Der Chef winkt ab

Serie Die zweite Staffel von „Succession“ zeigt uns, was bei Medientycoons zu Hause und im Job abgeht. Eine üble Bande!
Ausgabe 35/2019

Der Vergleich klingt zunächst nach reinem Clickbait: Succession als das neue Game of Thrones, das ist bislang vor allem der Wunsch des produzierenden Senders HBO, der die Nachfolge seiner erfolgreichsten Serie aller Zeiten besetzen muss. Noch hat Succession weder die Zuschauerzahlen noch die weltweite Aufmerksamkeit. Andererseits rückt der Vergleich zu Game of Thrones durchaus das Potenzial von Succession in den Blick. Schließlich gibt es in der Serie über eine Medienfamilie à la Murdoch zwar keine Drachen, dafür aber den Kampf um eine Thronfolge und jede Menge Ränke schmiedende und in ihrer Abgründigkeit fesselnde Figuren.

Dass die zweite Staffel von Succession mit einer Szene in Island beginnt, wirkt da fast wie ein Augenzwinkern. Auch wenn Islands Kulisse nicht als Heimstätte von Wildlingen in Szene gesetzt wird, sondern als Landschaft, die in ihrer exotischen Kargheit etwas Rarefiziertes ausstrahlt: Einsamkeit und Abgelegenheit als Privileg. Tatsächlich gehört Kendall Roy (Jeremy Strong), der hier in einem Infinitypool Entspannung sucht, zu den 0,1 Prozent. Wie sich das im Verhalten niederschlägt, bringt die Serie in den ersten Sekunden auf den Punkt: Als er gebeten wird, herauszukommen, um auf Wunsch seines Vaters ein Statement im Fernsehen abzugeben, zögert Kendall, obwohl er nach den Ereignissen von Staffel 1 doch keine Wahl hat, wie wir wissen. (Spoiler: Er hat sich mitschuldig gemacht am Unfalltod eines Kellners, was ihm der allmächtige Vater zu vertuschen hilft, wofür er ihm nun ausgeliefert ist.) Was also antwortet der einstige Kronprinz, als Vater nach ihm verlangt? „Und was ist mit meinem Silikat-Schlammbad?“ (Info ans gemeine Volk: Letzteres gilt als eine der raren Spezialitäten der „blauen Lagune“ auf Island.)

Die Szene ist ein gutes Beispiel sowohl für den etwas gewöhnungsbedürftigen Humor der Serie als auch für ihren speziellen Blickwinkel. Viele Serien schwelgen in den Kulissen des Lebens der Reichen und Schönen, aber Succession zeichnet sich durch eine Liebe zum beiläufigen und zugleich verräterischen Detail aus: weiße Tischdecken, allgegenwärtige Sicherheitsbeamte – aber wenn dem Patriarchen etwas stinkt, dann landet auf seinen abfälligen Wink hin eine ganze Tafel von frisch zubereitetem Hummer und anderen Edelspeisen stracks in der Mülltonne. Und keiner zuckt auch nur mit der Wimper.

Groteske mit Finanzblabla

Die erste Staffel von Succession brauchte einige Zeit – manche sagen: fünf Folgen –, bis sie ein größeres Publikum überzeugen konnte. Tatsächlich kann der Tonfall der Serie irritieren wie Zwölftonmusik, schlängelt er sich doch den schmalen Grat entlang zwischen Polit-Groteske à la Veep, Psycho-Drama à la Sopranos und Finanzkauderwelsch à la Billions. Doch wer sich ein bisschen reinfuchst in die vielen realen Bezüge dieses dem Kosmos der Murdochs, Mercers, Redstones und Maxwells abgeschauten Plots, entdeckt schnell das Suchtpotenzial dahinter.

Im Zentrum stehen die Roys – der Name ist so wenig zufällig gewählt wie der ihres Medienkonglomerats, der „Waystar Royco“-Unternehmensgruppe, die im Titel schon einen Teil der Unternehmensgeschichte abbildet, analog zu „Time Warner“: Man weiß, dass Patriarch Logan Roy (Brian Cox) seinem „Royco“ dereinst ein „Waystar“ einverleibte. Brian Cox spielt diesen Logan als alten Griesgram, der von der Macht nicht lassen kann.

Ähnlichkeiten zu den real existierenden Murdochs weisen vor allem seine Kinder auf, wobei Serien-Autor Jesse Armstrong sich stets auf dichterische Freiheit beruft. Er muss es wissen, hat er doch vor Jahren bereits einen Pilot über die echten Murdochs verfasst. Da gibt es einen älteren Sohn aus erster Ehe, Connor (Alan Ruck), einen eitlen Idioten, den niemand ernst nimmt, was einer Kandidatur zur US-Präsidentschaft natürlich nicht im Wege steht. Kendall, der eigentliche designierte Nachfolger, zeichnet sich durch eine schlimme Kombination von Ehrgeiz und Schwäche aus und dem unstillbaren Verlangen danach, geliebt zu werden, vor allem vom abweisenden Vater; kein Wunder also, dass er außerdem einen Hang zu Drogen und kleinen Ladendiebstählen hat. Der dritte Sohn Roman (Kieran Culkin) ist ein notorischer Kindskopf, der seine Ängste – und seine sexuellen Dysfunktionen – mehr schlecht als recht hinter flotten Sprüchen und flamboyanter Vulgarität verbirgt.

Die jüngste Tochter schließlich, Siobhan „Shiv“ (Sarah Snook) hält immerhin eine Fassade der Selbstständigkeit aufrecht mit einem Job als Politikberaterin jenseits von Waystar – und erscheint, wie übrigens Elisabeth Murdoch, als die eigentlich geeignete Nachfolge ihres Papas. Anders als im wahren Leben aber ist Shiv schon durch Ehemann Tom (Matthew Macfadyen) an Waystar gebunden. Und Tom ist ein Speichellecker vor dem Herrn, der zusammen mit „Cousin Greg“ (Nicholas Braun) für den „comic relief“ der Serie sorgt. Die beiden sind ein echtes „couple made in hell“, das den ganz gewöhnlichen Machtmissbrauch genauso abbildet wie das raffinierte Aufsteigertum der wissentlich Unfähigen.

In der zweiten Staffel sind Tom und Greg bei ATN, dem Murdochs Fox News nachempfundenen rechtsnationalen Nachrichtensender gelandet. Und Greg ist unglücklich. ATN, das verstoße gegen seine Prinzipien. „Prinzipien!“, wundert sich Tom mit echter Überraschung, „sei kein Arschloch, du hast keine Prinzipien!“ Doch, zum Beispiel sei er gegen Rassismus, meint Greg, und gegen das Lügen, äh, wenn man so was wie Nachrichten mache ... „Gegen Rassismus! Wir sind alle gegen Rassismus!“, ruft Tom mit echter Überzeugung. Und wer genau hinschaut, sieht in dieser Szene die aktuelle amerikanische Medienlandschaft erschreckend punktgenau abgebildet.

Info

Succession Jesse Armstrong seit 11. August bei HBO/Sky, 10 Folgen

12 Monate für € 126 statt € 168

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