Zwei Leben

Biografie Zwei der größten weiblichen Ikonen des 20. Jahrunderts wurden vor 80 Jahren geboren, Yoko Ono und Nina Simone.

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Die afroamerikanische Musikerin Nina Simone erblickte am 21. Februar 1933 als sechstes Kind einer armen afroamerikanischen Familie das Licht der Welt, die japanisch-US-amerikanische Avantgardekünstlerin Yoko Ono wurde drei Tage davor in eine mit dem Kaiser verwandte japanische Oberschichtsfamilie geboren. Beide gelangten zu Weltruhm. Simone starb vor zehn Jahren – Ono erfreut sich bester Gesundheit, fühlt sich nach eigener Aussage wie 40 und lässt sich gerade kräftig in Frankfurt und Berlin feiern – unter aktiver eigener Beteiligung.

Außer ihrer künstlerischen Tätigkeit und der Stadt, in der sie berühmt wurden, haben sie zwei weitere Dinge gemeinsam – sie sind nicht weiß, gehörten damit nicht zur kulturell dominierenden Ethnie, und sie waren Frauen in einer Zeit, als diese noch Menschen zweiter Klasse waren und wuchsen auf, als der richtige Ort für ihr Geschlecht mehrheitlich hinter dem Kochtopf gesehen wurde.

a.
Yoko Onos Vater war künstlerisch ambitioniert und sie besuchte exklusive Schulen. Schon als Siebenjährige lebte sie einige Zeit in den USA, wo ihr Vater zeitweilig arbeitete. Den ersten, und prägendsten Bruch in ihrem Leben erlebte sie mit dem Kriegsende – nach der massiven Bombardierung Tokios floh ihre Familie in die umliegenden Berge und musste um Essen betteln. Ein Jahr später war, abgesehen davon, dass der Vater als Kriegsgefangener in Französisch-Indochina verschollen war, die Welt aber wieder in Ordnung – sie besuchte ein exklusives Gymnasium, gemeinsam mit dem zukünftigen Kaiser, und schrieb sich 1951 an der Gakushuin Universität in Philosophie ein – als erste Frau im Seminar. Bald zog ihre Familie jedoch wieder nach New York und sie ging mit.

b.
Eunice Kathleen Waymon, die später als Nina Simone berühmt wurde, wuchs im Südosten der USA auf, im von Rassismus und Segregation geprägten North Carolina. Ihre Mutter war Hausmädchen und Pfarrerin, der Vater versuchte sich als Geschäftsmann, war aber oft länger krank. Sie lernte schon mit drei Jahren Klavier spielen, trat in der Kirche auf und wollte Konzertpianistin werden. Der Arbeitgeber ihrer Mutter bezahlte ihr Klavierstunden, weil er von ihrem Talent beeindruckt war. Später wurde ein örtlicher Fond eingerichtet, der ihre weitere Ausbildung ermöglichte. Sie bewarb sich auf ein Stipendium am angesehenen Curtis Institute of Music in Philadelphia. Sie wurde abgelehnt – aufgrund ihrer Hautfarbe, wie sie annahm. Das war die zweite einschneidende Erfahrung ihres Lebens – mit zwölf, als sie ihr Debüt als klassische Pianistin gegeben hatte, waren ihre Eltern aus der ersten Reihe nach hinten gesetzt worden, um Platz für Weiße zu machen. Die junge Eunice weigerte sich anzufangen, bevor ihre Eltern wieder vorn saßen – und setzte sich damit durch. Nina Simone studierte dann an der Juilliard School of Music in New York City.

c.
Ono war zu dieser Zeit am privaten Sarah Lawrence College in Westchester County im Bundesstaat New York eingeschrieben, wo sie sich in der Künstlerszene bewegte – zum Missfallen ihrer Eltern, die zwar ihre künstlerische Ader unterstützten, aber diese Menschen als unter ihrem sozialen Status betrachteten. Ono erfreute sich nicht nur am Bohème-Leben, sondern baute auch erste wichtige Kontakte in die New Yorker Kunstszene auf – sie lernte u.a. La Monte Young und John Cage kennen. Sie mietete ein Loft im TriBeCa-Viertel, wo sie erste Performances aufführte. Sie heiratete 1956 zunächst den japanischen Musiker Toshi Ichiyanagi. 1961 lernte sie den US-Künstler Anthony Cox, kennen – er hatte ihre Arbeiten in einem Katalog gesehen und sie daraufhin in Tokio aufgesucht, wo sie aufgrund eines Nervenzusammenbruchs im Krankenhaus lag. Mit ihm bekam sie 1963 Tochter Kyoko. Bis 1969 hielt die Beziehung, die auf persönlicher Ebene schon schnell zerfallen war, als berufliche Partnerschaft an. Ono trieb ihre Karriere voran, und Cox managte sie und erzog die Tochter, die er später, nachdem er sich mit Ono verstritten hatte, entführte.

d.
Nina Simone, wie sie sich jetzt nannte, hatte 1954 einen Job als Unterhaltungskünstlerin im Midtown Bar & Grill on Pacific Avenue in Atlantic City in New Jersey angenommen, um ihr Studium zu finanzieren. Ihr Chef bestand darauf, dass sie auch sang und nicht nur Klavier spielte. Das sollte der Anfang ihres Weltruhms werden. 1958 hatte sie sich eine kleine, aber treue Fanschar erspielt. Als Gefallen für einen Bekannten nahm sie George Gershwins Porgy and Bess auf, das sie von einer Billy-Holliday-Aufnahme gelernt hatte – es wurde ihr einziger Top-40-Hit in den Billboard-Charts. Im gleichen Jahr heirate sie, bereute es aber bald. Sie veröffentlichte ihr Debütalbum Little Girl Blue, für dass sie alle Rechte für 3 000 Dollar an die Plattenfirma abtrat – ein schwerer Fehler, wie sich herausstellen sollte, denn es enthielt ihre berühmte Version von My Baby Just Cares for Me, dass sie zwar nicht geschrieben hatte, aber sich in ihrer Interpretation millionenfach verkaufte und zum Welthit wurde – allerdings erst 1987, als es in einer Parfümwerbung verwendet und wiederveröffentlicht wurde.

Aufgrund des Erfolgs ihres Debüts bekam Simone einen besser bezahlten Plattenvertrag, bei dem sie jedoch keine künstlerische Freiheit hatte und ihr das zu singende Material – Popsongs mit afroamerikanischen Wurzeln – vorgesetzt wurde. Das war Simone jedoch egal, da sie diese Arbeit nur als Mittel zum Zweck sah, ihr Studium der klassischen Musik finanzieren zu können. Sie heiratete 1961 erneut, diesmal glücklicher – einen Polizeidetektiv namens Andrew Stroud, mit dem sie 1962 eine Tochter bekam und der später ihr Manager wurde.

Mit einem neuen Labelwechsel begann Simone, ihre politische Haltung öffentlich zu zeigen: Auf Nina Simone In Concert (1964) sang sie zum ersten Mal deutlich über Rassendiskriminierung und schloss sich der Bürgerrechtsbewegung an, die in dieser Zeit ihren Höhepunkt erreichte. Ihr selbstgeschriebenes Mississippi Goddam wurde zu einer Hymne im Kampf gegen den Rassismus. Seitdem verschrieb sie sich auch in ihren öffentlichen Auftritten dem Kampf für die Gleichheit der Afroamerikaner – sie befürwortete einen radikaleren Weg als den von Martin Luther King Jr., und trat für einen eigenen afroamerikanischen Staat ein, der nur mit Gewalt erkämpft werden könne – betonte dabei aber, dass sie keine “Rasse” als minderwertiger als eine andere ansah. Zu ihren berühmtesten Songs dieser Zeit gehören ein Cover von Abel Meeropols Strange Fruit, das Billie Holiday berühmt gemacht hatte, Backlash Blues von dem berühmten Harlem-Renaissance-Dichter Langston Hughes und Billy Taylors I Wish I Knew How It Would Feel to Be Free.Gemeinsam mit Weldon Irvine machte sie aus einem unvollendeten Stück der jung verstorbenen afroamerikanischen Autorin Lorraine Hansberry den Song To Be Young, Gifted, and Black

e.
Yoko Ono hatte sich Mitte der 60er einen Ruf als Avantgardekünstlerin gemacht und war Teil der Fluxus-Bewegung. Dann lernte sie einen Mann kennen, der noch reicher und deutlich berühmter war als sie, und der bald auch ihren Namen weltweit jenseits elitärer Zirkel bekannt machen sollte – allerdings weniger aufgrund ihrer künstlerischen Arbeit, sondern als die Frau, die die Beatles kaputt gemacht hätte. Ihre Kunst fand nur sehr bedingt Anerkennung, auch wenn John Lennon, um den es ging, sie sehr stark in seine eigene Arbeit einbezog und durch viele gemeinsame Projekte, oft von Ono inspiriert, “mitnahm”. Die meisten verstanden, nicht was Ono wollte – außer den berühmten Mann, auf den nicht nur seine Noch-Ehefrau, sondern Millionen Beatles-Fans, ebenfalls Anspruch erhoben. Wie auch immer die Details aussahen und zu bewerten sind – Ono wusste sehr gut, wie man sich so einen Superstar angelt, war sich klar darüber, dass es ihrer Karriere nutzen würde (was wirkliche Liebe und Talent ja nicht ausschließt), und konnte auf ihre Kontakte und ihren Status bauen.

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Foto: Yoko Ono und John Lennon // Wikipedia, Jack Mitchell

Gemeinsam mit Lennon beschäftigte sich Ono nicht nur mit einem anderen Menschenbild und hinterfragte Rollenbilder, sondern engagierte sich gegen den Vietnamkrieg – und entdeckte den Rock’n'Roll. Sie war an einigen späten Beatles-Stücken beteiligt, machte mit Lennon musikalische Avantgardeaufnahmen und veröffentlichte 1970 mit Yoko Ono/Plastic Ono Band, begleitend zu John Lennon/Plastic Ono Band, ihr musikalisches Solodebüt. 1971 erschien ihr vielleicht bekanntestes und einflussreichstes Solowerk, Fly. Nach einer zweijährigen Trennung fanden Ono und Lennon wieder zusammen, zogen in das berühmte Dakota-Building, vor dessen Tür Lennon später ermordet wurde, und bekamen ihren Sohn Sean, den vor allem Lennon betreute, während Ono ihren Geschäften nachging. 1979 / 80 nahmen sie ihr letztes gemeinsames Album auf, das eigentlich der Beginn einer neuen musikalischen Phase werden sollte, Double Fantasy. 1984 erschien postum noch ein weiteres Werk mit Aufnahmen aus dieser Zeit, Milk and Honey.

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Nina Simone 1982 in Frankreich / Foto: Wikipedia, Roland Godefroy

f.
Nina Simone hatte 1970 die USA verlassen – angeblich nur für einen Ausflug. Ihr Ehemann und Manager Andrew Stroud verstand es jedoch als Trennung. Als Simone zurückkehrte, wurde sie vom FBI wegen Steuerhinterziehung gesucht – wahrscheinlich hatte sie Stroud, der ihr Geld verwaltete, angezeigt. Simone hatte während der 60er aus Protest gegen Rassismus und Vietnamkrieg keine Steuern an den US-amerikanischen Staat gezahlt. So verbrachte Simone den Rest ihres Lebens in anderen Ländern – zunächst Barbados, wo sie eine Affäre mit dem Premierminister hatte. Dann ging sie auf Anraten ihrer Freundin Miriam Makeba nach Liberia, wo es eine politisch und künstlerisch geprägte US-amerikanische Expat-Gemeinde gab (abgesehen davon, dass die gesamte liberianische Oberschicht im weiteren Sinne Expats waren). Später lebte sie in London, wo sie oft im berühmten Ronnie Scott’s Jazzclub in Soho auftrat und Anekdoten aus besseren Zeiten erzählte, und in der Schweiz. 1992 zog sie nach Frankreich, wo sie ihre letzten Jahre verbrachte. Mit größeren Abständen hatte sie seit 1974 auch immer wieder Alben aufgenommen, die zwar keine Verkaufsschlager waren, aber durchaus Kritikerlob bekamen – das letzte 1992. Simone litt einige Jahre an Brustkrebs, bevor sie daran 2003 starb. Damals hatte sie – vor allem auf Grundlage ihrer Arbeit in den USA -, längst Kultstatus als widerspenstige, politische afroamerikanische Sängerin und Symbol einer Ära, einer Haltung und ein Rollenvorbild für Frauen jeglicher Hautfarbe.

g.
Nach der Ermordung von John Lennon im Dezember 1980 zog sich Yoko Ono für eine längere Phase zurück. Als sie langsam wieder an die Öffentlichkeit trat, wurde sie nicht nur dessen Nachlassverwalterin, sondern widmete sich auch ihrer eigenen künstlerischen Arbeit, musikalisch und anderweitig – bis heute fest verbunden mit mehr oder weniger offensichtlichem politischen Aktivisimus. Sie hatte sich schon seit den 60ern unter den berühmtesten in New York weilenden Künstlern bewegt, aber nun entwickelte sie sich auch in der öffentlichen Wahrnehmung zur Grande Dame, und die Feindseligkeiten, die sie aufgrund ihres Einflusses auf Lennon erfahren hatte, wurden immer mehr geringer. Sie bekam immer mehr Anerkennung für ihre eigene Arbeit und auch ihren Anteil an der gemeinsamen mit Lennon. Zum 40jährigen Jubiläum reanimierte sie die Plastic Ono Band, mit der sie überall in der westlichen Welt und Japan unterwegs war – ebenso wie mit ihrer Kunst oder zu Ehrungen von John Lennon. In den letzten Jahren erscheint sie fast noch aktiver denn je – zur Feier ihres 80. eröffnete sie nicht nur eine große Retrospektive in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main, die ihre künstlerische Pionierarbeit und ihre Vorbildrolle würdigt – sie gab auch noch ein Konzert in Berlin.

Zuerst veröffentlicht auf Popkontext.de

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Popkontext

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