Fremde

Im Kino Das Regiedebüt von Julie Delpy "Zwei Tage in Paris"

Es ist tröstlich, dass interkulturelle Gegensätze im Kino keinesfalls den besten Stoff für Tragödien abgeben, sondern im Gegenteil, meistens die Steilvorlage für Komödien darstellen. In der Realität sieht es natürlich ganz anders aus. Nicht nur dass Kriege geführt werden, es gehen auch viele Beziehungen zu Bruch über den Differenzen in Körperpflege und Kunstauffassung. Keineswegs nur zwischen islamisch und christlich geprägten Ländern ist man ganz anderer Meinung über das öffentliche Ausstellen von Körperteilen, schon zwischen den prüden USA und dem libertinären Frankreich tun sich in dieser Beziehung Abgründe auf.

Selbst zwischen so aufgeklärten Mittdreißigern wie der französischen Fotografin Marion (Julie Delpy) und dem amerikanischen Innenarchitekten Jack (Adam Goldberg), die seit ein paar Jahren zusammen in New York wohnen. Im Anschluss an einen Ausflug nach Venedig nutzen sie den Moment und fahren gemeinsam nach Paris, der Heimat Marions, wo sie auch noch ein kleines Appartement ihr eigen nennt, gleich über der Wohnung ihrer Eltern. Die Zwei Tage in Paris bieten also vor allem Jack die Möglichkeit, seine Marion ein Stück besser kennen zu lernen. Tatsächlich hätte er auf einige dieser Möglichkeiten gerne verzichtet, wie sich bald herausstellt.

Zum Beispiel auf die Vernissage ihres Vaters, auf der in seinen Augen obszöne Bilder ausgestellt werden. Noch schlimmer sind aber die Freunde Marions, von denen unerwartet viele sich als ehemalige Liebhaber zu erkennen geben, mit denen sie - wiederum in seinen Augen - völlig überflüssiger Weise immer noch gut befreundet ist. Hinzu kommt diese irritierende Eigenart der Franzosen, sich zur Begrüßung und zum Abschied ständig ausgesprochen herzlich zu küssen. Jack, eigentlich ein gelassener Typ mit viel Selbstbewusstsein, gerät nach und nach aus der Fassung.

Zwei Tage in Paris ist ein Film über die Lächerlichkeit solcher kulturellen Unterschiede und wie deren Häufung doch zu einer nachhaltigen Entfremdung führen kann. Die französische Schauspielerin Julie Delpy weiß ganz offensichtlich, wovon sie spricht. Sie selbst wohnt seit einiger Zeit schon in Los Angeles. Von Richard Linklater, der sie mit seinen Kultfilmen Before Sunrise und Before Sunset berühmt machte, hat sie sich die leichte Hand abgeguckt, mit der man das tragische Gewicht von Banalitäten wie Duschgewohnheiten inszenieren muss, um den richtigen Ton zu treffen.

Wie Linklater setzt auch Delpy Authentisches ein, um eine fiktionale Geschichte zu erzählen. Als Marions hippieske Eltern, die mit ihrer Distanzlosigkeit den Amerikaner Jack schocken, hat sie ihre eigenen Eltern besetzt, beides Schauspieler von Beruf. So unverhohlen sie diese als nervend frivol präsentiert, so unromantisch ist auch das Parisbild, das sie hier zeigt: die Taxifahrer sind entweder Rassisten oder erteilen unerbetene Ratschläge zur weiteren Lebensplanung ("Warum hat eine Frau wie Sie noch keine Kinder?"). Trotz aller Klischees, die sie bemüht, ist Delpy ein Film gelungen, der ohne Häme auskommt. Das Schöne an Zwei Tage in Paris ist nämlich, dass der Weg von Heiterkeit zur Besinnlichkeit nicht über das Lachen, das im Halse stecken bleibt, vollzogen wird, sondern im Gegenteil, es ist ein Film, der zur Selbstironie anstiftet, nicht zu Betroffenheit.


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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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