Hefeteig

Linksbündig Die Kulturpolitik kann auch nicht anders als die Sozialpolitik

Theaterlandschaft, wie das schon klingt. Irgendwie verträumt und romantisch. Aber auch ein bisschen verschlafen und altmodisch. Wahrscheinlich kommt es darauf an, ob man sie sich als eine Art englischen Landschaftsgarten mit weitflächiger Gestaltung vorstellt oder eher an das streng-verspielte Versailles denkt, wo noch jedes Röslein in einem Ornament aufgeht und sich damit sinnbildlich dem Willen des Souveräns beugt. Schließlich stehen diese Gartenbaukonzepte auch für entgegengesetzte Ästhetiken: Die inszenierte Einfachheit und Natürlichkeit gegen ausgestellte Künstlichkeit und zweckfreie Verfremdung. Das eine wäre das Bild einer Theaterlandschaft, wie sie die Kulturpolitiker gerne hätten: Pflegeleicht, den Massen zugänglich, erholsam fürs Auge und doch mit Anspruch auf Höheres. Das andere ist das Bild, das viele heute vom "Theater in der Krise" haben: Verstiegen, von egomanischen Regie-Persönlichkeiten eigenmächtig umgeformt und seiner Natur entfremdet.

In jedem Fall muss gehegt und gepflegt werden. Der Gartenbau bildet deshalb immer auch ein pädagogisches Konzept ab. Der Landschaftsgarten steht sozusagen für Hilfe zur Selbsthilfe und lean management. Der barocke Gartenbau hat dagegen immer etwas Despotisches, Autoritäres und Luxuriöses an sich. Auch die deutsche Theaterlandschaft bildet ein pädagogisches Konzept ab; man beschreibt es immer noch am besten mit dem Stichwort Aufklärung. Theater ist in Deutschland mehr als bloßes Theater: Es soll bilden, reflektieren und das bessere Gewissen der Gesellschaft darstellen. Es sei, so Bundespräsident Rau auf dem vergangene Woche einberufenen Kongress Bündnis für Theater, "nicht die Sahne auf dem Kuchen, sondern die Hefe im Teig".

Derartig angewiesen, Kultur nicht als schönen Schein, sondern soziale Notwendigkeit zu begreifen, waren die Kongressteilnehmer denn auch bemüht, sozusagen down to earth und ergebnisorientiert zu reden. Schnell stellte sich heraus: In der Kulturpolitik geht es zu wie im richtigen Leben. Geld ist knapp, Arbeitsplätze sind bedroht und in Zukunft muss für weniger Geld mehr gearbeitet werden. Von Flexibilisierung und Modernisierung war viel die Rede, ganz wie in anderen Betrieben auch. Verbesserte Marketingstrategien wurden ein- und die "Medien" zur Unterstützung aufgefordert. Außerdem sollen die Theater wieder mehr für ihr Publikum und weniger für die innovationssüchtigen Feuilletonschreiber da sein. Als Belohnung für geleistete Anpassung an die gegenwärtige Marktlage wird gefordert: Die Kulturausgaben sollen als Pflichtaufgabe der Kommunen gesetzlich festgeschrieben werden. In der Wort- und Themenwahl der anberaumten Diskussionen war diese Gleichsetzung von Sozial- und Kulturpolitik längst Wirklichkeit geworden.

Theater als Sozialleistung ist vielleicht Kultur, aber ist es auch noch Kunst? Letztere nämlich, unschwer an den Reaktionen der breiten Masse auf sie zu bemerken, neigt zur Asozialität. Sie stellt ungerechte Ansprüche, vermittelt weniger Bildung, als dass sie sie voraussetzt. Ihre Förderung ist deshalb mit einem sozialdemokratischen, entbürgerlichten Kulturverständnis schwer zu legitimieren, läuft es doch darauf hinaus, dass 80 Prozent für etwas bezahlen, wovon vielleicht nur 20 etwas haben. Die demokratischere Form der Kulturförderung findet so gesehen in der Populärkultur statt: Hier gibt es die ständige Abstimmung mit den Füßen beziehungsweise mit den Geldbeuteln der Käufer von CDs, Film- und Konzertkarten.

Dem Bündnis für Theater liegt daran, machbare und vernünftige Lösungen für die Linderung der Theaternot vorzuschlagen: Einsparungen müssen sein, sollen aber durch erhöhte Eigenverantwortung und Grundabsicherungen ausgeglichen werden. Es sind die gleichen Leitlinien, die der Sozialpolitik der Agenda 2010 zugrunde liegen. Sie haben leider auch ungefähr deren Sex Appeal und Weitsicht.

Wer Theater nicht nur für eine kulturelle Sozialleistung, sondern auch für Kunst hält, kann deshalb nur für unvernünftige Lösungen plädieren. Dafür, dass unverantwortlich viel Geld für die sperrigen Projekte ehrgeiziger Regisseure ausgegeben wird, gerade dann, wenn ihnen auch noch das Publikum den Rücken kehrt.


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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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