Der gepflegte Mann

Adaption Die einstige Fernsehfigur „The Equalizer“ kommt jetzt als moderner Superheld ins Kino
Ausgabe 41/2014

Das Serienmodell, in dem ein einzelner, männlicher Held Woche für Woche Gutes tut, ist seit einigen Jahren aus der Mode gekommen. Das Fernsehen, zumindest was den internationalen Serienmarkt betrifft, befindet sich heute fest in der Hand von Antihelden mit ihren faszinierenden Obsessionen, ihren bösen Taten und ihrem Hang zur Selbstdestruktion. Wer den Mann in seiner althergebrachten, ikonografischen Rolle des Weltenretters bewundern möchte, muss heute eher ins Kino gehen, am besten gleich in einen Superheldenfilm.

Und obwohl Antoine Fuquas The Equalizer als Verfilmung einer Serie aus den 80er Jahren annonciert wird, steht er im heutigen Kontext dem Superheldengenre sehr viel näher als der Serienwelt. Womit vielleicht ein Geheimnis seines großen Erfolgs in den USA gelüftet wäre. The Equalizer zeigt den Mann als Übermenschen ohne kindische Mythologien wie Kryptonit, Fledermausanzug oder Spinnengenetik bemühen zu müssen.

Denzel Washington spielt diesen Superhelden ohne geheimen Anzug im Schrank. Trotzdem führt sein Robert McCall das Leben eines wie aus der Welt Gefallenen: ein allein lebender Mann, dessen Alltag fest durchritualisiert zu sein scheint, der seine Wohnung sauber und seine Ernährung gesund hält, der Tag für Tag pünktlich zur Arbeit in einem Baumarkt geht und dort mit gezielter Aufmerksamkeit ein paar seiner Mitarbeiter aufmuntert. Nachts aber plagt ihn die Schlaflosigkeit, und so zieht er, einzig bewaffnet mit einem Stück guter Literatur (Der alte Mann und das Meer) in ein Nachtcafé und lässt sich dort heißes Wasser für seinen mitgebrachten Teebeutel reichen. Sein außerweltliches Benehmen – Lesen in gedruckten Büchern – fällt einer jungen Prostituierten namens Teri (Chloë Grace Moretz) auf. Bald schon entspinnt sich ein Gespräch zwischen den beiden.

Washingtons väterlicher Held raubt der Annäherung durch einseitige Ratschläge über Ernährung und Lektüre schnell jeden Geschmack von Flirt und Sexiness. Was seinem Engagement später, als Teri von einem Freier fast totgeprügelt in einem Krankenhaus landet, den nötigen Flair der Uneigennützigkeit verleiht. Dieser Held handelt nicht aus konkreter Zuneigung zu einem bestimmten Menschen heraus, nein, seine Motivation kommt aus abstrakter Liebe zu Gerechtigkeit und Underdogs. So geradlinig wie sein Held ist auch die Handlung des Films angelegt: Washingtons Figur begibt sich in die Höhle des Löwen, in diesem Fall eine abgedunkelte Bösewichtherberge, deren zwischen Billardkneipe und Versailles’schem Spiegelsaal angelegte Ausstattung auch gleich die Aufschrift „Russenmafia“ tragen könnte.

Als der reformierte Mann, der er zu sein vorgibt, macht McCall einen Vorschlag in Frieden: Er will Teri mit einem Bündel Dollars aus den Diensten ihrer Zuhälter loskaufen. Das Angebot wird abgelehnt, woraufhin McCall auf seine Weise reinen Tisch macht. Letzteres wird der running gag des Films. Da die Russenmafia krakengleich wieder und wieder Köpfe schickt, die es auf McCall abgesehen haben, muss er herkulesgleich wieder und wieder mit seiner Erfindungskunst zurückschlagen.

Ohne dass es je ausgesprochen würde, begreift der Zuschauer, dass dieser McCall ein Mann mit Vorgeschichte ist. Wer sich so gut darauf versteht, sämtliche Utensilien eines Baumarkts binnen Sekunden in effektive Mordinstrumente umzuwandeln, muss gute Lehrer gehabt haben. Eigentlich kommt nur die CIA in Frage, da kann McCalls Russencounterpart Teddy (Marton Csokas) noch so diabolisch schauen. Für das düstere, traumatische Element dieser angedeuteten Vergangenheit aber scheinen sich weder Fuqua noch sein Held Washington sonderlich zu interessieren.

So bleibt The Equalizer mit fast spitzbübischer Freude konzentriert auf seinen Protagonisten, der hier fleißiger und weniger von Gewissensbissen geplagt als selbst James Bond den Bösen den Garaus macht.

The Equalizer Antoine Fuqua USA 2014, 132 Minuten

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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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