Wenn man als Regisseur bereits über 40 Kinofilme gedreht hat und weiter Jahr um Jahr einen Film herausbringt, folgt wohl fast zwangsläufig: Irgendjemand wird immer enttäuscht sein. Bei Woody Allens Arbeiten und seinen Fans ist das besonders extrem. Seien es die, für die Annie Hall (1977), „Der Stadtneurotiker“, der ultimative New-York-Film ist, seien es die, die speziell Purple Rose of Cairo (1985) lieben oder jene, die den finsteren Allen von Match Point (2005) und Verbrechen und andere Kleinigkeiten (1989) bevorzugen – mit jedem Mal steigt die Chance, dass jemand seine Erwartungen nicht erfüllt sieht. Vor diesem Hintergrund beeindruckt Woody Allens Spätwerk allein schon dadurch, dass die Filme selbst immer weniger darauf bedacht scheinen, was das Publikum von ihnen halten wird.
Magic in the Moonlight ist ein weiterer Kostümfilm von Allen. Die Handlung spielt in den Goldenen Zwanzigern, unter den Epochen der Favorit des 1935 geborenen Regisseurs, der damit die Kernthese der Nostalgieforschung bestätigt. Die Verklärung gilt meist jenen Jahren, die man selbst gerade verpasst hat.
Falsche Illusionisten
Die Handlung eröffnet in einem Berliner Cabaret der Weimarer Zeit (stilgerecht mit Ute-Lemper-Gastauftritt), wechselt dann aber bald an die Côte d’Azur, wo US-amerikanische Privatiers in Villen mit weitläufigen Gärten ihr mondänes Leben führen, ohne die geringste Ahnung, welches Schicksal sie an einem Dienstag im späten Oktober 1929 ereilen wird. Nicht, dass es in Magic in the Moonlight eine Andeutung auf den nahenden Crash geben würde. Aber sich beim Schauen klarzumachen, wie die Zeitgeschichte weiterging, verleiht dem Film eine Doppelbödigkeit.
An der Oberfläche nämlich kommt Magic in the Moonlight eher wie Fluff daher. Colin Firth spielt den Illusionisten Stanley, der sich auf der Bühne in den Chinesen Wei Ling verwandelt und jenseits davon als verdeckter Ermittler die Scharlatane seines Metiers entlarvt. In dieser Funktion bittet ihn ein Freund (Simon McBurney) um Hilfe. Stanley soll im Süden Frankreichs einer jungen Frau namens Sophie (Emma Stone) auf den Zahn fühlen.
Sophie scheint sich bei einer wohlhabenden US-Familie damit eingeschmeichelt zu haben, dass sie der verwitweten Mutter (Jacki Weaver) in Séancen Kontakt zum verstorbenen Ehemann verschafft. Deren linkischer Sohn (Hamish Linklater) ist derart hingerissen von ihr, dass sein Hochzeitsantrag nur noch eine Frage der Zeit scheint. Ungeachtet dessen kommt Stanley als strenger Beobachter der Situation nicht umhin, selbst für Sophies Reize empfänglich zu werden. Als Gegengewicht zur wachsenden Sympathie dient ihm bald nur noch der Ärger darüber, dass es ihm nicht gelingen will, Sophies Tricks auf die Spur zu kommen. Während eines Besuchs bei seiner Lieblingstante in der Provence besteht sie alle ihr heimlich gestellten Tests. Steht sie wirklich im Kontakt mit dem Jenseits?
Allens Inszenierung dieses Gesellschaftsstücks ist so schnörkellos, dass sie die Grenze zur Lieblosigkeit berührt. In immer neuen Zusammensetzungen treffen die verschiedenen Beteiligten bei Tee-, Dinner- und Picknickverabredungen aufeinander. Die Dialoge sind stets geistreich. Allein, es will sich kein magic einstellen.
Auf der Textebene trumpft das Drehbuch mit hübschen Gegenüberstellungen von „falscher“ (Séancen) und „echter“ (Mondschein) Magie auf. Es lässt den großen Skeptiker Stanley die Sehnsucht äußern, doch endlich an etwas zu glauben, und gesteht der „Zauberin“ Sophie zu, trotz Stimmenhörens überlegt zu handeln. Mit Colin Firth und Emma Stone verfügt Allen einmal mehr über echtes, unlegiertes Schauspielergold; aber auch wenn der 54-jährige Firth mühelos einen Mittvierziger mimen und die 26-jährige Emma Stone reif über ihre Jahre hinaus wirken kann, bleibt ihre Paarung letztlich eine bloße Leinwandidee. Als Kinozuschauerin weiß man, was gemeint ist, aber zum Mitfiebern fühlt man sich nicht gerade inspiriert.
Eine gewisse Tiefe bekommt Magic in the Moonlight, wenn man sich eben den zeitlichen Kontext dazu denkt und das Geplänkel im Licht des Südens als das betrachtet, was es ist: ein letzter Tanz auf dem Vulkan. All die närrischen Figuren – vom Horizont der nahenden Katastrophe aus betrachtet, eignet ihnen der verführerische Reiz der Unschuld und ihrer Beschäftigung mit der Vorsehung bittere Ironie. Wem das nicht genug ist, der kann sich immer noch von Pointe zu Pointe hangeln, mit denen Woody Allen so meisterhaft komplexe menschliche Zustände präsentiert: „Mein ganzer Optimismus erweist sich als Illusion!“
Magic in the Moonlight Woody Allen USA 2014, 100 Minuten
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