Ein Mann verliebt sich gewaltig

Film Ole Bornedals Film "Bedingungslos" war in Dänemark ein Kinohit. Stilsicher und elegant erzählt dieser doppelbödige Film noir eine alte Geschichte in neuem Gewand

Man ist versucht, mit einem dieser Sätze anzufangen, die man schon hundertfach gelesen hat und die die Handlung eines Films völlig vorhersehbar erscheinen lassen: Jonas ist ein Mann, der alles hat – eine liebende Ehefrau, zwei reizende Kinder, eine schöne Neubauwohnung. Dann müsste das Aber kommen, denn so eine Beschreibung zieht immer ein Aber nach sich. Und tatsächlich: was dann passiert, ist schon tausendfach passiert, vor allem in Filmen, die mit Männern anfangen, die eigentlich alles haben. Jonas verliebt sich. So könnte es weitergehen, alles, was in Bedingungslos geschieht, ist einerseits ziemlich ungewöhnlich und lässt sich andererseits als filmisches Klischee beschreiben. Mit dieser Doppelbödigkeit ködert der dänische Regisseur Ole Bornedal den Zuschauer und fesselt ihn auf eine Weise, die man lange nicht mehr erlebt hat im Kino.

Wie in so manchem Film noir zeigt die erste Szene das Finale: eine nächtliche Straße im Regen, Lichter spiegeln sich auf dem nassen Asphalt, ein Mann liegt da in seinem Blut. Eine Frau rennt herbei, beugt sich über ihn, schreit. Man hört sie nicht, denn aus dem Off beschreibt die Stimme des Mannes, „dass es immer so ist“. Er meint natürlich: im Kino. Da hat ein Mann alles und dann taucht eine schöne Unbekannte auf und reißt ihn ins Verderben.

Zum Erfolgsgeheimnis dieses Films gehört, dass er seinen Film-noir-Plot auf scheinbar vollkommen organische Weise in den dänischen Gegenwartsalltag einbettet. Und so zeigt die lange Rückblende, mit der der Film auf das Ende vom Anfang hin erzählt, zunächst den Polizeiphotografen Jonas bei der Arbeit und zuhause. Alles ist gut und gleichzeitig ist alles ein wenig nervig. Bis ein Autounfall passiert und Jonas versucht, dem Unfallopfer zu helfen. Die Frau schaut ihn an – und fällt kurz darauf ins Koma. In einer kurzen Folge von knappen Szenen, sehen wir, wie zufällig und gleichzeitig voller Absicht sich Jonas in einer heillose Situation verstrickt: Er fühlt sich schuldig, er will wissen, was mit dieser Frau, Julia, passiert ist, im Krankenhaus jedoch lässt man ihn nicht zu ihr, schließlich ist er kein Angehöriger. Jonas schnappt sich einen riesigen Blumenstrauß und geht direkt zum Krankenzimmer. Als man ihn fragt, ob er ihr Freund sei, nickt er.

Und dann sind da auf einmal Julias Angehörige und der Arzt, und alle halten ihn für Sebastian, den Mann, in den sich Julia auf ihrer Reise in Vietnam verliebt und von dem sie ihren Eltern so begeistert erzählt hatte. Alle sind so froh und dankbar, dass er gekommen ist! Wer brächte es da übers Herz, noch die Wahrheit zu sagen? Dann wacht Julia auf und hat ihr Gedächtnis verloren. Auch sie ist froh, dass „Sebastian“ da ist. Fast glaubt man sich in einer Komödie, wäre da nicht diese unheimliche Gestalt mit dem verbundenen Gesicht, die auf den Krankenhausfluren auftaucht und Jonas zu beobachten scheint. Wie überhaupt Bornedal mit genau rhythmisierten Schnitten und suggestivem Musikeinsatz gekonnt eine Stimmung erzeugt, die ahnen lässt, dass Jonas’ größte Sorge nicht seine Enttarnung, sondern etwas ganz anderes sein müsste.

Bornedals Film war in Dänemark ein großer Kinohit. Vielleicht ja, weil er nichts weiter tut, als ein Klischee zu erfüllen. Er erzählt eine alte Geschichte in neuem Gewand, so stilsicher und elegant, dass man ganz in ihren Bann gezogen wird.

Bedingungslos Regie: Ole Bornedal. Filmstart in Deutschland: 09.04.2009

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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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