"Die zweigeteilte Frau" von Claude Chabrol

Kino Mit sicherem Gespür für die Orte der Macht lässt Claude Chabrol seinen neuesten Film auf den Fluren eines Fernsehsenders beginnen. Dort trifft ein ...

Mit sicherem Gespür für die Orte der Macht lässt Claude Chabrol seinen neuesten Film auf den Fluren eines Fernsehsenders beginnen. Dort trifft ein alternder, erfolgverwöhnter Schriftsteller (Francois Berléand) auf eine junge blonde Wetterfee (Ludivine Sagnier). Es fällt dem erfahrenen Charmeur nicht schwer, sie zu erobern. Genau so leicht allerdings, sie nach bemessener Zeit auch wieder fallen zu lassen - und zwar exakt in dem Moment, als er sich in den Besitz ihrer totalen Hingabe gebracht hat. Die junge Frau versinkt daraufhin in einer tiefen Depression. Der Zufall will es, dass am gleichen Tag, an dem ihr Flirt mit dem älteren Mann begann, auch Paul (Benoît Magimel), der junge Sprössling einer wohlsituierten, großbürgerlichen Familie auf sie aufmerksam geworden ist. Paul profiliert sich als Tunichtgut in der Stadt, indem er seinen Porsche dort parkt, wo er es für nötig hält. Die Wetterfee ist anfangs mit solchen Dreistigkeiten nicht zu beeindrucken. Als Paul ihr aber mit nicht nachlassender Hartnäckigkeit den Hof macht und rührend versucht, sie aus ihrer Depression zu holen, nimmt sie schließlich seinen Heiratsantrag an. Die Ernsthaftigkeit dieses Ansinnens versucht sie dadurch zu unterstreichen, dass sie Paul alles über sich und den Schriftsteller erzählt - und zwar in Details, die dieser, selbst eher von labiler Seelenlage, zuerst nicht hören mag und dann nur schwer verkraften kann. Es kommt zu einem Eklat, der für eine Person in diesem pikantem Dreiecksverhältnis tödlich endet.

Kalt erzählt Chabrol von dieser "heißen" Konstellation. Charles Saint-Denis, der Schriftsteller, wird von Francois Berléand als geradezu bösartige Karikatur des intellektuellen Lüstlings verkörpert: einer, der sich als Autor zur Geisteselite zählt und sich damit der TV-Wetterfee natürlich überlegen wähnt. An seiner Seite weiß er eine tolerante Ehefrau (Valeria Cavalli), der er am laufenden Band Liebeserklärungen macht. Tatsächlich geriert sie sich mit beängstigender Tadellosigkeit als ihm stets zugewandte Gattin, die über die Affären ihres Mannes so gut Bescheid weiß, dass ihr Interesse für Details längst erschöpft ist. Nur an einer Stelle gewährt sie doch einen kleinen Blick hinter die Fassade: als sie den Wunsch äußert, bei einer eventuellen Wiedergeburt doch bitte als Mann auf die Welt zu kommen. Das Bild des perfekten Arrangements wird von Charles´ Verlegerin (Mathilda May) abgerundet, die fest zur Familie zu gehören scheint und dabei stets so zweideutig lächelt, dass man als Zuschauer nachhaltig in Verwirrung gerät.

Diesem Idyll der aufgeklärten Ausschweifung setzt Chabrol die traditionsbewusste Großbürgerlichkeit von Pauls Familie entgegen, auch dies als Karikatur der "alten Geldelite". Doch leider hat es Benoît Magimel als unausgeglichener Erbe sehr schwer, mit Berléands ruchloser Eleganz mitzuhalten. Zum Teil liegt das an seinem etwas hilflosen Overacting, zum Großteil aber an der Rolle, schließlich muss er seiner Figur eine gewisse Dekadenz verleihen. Wo sich der Schriftsteller unabhängig von den Frauen macht, in dem er sie alle auf Distanz hält, wird Paul sofort auf eine Art süchtig nach der Wetterfee. Er zeigt sich verliebt und starrsinnig und vor allem: unfähig, mit Gefühlen zu spielen. Ironischerweise ist es wohl genau das, was Gabrielle schließlich dazu bewegt, seinen Antrag anzunehmen.

Ihr, beziehungsweise Ludivine Sagnier, die Gabrielle spielt, gehört der Film. Sie trägt den schönen Nachnamen Deneige, der Märchenassoziationen anklingen lässt, die sie als Wetterfee auch aufnimmt. Durchaus selbstbewusst verfolgt sie ihre Leidenschaften. Zwischen den zwei so unterschiedlichen Männern, die jedoch gemein haben, ihre Leidenschaften nur als Perversionen ausleben zu können, wirkt sie rührend geradlinig und erstaunlich erwachsen. Auch noch, als sie dem Schriftsteller in einen geheimnisvollen Club folgt, in dem für sie nichts wirklich Erfreuliches passieren kann - nach den frivol grinsenden Gesichtern der älteren Männer zu urteilen, die hier herumsitzen.

Dass der Film zwiespältige Gefühle hinterlässt, kann die Chabrol-Fans nicht überraschen. Für die Emotionen seiner Figuren hat der Regiealtmeister sich noch nie sonderlich interessiert. Als Gefühlsdrama ist der Film zu kalt, als Gesellschaftsanalyse zu frivol und als Sexkomödie zu diskret. Chabrol gelingt es immer noch, alle zu frustrieren. Und damit auch zufrieden zu stellen, je nachdem.

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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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