Frieden und Krieg

Was läuft Über die Serien „Occupied“, „Fauda“ und Modelle für internationale Konflikte. Spoiler-Anteil: 31 Prozent
Ausgabe 07/2017

Die Ausgangslage der norwegischen Serie Occupied (auf Arte bereits 2015 ausgestrahlt) ist so brisant, dass jeder, dem man davon erzählt, sie lieber selbst sehen und keineswegs mehr darüber hören möchte. Was schade ist, weil man sich als Erzählender um den Genuss gebracht sieht, auszudeuten, was denn nun das eigentlich Interessante an der Serie ist. Aber dazu sind schließlich Kolumnen wie diese da. Deshalb: Occupied ist nicht nur deshalb spannend, weil es darin um ein Norwegen in der nahen Zukunft geht, in das die Russen einmarschieren, während sich die USA aus der NATO verabschiedet hat und die EU wieder nichts tut; schließlich braucht man Öl und Gas. Ja, ja, total aktuell, nicht wahr? Erst recht seit Trump.

Aber: Spannend, und deshalb gleichermaßen befriedigend wie unbefriedigend, ist weniger diese imaginierte Großkonfliktlage mit ihrer vermeintlichen Nähe zu unseren schlimmsten Befürchtungen, sondern sind die vielen kleinen, komplizierten Konflikte, die die Serienmacher hineinschreiben.

Der grüne Premierminister, den sein Volk gewählt hat in der Hoffnung auf neue Wege in der Energiegewinnung, verrät das eigene Projekt, weil er offene Kriegshandlungen mit Russland und damit zivile Opfer vermeiden möchte. Sein Bodyguard macht seinen Job besonders gut, als er ein Attentat auf die russische Botschafterin verhindert, aber er muss in der Folge damit leben, als Kollaborateur angesehen zu werden. Ein linker Journalist will die Regierung dazu zwingen, die Wahrheit über die „Besatzung“ auszusprechen, aber ehe er sichs versieht, spielt er damit den sich sammelnden rechten Widerständlern in die Hände.

Ein bisschen mag das nach der Serie Homeland klingen mit ihren raffinierten Internalisierungen von US-Auslandseinsätzen, aber in Occupied liegt das dramatische Gewicht an anderer Stelle, was zunächst sogar irritiert: Selten befindet man sich bei denen, die handeln, Gewalt ausüben, Pläne schmieden. Den Großteil der Zeit (die Serie hat zehn Folgen à 42 Minuten) verbringt man bei denen, die reagieren, sich anpassen, Schritt zu halten versuchen.

Und das ist das eigentlich Gruselige, Unheimliche an diesem Bild einer leider nicht völlig unwahrscheinlichen nahen Zukunft: Gerade weil der offene Konflikt in unserem zivilisierten Nachkriegseuropa vermieden wird, könnten die Veränderungen so schleichend sein, dass man vor lauter Kompromisse-Schließen und „Wir müssen doch Frieden wahren“ nicht bemerkt, wenn man plötzlich auf der falschen Seite steht.

Occupied handelt ganz wesentlich von Schwäche, nicht jener simplen, in der jemand einer Gewalt nicht standhält, sondern einer komplizierteren und vielleicht gewöhnlicheren Art von Schwäche – der eines vormalig linken Premiers, der sich von allen möglichen Bündnispartnern im Stich gelassen sieht und über kein mächtiges Militär befiehlt. Der Schwäche einer Mutter und Geschäftsfrau, die in den Russen keine Feinde per se erkennen möchte. Der Schwäche eines Geheimdienstlers, der sich als Doppelagent betätigt, weil er glaubt, nur so den Frieden erhalten zu können. „Wir haben unseren Job getan, wenn niemand ihn bemerkt. Fürs Kriege-Verhindern gibt es keine Dankbarkeit“, sagt ihm irgendwann eine unzuverlässige Bündnispartnerin.

Das passende Gegenprogramm zu all der Passivität und Schwäche bildet die im Dezember online geworfene Netflix-Serie Fauda. Deren Ausgangslage ist gewissermaßen die israelische Gegenwart, ganz ohne fiktionale Überhöhung. Es geht um eine Truppe israelischer Geheimdienstler bei der Terrorbekämpfung. Gleich in der ersten Folge wollen sie einen berüchtigten palästinensischen Attentatsplaner, den sogenannten Panther, zur Strecke bringen. Aber natürlich geht erst mal alles schief.

Was die Geheimdienstleute nicht daran hindert, die nächste Aktion zu planen. Und dann die nächste. Die Männer in Fauda folgen immer einem Plan, hier herrscht der pure Aktionismus. Übrigens auch auf der Seite der Terroristen, die in Fauda einmal nicht nur schematisch böswillige Killer sind, sondern genauso wie die Israelis sich aus Familienvätern, Liebenden und Macho-Poseuren zusammensetzen. Der hohe Einsatz, der stets auf dem Spiel steht, all die schuldigen und unschuldigen Menschenleben, macht die Serie zwischendurch geradezu unerträglich spannend. Von so seltsamen Konzepten wie „Frieden wahren“ oder „Kompromisse schließen“ spricht hier übrigens niemand. Auf keiner Seite. Nie.

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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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