting Konzerns Chas T. Main in Boston, der enge Verbindungen zur CIA unterhält. "Ich gab anderen Ländern Kredite, die viel zu hoch waren, als dass sie je zurückgezahlt werden könnten - sagen wir, eine Milliarde Dollar für ein Land wie Indonesien oder Ekuador, unter der Bedingung, dass 90 Prozent dieses Kredits an US-Unternehmen wie Halliburton oder Bechtel zurückfließen würden, um Infrastruktur zu bauen. Diese Unternehmen gingen dann hin und bauten ... Häfen oder Autobahnen, die im Grunde nur den reichsten Familien des Landes nützten. Dem Land blieben eine Menge Schulden und eine Menge Zinsen. Im Grunde wurden sie unsere Zinsknechte, unsere Sklaven."

Perkins erinnert sich an Omar Torrijos, den Präsidenten von Panama, mit dem er befreundet war. Als Torrijos sich weigerte, mit der Regierung Reagan über den von den USA zurückgegebenen Panama-Kanal neu zu verhandeln, habe Washington kurzen Prozess mit ihm gemacht. Torrijos starb 1981 als sein Flugzeug abstürzte. "Ich hatte mit ihm zusammengearbeitet, ich wusste, dass die Economic Hit Man gescheitert waren. Wenn die EHM scheitern, dann sind in diesem Szenario der nächste Schritt die sogenannten Schakale. Die Schakale sind von der CIA bestellte Leute, die versuchen, einen Putsch oder eine Revolution anzuzetteln. Wenn das nicht funktioniert, dann führen sie Mordanschläge aus oder versuchen es. Ich wusste, dass die Schakale hinter ihm her waren, und dann hörte ich, dass sein Flugzeug explodiert war, in dem sich ein Tonbandgerät mit einer Bombe befunden hatte. Ich habe keinen Zweifel, dass die CIA dahinter steckte."

Perkins Aktivitäten in Saudi-Arabien sind besonders aufschlussreich, da sie enthüllen, was auch Michael Moore in seinem Film Fahrenheit 9/11 beleuchtet: die enge Verknüpfung der finanziellen Interessen des Hauses Saud mit der Bush-Dynastie. Anfang der siebziger Jahre wirkte Perkins bei der Umsetzung eines Planes mit, der Milliarden von Petrodollars zurück in die USA schleust und die intime Beziehung zwischen dem islamisch-fundamentalistischen Königshaus und der US-Regierung festigt. "Wir haben ein Abkommen ausgearbeitet, wonach das saudische Königshaus zustimmte, den größten Teil der Petrodollars in den USA zu reinvestieren und sie in amerikanische Regierungsanleihen anzulegen. Das Finanzministerium nutzte dann die Zinsen aus diesen Wertpapieren, um amerikanischen Firmen Aufträge zu erteilen und in Saudi-Arabien neue Städte zu bauen, neue Infrastrukturen und so weiter."

Im Irak sei die gleiche Politik versucht worden, aber Saddam Hussein habe nicht angebissen, berichtet Perkins. Auch die Schakale der CIA hätten Saddam nicht erwischen können: "Seine Leibwächter waren zu gut. Er hatte Doppelgänger. Sie sind nicht an ihn herangekommen. Die dritte Verteidigungslinie, wenn die wirtschaftlichen Attentäter und die Schakale versagen, sind dann unsere jungen Männer und Frauen, die wir dorthin schicken - um zu töten und zu sterben. Das haben wir im Irak offensichtlich getan."

Kein Wunder, dass Perkins in der Ära Bush lange suchen musste, bis er einen Verleger für seine brisanten Bekenntnisse fand. Die großen, internationalen Verlagshäuser wollten sich nicht die Finger verbrennen und schlugen vor, das Buch doch besser als Fiktion, in Romanform, zu veröffentlichen. Perkins gab nicht nach, überwand seine Angst, schlug Bestechungsgelder aus und landete im Januar auf der Bestsellerliste der New York Times.


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