The First Rasta – Dokumentarfilm von Hélène Lee

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The First Rasta ist ein neuer Dokumentarfilm, welcher sich auf die Suche nach den Wurzeln der Rastafari-Religion begibt, die in den 60ern und 70ern besonders über Reggae und speziell die Person von Bob Marley, der sich zu dieser Religion bekannte, weltweit bekannt wurde. Die Ursprünge der Religion liegen tief in der Kolonialgeschichte Jamaikas. Reggae-Spezialistin Hélène Lee hatte 2001 eine Biografie über Leonard Percival Howell, genannt “The Gong”, geschrieben, der als einer der konkreten Begründer der Rastafari-Bewegung gilt. Diese hat sie jetzt als Dokumentarfilm umgesetzt, die ab dem 26. April auch in den deutschen Kinos zu sehen ist.

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Leonard Howell

Howell wurde 1898 in May Crawle River im südlichen Landkreis Clarendon in einer Mittelklasse-Familie geboren. Als Seemann bereiste er zwischen 1915 und 1932 die Welt. Er erlebte den ersten Weltkrieg – Kampfhandlungen, Flüchtlingsschicksale und war diversen Weltsichten ausgesetzt. Er lernte durch den Krieg den Pazifismus kennen, arbeitete mit Anarchisten, erfuhr in der jungen Sowjetunion vom Marxismus, und hatte mit Comintern-Mitglieder ebenso zu tun wie mit Schülern Gandhis. In New York lernte er die kämpferische und kulturell reiche Harlem Renaissance der Roaring Twenties kennen.

Zurück in Jamaika, begann er 1933 die Krönung Ras Tafari Makonnen ala Kaiser Haile Selassie I von Äthiopien als bedeutsames Ereignis für die afrikanische Diaspora anzusehen, er begann zu verbreiten, dass er der schwarze Messias sei, den Marcus Garvey vorausgesagt hatte. Damit gehörte er neben Joseph Hibbert, Archibald Dunkley und Robert Hinds zu den ersten Predigern der neuen Religion. Etwa 1935 veröffentlichte er unter seinem indischen Pseudonym G.G. (Gong Guru) Maragh (Lehrer der berühmten Weisheit) das erste Rastfari-Traktat, The Promise Key. Es basierte stark auf dem knapp zehn Jahre zuvor veröffentlichen Royal Parchment Scroll of Black Supremacy des Predigers Fitz Balintine Pettersburg. Howell stellte Selassie und seine Frau Menen Asfaw als das heilige afrikanische Königspaar dar, wandte sich gegen die Ästhetik der weißen, westlichen Welt und erklärte die Schwarzen zum auserwählten Volk, das bald nach Äthiopien zurückgeführt würde.

Er wurde von den Kolonialbehörden wegen Volksverhetzung inhaftiert, und gab nach seiner Haftentlassung die Zeitung The People’s Voice heraus. 1939 gründete er die erste Rasta-Kommune Pinnacle, in der Ortschaft Sligoville 10 Kilometer von der ehemaligen jamaikanischen Hauptstadt Spanish Town, wo sich die Rasta-Philosophie und -lebensweise entwickelte. Sein Geld verdiente er mit Marihuana-Anbau. Seine Jünger, die Howell als Propheten ansahen, ließen sich in Nachahmung von Salassies Äußerem lange Haare und Bärte Wachsen. Howell geriet weiter immer wieder in Konflikte mit den einflussreichen Kräften der Insel: den Pflanzern, den Behörden, der Polizei, den Gewerkschaften und den etablierten Kirchen. Immer wieder wurde er inhaftiert oder in der Irrenanstalt untergebracht. 1954 wurde Pinnacle von der Polizei gestürmt und viel der gesammelten Literatur verbrannt, unter anderem Howells Buch. 1981 wurde Howell in Kingston tot aufgefunden, wobei die Todesumstände unklar blieben.

Inzwischen hatte sich die Rastafari-Religion nicht nur in Jamaica, sondern sich vor allem über die Reggae-Musik in der ganzen Welt verbreitete. Sie und wurde sogar von Weißen angenommen, wenn auch oft in verwässerter / veränderter Form. Rastafari entwickelte aber nie eine feste Doktrin, sondern bewegte sich zwischem konkretem politischem Engagement und Rückzug in die Isolation einer Kommune, schwarzem Nationalismus und der Umarmung der Menschen aller Hautfarben (One Love).

Im Gespräch mit Zeitzeug/innen, Jünger/innen und Expert/innen erklärt der Dokumentarfilm viele der Widersprüche und Missinterpretationen. Er zeichnet die Geschichte der Howellschen Linie der Rastafaries nach, besucht historische Plätze und zeigt z.T. über über rares Archivmaterial die historischen und kulturellen Zusammenhänge auf. Die Regisseurin Hélène Lee wurde nach langen Jahren des Reisens Reggae- und Weltmusikspezialistin der französischen Tageszeitung Liberation. Sie arbeitete als Übersetzerin und schrieb verschiedene Bücher zum Thema, Rockers d’Afrique (1987), The First Rasta (2001), Voir Trench Town et mourir (2003). Sie schrieb das Drehbuch für den Arte-Film Jimmy Cliff, Moving on, führte Regie bei Bons Baisers de Barbès (France 3), Une voix sur le Maroni und weitere kürzere Dokumentationen für Arte. Ab 26. April 2012 ist The First Rasta in ausgewählten Kinos in Deutschland zu sehen, und wahrscheinlich auch irgendwann auf Arte.

Webseite des Films bei der Produktionsfirma Kidam (English)
Offizielle Kinoliste via House of Reggae

Zuerst erschienen auf Popkontext.de










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