Die menschliche Komödie

Was läuft Über „Better Things“ und den zunehmenden Ernst in Sitcoms. Spoiler-Anteil: 1 Prozent!
Ausgabe 42/2017

Was die Serienformate Drama, Krimi oder Seifenoper angeht, mögen die angloamerikanischen Produktionen zwar den Markt beherrschen, aber auch das skandinavische, französische und sogar das deutsche Fernsehen bringen in diesen Genres die eine oder andere Perle hervor. Beim halbstündigen Comedy-Format ist das anders: Hier sind die US-Amerikaner die unbestrittenen Könige. Keiner kann „Sitcom“ besser. Sie ist eine der großen Errungenschaften der amerikanischen Kulturindustrie, und wenn Comedy generell einen besseren Ruf hätte, gäbe es mindestens so viele think pieces zum Big-Bang-Theory-Spin-off Young Sheldon wie zur neuen Staffel von Mr. Robot.

Aber wie im Sport kann auch im Serienbusiness das Unterschätzt-Werden zum Vorteil gereichen: Kaum ein anderes Genre-Format hat sich in den letzten Jahren so verändert und dabei eine solche Vielfalt an Formen ausgebildet wie die Halbstunden-Comedy. Neben den bewusst altmodischen Varianten, die noch vor Live-Publikum aufgezeichnet werden wie Big Bang Theory oder die neuaufgelegte Fortsetzung von Will and Grace, gibt es relativ brave Familienversionen wie Modern Family, aber auch wilde Selbstparodien wie Community oder nahezu absurdistische Experimente à la The Good Place.

Ein großer Trend ist dabei zunehmender Ernst: die Abwendung von der direkten Lachstimulation. Serien wie Louie oder Master of None geben sich kaum mehr als Komödien zu erkennen, von Transparent ganz zu schweigen. Die Verfahren der Komik, das Zuspitzen, Verknappen, das situative Herausschälen bezeichnender Alltagssituationen und der menschlichen Reaktionen darauf, werden genutzt, um den Fallstricken des herkömmlichen dramatischen Erzählens zu entkommen: weniger gekünstelte Plotintrigen, weniger sorgfältig ausgespielte Gefühle, weniger filmisches Drumherum. Stattdessen: eine punchline, die den Nagel auf den Kopf trifft.

Insbesondere ein Sub-Genre erlebt gerade eine Blütezeit: die Pseudo-Autobiografie. In Louie, Master of None oder One Mississippi spielen die Comedians Louis C. K., Aziz Ansari und Tig Notaro jeweils fiktive Versionen ihrer selbst. In den USA ist gerade die zweite Staffel von Pamela Adlons Better Things gestartet, darin nennt sich Adlon (einstige Schwiegertochter des deutschen Regisseurs Percy Adlon) statt Pam zwar Sam, behält aber Koordinaten aus ihrem „wahren“ Leben bei: Sie hat drei Töchter, die sie alleinerziehend aufzieht, lebt in Los Angeles und verdient ihr Geld als Synchronsprecherin.

Das Intro besteht aus atmosphärisch als home movies gestalteten Aufnahmen von Sam und den Töchtern. In einer läuft sie mit ihnen im Abbey-Road-Cover-Stil über einen Zebrastreifen. Aus dem Off singt John Lennon: „Mother, you had me, but I never had you. / I wanted you, you didn’t want me“. Wer erwartet da noch Comedy?

Nein, Better Things ist nicht zum Lachen. Die Geschichten, die Adlon aus ihrem Leben erzählt, sind viel zu gewöhnlich, unbedeutend und „klein“. Welches Comedy-Gold ließe sich aus Szenen wie diesen schon schürfen: Da sitzen die beiden jüngeren Töchter zusammen mit der Großmutter vorm Fernseher, die eine macht Hausaufgaben, die andere langweilt sich, die Oma ist mit offenem Mund eingeschlafen, im Hintergrund hört man Geräusche aus der Küche. „Warum hilft mir keiner?“, ruft Sams Stimme. Keine Reaktion.

Sam ist sowohl dauergenervte Mutter wie dauergenervte Tochter: Die Großmutter (Celia Imrie) lebt im Nachbarhaus. In der ersten Staffel bemerkt Sams jüngste Tochter, die Grundschülerin Duke, dass Sam ganz schön gemein wäre zur Oma. In üblichen Sitcoms wäre das Anlass für einen gefühlig-lustigen Lernprozess, hier antwortet Sam: „Du wirst auch gemein zu mir sein, deine Schwestern sind es ja schon. Und du musst gemein sein zu mir, wenn ich alt bin, dann muss ich mein gemeines Verhalten zu Oma nicht bereuen.“

So scharf und ungemütlich die Beobachtungen zum Mutter-Tochter-Alltag einer berufstätigen Frau im Los Angeles von heute auch sind, gehört die Serie nicht zu denen, die es auf den cringe, das Zusammenzucken und Fremdschämen des Zuschauers abgesehen haben. Keine ätzende Kritik an der Gegenwart, an der Stellung der Frau, an den menschlichen Beziehungen, nur messerscharfe Beschreibungen. Better Things ist keine Besserwisser-Serie, gehört aber unbedingt zu den „besseren“.

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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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