Taqwacore von Michael Muhammad Knight erscheint bei Rogner & Bernhard

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Taqwacore ist ein Kunstwort aus Taqwa (arabisch: Frömmigkeit) und Hardcore – und der Titel eines Buchs und eines Films des US-amerikanischen Autoren Michael Muhammad Knight. Der versucht zu klären, wo islamischer Glaube, Punk und aufgeklärte westliche Werte wie Gleichberechtigung von Frauen und Homosexuellen zusammen funktionieren können, ebenso ein freies, wildes Leben mit Musik, Partys und lockerem Sex – und gleichzeitig der Blick nach Mekka gerichtet bleibt.

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Cover der deutschen Ausgabe

Setting des Romans ist eine muslimische Punk-WG in Buffalo, New York, in der tagsüber gebetet und nachts wild gefeiert wird, und ein Loch in der Wand die Richtung Mekkas anzeigt, die Protagonisten bei der Koranlektüre Joints rauchen, sich nach dem Fastengebet betrinken oder beim Sex die Burka anbehalten oder gar als weiblicher Imam auftreten.

Das Buch, 2002 nach den Anschlägen von 9/11 und dem veränderten Klima in den USA geschrieben, verschenkte Knight zunächst als Fotokopie (unter anderem an Parkplätzen von Moscheen) und wurde dann von Jello Biafras Label Alternative Tentacles in den Vertrieb genommen. So erwarb es sich Underground-Kultstatus und wurde dann in den USA bereits 2004 als “richtiges” Buch vom linken Nischen-Verlag Autonomedia gedruckt.

Michael Muhammad Knight, Jahrgang 1977, war im Bundesstaat New York in einer irisch-katholischen Familie aufgewachsen, nachdem seine Mutter mit ihm vor dem Vater geflohen war, als Knight zwei Jahre alt war. Der war ein psychisch kranker, rassistischer Prediger der Pfingstkirche, den Knight nur noch einmal als Teenager kurz traf. Damals war er schon zum Islam übergetreten, dem er in den Texten von Public Enemy begegnet war, die über Malcolm X, der sich nach 1964 El Hajj Malik el-Shabazz nannte, die Black Panther und die Nation of Islam sangen. Als er Alex Haleys Malcolm X-Biografie gelesen hatte, war er endgültig bekehrt. Mit 17 ging er nach Pakistan, um den Islam zu studieren und kämpfte gegen die Russen in Tschetschenien.

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Michael Muhammad Knight / Filmstill aus Taqwacore

Der Roman The Taqwacores war eigentlich als sein Abschied an den Islam geschrieben, von dessen orthodoxer Interpretation sich Knight enttäuscht abgewandt hatte. Mit dem Buch erreichte er aber andere Menschen, die ähnliche Identitäts- und Glaubenskonflikte erlebten wie er. Er inspirierte sogar eine tatsächliche “Taqwacore”-Szene mit muslimischen Punkbands und wurde an Universitäten in Islamseminaren besprochen, und ermutigte Musliminnen zu emanzipatorischen Gebeten. So setzte sich Knight weiter und tiefgehender mit dem US-amerikanischen Islam auseinander, fuhr für das Buch Blue-Eyed Devil: an American Muslim Road Odyssey 20 000 Meilen durchs Land, wo bei er sich speziell mit dem progressiven Islam und Abtrünnigen der ideologisch zweifelhaften Nation of Islam beschäftigte. Er schrieb sowohl dokumentarische Berichte als auch Fortsetzungen seiner fiktionalen Taqwacore-Geschichte. 2009 veröffentlichte er eine Autobiografie, in der er seine eigene wilde, bizarre und traumatische Reise zu sich selbst beschreibt. Im selben Jahr drehte er auch einen Film unter dem Titel Taqwacore, der sich mit der vom Roman inspirierten Szene beschäftigt.

Knights Bücher wurden mit Klassikern der US-amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts verglichen, wie Salingers Fänger im Roggen und Kerouacs Unterwegs. In seinem aktuellen Roman William S. Burroughs vs. the Qur’an probierte sich auch an Burroughs Cut-Up-Methode. Jetzt erscheint Taqwacore bei Rogner & Bernhard in der deutschen Übersetzung und Knight kommt auf Lesereise nach Deutschland, auf der auch der Spielfilm The Taqwacores Deutschlandpremiere hat – in ganzer Länge wird er leider nur in Leipzig gezeigt.

Lesungen:
Do., 15. März, 20.00 Uhr:
Leipzig, UT Connewitz, Wolfgang-Heinze-Str. 12a, M. M. Knight und Edgar Eckert
(Zentraltheater Leipzig) lesen, anschließend Diskussion mit Tobias Rapp (Spiegel) plus Film “Taqwacore” (OV)

Fr., 16. März, 21.00 Uhr:
Köln (lit.COLOGNE), Kulturkirche Köln-Nippes, Siebachstr. 85, M. M. Knight liest,
Moderation Philipp Schwenke (freier Journalist)

Sa., 17.März, 20.00 Uhr:
Berlin, Roter Salon der Volksbühne, M. M. Knight und Tamer Yigit (Regisseur & Schauspieler) lesen,
anschließend Diskussion mit Jakob Augstein

Ankündigung bei Rogner & Bernhard


Originaltext bei Popkontext.de
















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Popkontext

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