Fünf Jahre sind vergangen, seit im Januar 2014 auf HBO die erste Staffel von True Detective binnen Kurzem zum Kultobjekt aufstieg. Eigentlich eine gewöhnliche Krimigeschichte, die mit einer Leiche beginnt, um dann den Ermittlungen zweier Polizisten zu folgen, fesselte die Serie mit einer ausgeklügelten Zeitstruktur, zwei charismatischen Hauptdarstellern (Woody Harrelson und Matthew McConaughey) und Dialogsätzen, die das beginnende Zeitalter der Memes und Gifs befeuerten. Während sich heute wohl die wenigsten an die Auflösung der Verschwörung um rätselhafte Ast-Skulpturen und den „Yellow King“ erinnern können, reicht es, ein Zitat wie „die Zeit ist ein flacher Kreis“ in die Runde zu werfen, um komplizenhaftes Lachen unter einstigen Co-Fans zu triggern.
Die Dialoge, geschrieben von einem Neuling in der TV-Landschaft, Nic Pizzolatto, bildeten die eigentliche große Attraktion der Serie. Sie waren wie getränkt in die pessimistische Abgebrühtheit des Noir-Genres, nihilistisch und gegen-intuitiv bis abstrus. „Die Welt braucht schlechte Männer. Wir halten die anderen schlechten Männer an der Tür ab.“ „Der Tod hat die Zeit erschaffen, um das heranzuziehen, was er töten wird.“ McConaughey versah diese Sätze mit einer Intensität, die regelrecht süchtig machte. Weshalb die Höhepunkte der Serie auch nicht aus überraschenden Wendungen bestehen, sondern aus den Autofahrten der Kriminaler Rustin „Rust“ Cohle (McConaughey) und Martin „Marty“ Hart (Harrelson), bei denen Marty eine trockene Frage stellte und Rust in wortreich-verschlungenen Merksätzen antwortete. „Dieser Ort gleicht nur mehr der Erinnerung an einen Ort, einer verblassenden Erinnerung ...“ Es war pure TV-Poetry.
Noch bevor Staffel 1 zu Ende war, hatte man Nic Pizzolatto zum neuen großen „Auteur“ ausgerufen – und die Serie mit so viel Lob überhäuft, dass die zweite Staffel absehbar scheitern musste. Aber selbst das Scheitern war noch glorios: Ausgestrahlt in den Sommermonaten 2015, zog die Fortsetzung eine solche Welle an Ärger auf sich, dass sie zum Aushängeschild des „Hate-Watch“-Phänomens wurde. Statt zuvor die Listen mit den „besten Sprüchen“ gab es nun solche der schlechtesten. Sie lesen sich heute übrigens kaum anders als die von Staffel 1: „Manchmal ist dein schlechtestes Selbst dein bestes Selbst.“ Oder dieser epische Kommentar zum Thema „Vaping“: „Als würde man den Schwanz eines Roboters lutschen.“
Colin Farrell zeigte als Polizist Raymond „Ray“ Velcoro dabei ein solches Talent für bizarre „line delivery“, dass sich alleine seinetwegen ein zweites Sehen lohnt. Was war es, was die Fans so aufbrachte? Der Wechsel des Ortes aus dem sumpfigen Flachland Louisianas ins urbane Relief von Los Angeles? Die Tatsache, dass statt zwei Ermittlern nun vier, nur lose miteinander verknüpfte Figuren im Zentrum standen? Die Verschiebung des Tonfalls vom „Südstaatenschauerroman“ zum geschliffenen Zynismus des „California Noir“? Es fällt schwer, den Finger drauf zu legen.
Der Zuschauer macht mit
Jenseits der Frage des Gefallens ließ sich an True Detective 2 ein interessantes Phänomen beobachten: Pizzolatto hatte sich ganz offenbar mit den Reaktionen auf Staffel 1 beschäftigt. Wenn auch viele der Meinung waren, er habe die falschen Schlüsse gezogen, das Schlechte beibehalten und das Gute weggelassen, steckt in der Tatsache einer solchen Reaktion ein faszinierender Gedanke. Anders als das Kino, das mit Sequels zwar auch auf „Fans“ antwortet, zeigen sich Serien als „work in progress“, das den Zuschauer mit einschließt, noch während es am Entstehen ist.
Genau dieses Phänomen ist es auch, das nun an Staffel 3 fasziniert: Man merkt, dass Pizzolatto die Reaktionen erneut unter die Haut gegangen sind. Aber nicht nur das: Die Stimmung in der „Kultur“ hat sich aus bekannten Gründen seit 2015 wesentlich verändert. Mit der Rückkehr in den Süden der USA – diesmal sind die Ozarks Ort der Handlung –, der erneuten Konzentration auf einen Fall und zwei Ermittlern sowie dem Erzählen auf drei Zeitebenen ist True Detective 3 nicht bloß, wie es den Kritikern so leicht aus der Feder fließt, „wieder gut geworden“. Es ist die geleistete Anpassung an den Zeitgeist, die bereits fesselt.
Am besten verkörpert das der neue Mann im Fokus, der von Mahershala Ali gespielte Polizist Wayne Hays, von seinem Partner Roland West (Stephen Dorff) so spöttisch wie bewundernd „Purple Haze“ genannt, in Anspielung auf dessen Vergangenheit als Vietnamkriegssoldat und Spurensucher. Für das von Pizzolatto geprägte Genre des „Southern Noir“, in dem sich das abergläubische Hinterwäldlertum des Südstaaten-Gothic mit der geistreichen Coolness des Film noir verbindet, war es höchste Zeit, endlich einen Afroamerikaner nicht nur als Opfer, Gegenspieler oder Sidekick einzusetzen, sondern ihm mit der zentralen Ermittlerrolle zugleich den Blickwinkel auf die Ereignisse und die Strukturierung der Erzählung zuzusprechen.
Der Fall dreht sich diesmal um zwei verschwundene Kinder. Statt der solchen Gesichten innewohnenden Tragik nachzugeben oder Spuren auf komplexe wie opake Verschwörungen auszulegen, zeichnet Pizzolatto diesmal ein sehr viel feineres Bild der eigentlichen Polizistenarbeit und wie Rassismus und Kapitalismus auf sie einwirken. Der Preis dafür ist, dass es kaum mehr coole Sprüche gibt. True Detective 3 ist überraschend ernst geworden. Wie wir alle.
Info
True Detective 3 Nic Pizzolatto Start: 14.1.2019, 8 Folgen, HBO/Sky Deutschland
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