Frauen sind so

Im Kino Ein berührend offener Film über die wunderbare Freundschaft zwischen zwei Frauen: "Schwedisch für Anfänger"

Manche Filme möchte man gegen das Label verteidigen, unter dem sie verkauft werden. Schwedisch für Fortgeschrittene soll offensichtlich an die Marke Italienisch für Anfänger anschließen im Sinne von "humorig-gefühliger Film mit Realismus-Anspruch aus Skandinavien". Im Unterschied zum dänischen Vorbild aus dem Jahr 2000 geht es in Schwedisch für Fortgeschrittene aber an keiner Stelle ums Sprachenlernen. "Schwedisch" steht hier lediglich für das Herkunftsland, und mit den "Fortgeschrittenen" glaubt man wohl, besonders subtil auf das Alter der beiden Hauptpersonen anzuspielen. Die beiden Frauen sind über 40. Wie oft bei subtilen Anspielungen verbirgt sich darin eine kleine Demütigung, die Helena und Gudrun, um die es hier geht, keineswegs verdient haben.

Im schwedischen Original heißt der Film denn auch Heartbreak Hotel, nach dem Tanzlokal, in dem sich die Frauenärztin Helena an Wochenendnächten vergnügt. Dorthin nimmt sie eines Abends die Politesse Gudrun mit, um ihr zu zeigen, dass man sich mit über 40 fast noch besser amüsieren kann als mit 16. Während Helena mit der Lust am Exzess trinkt, tanzt und mit jungen Männern flirtet, bleibt Gudrun skeptisch. Sowieso waren gleich mehrere Zufälle nötig, um die beiden unterschiedlichen Frauen zusammen zu führen. Bei der ersten Begegnung haben sie sich gegenseitig hemmungslos beschimpft, damals verpasste Gudrun Helena einen Strafzettel. Bei der zweiten landet Gudrun in der Praxis von Helena und lernt deren diskreten Umgang mit den heiklen Stellen des weiblichen Körpers schätzen. Beim dritten Mal sagt Helena, das müsse doch jetzt Schicksal sein. Es ist der Beginn einer vorläufig wunderbaren Frauenfreundschaft.

Die Konstellation scheint vertraut aus so manchem amerikanischen Film. Zwei Frauen in der Mitte des Lebens, die Kinder sind groß, die Männer orientieren sich anderweitig, es muss ein neuer Sinn beziehungsweise ein neuer Mann her. Üblicherweise geschieht in solchen Filmen dann genau das: der neue Sinn wird gefunden, oft steht der neue Mann bereits in der ersten Szene lächelnd im Hintergrund. Trotz seiner durchaus konventionellen Machart schlägt Schwedisch für Fortgeschrittene diesbezüglich überraschend andere Wege ein. Von beiden Frauen sieht der Zuschauer auch unangenehme Seiten - die Ungeduld, die Launen und das oft bösartige Temperament von selbstbewussten, aber einsamen Frauen, die sich überflüssig fühlen in einer ganz auf die Jugend orientierten Gesellschaft. Während sie sich nach neuen Männern umschauen und ihre alten auch wieder auftauchen, gewinnt jedoch die Beziehung zwischen ihnen immer mehr an Bedeutung.

Das ist das Schöne an Schwedisch für Fortgeschrittene. Er handelt weniger davon, wie zwei Frauen ihre Midlife-Crisis bewältigen als vielmehr davon, wie gut sie sich gegenseitig dabei kennen lernen. Gudrun und Helena betrinken sich hemmungslos, lassen sich beim Tanzen richtig gehen, landen bei einem heillosen Doppel-Blinddate mitten in der Pampa und genießen im Auf und Ab des Ärgers übereinander und der Freude aneinander immer mehr ihre Freundschaft. Die einen mag es irritieren, die anderen finden gerade das stimmig - an keiner Stelle etikettiert der Film diese Frauenfreundschaft. Ob es Liebe ist und "wie weit" die geht, darüber kann der Zuschauer nur spekulieren. In dieser Offenheit aber liegt gerade das berührende Moment dieses Films. Man würde weniger genau hinsehen, wenn man es vordekliniert bekäme. So aber ist man irritiert und gefesselt. Trotz ihrer völlig gewöhnlichen und alltäglichen Geschichte gehen einem Gudrun und Helena besonders nah.


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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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