Ist das Populäre der Feind des Guten?

Oscars Die Academy will eine neue Kategorie einführen, den „populären Film“ – und erntet Spott
Ausgabe 33/2018
Wird die Auszeichnung zum "populären Film" ein weiterer Trostpreis?
Wird die Auszeichnung zum "populären Film" ein weiterer Trostpreis?

Foto: Christopher Polk/AFP/Getty Images

Ein Aufschrei war es nicht ganz, eher ein höhnisches Auflachen, das durch die Filmgemeinde ging, nachdem die Oscar-verleihende Academy ihr Vorhaben bekannt gab, eine neue Kategorie einführen zu wollen, und zwar für den „populären Film“. Die Gegenargumente kamen reflexhaft und lauteten erst mal mehrheitlich: Was für eine dumme Idee! Zum einen: Was braucht der populäre Film einen Oscar, wo er doch sein Einspielergebnis hat! Zum anderen: Dem besten Film einen populärsten Film gegenüberzustellen, das ist doch die Herabwürdigung der Kunst gegen die Unterhaltung, mithin die Fortsetzung der „Ghettoisierung“ des Arthouse-Films, der es an der Kasse doch schon schwer genug hat. Und überhaupt: Sollte der Gegensatz von Kunst und Unterhaltung im „Besten Film“ nicht idealtypisch aufgehoben sein? Schließlich sind doch die Oscar-Gewinner Shape of Water, Moonlight oder The King’s Speech, um willkürlich ein paar aufzuzählen, tatsächlich sowohl gute als auch einem breiten Publikum zugängliche Filme. Wozu also die Veränderung?

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Academy möchte etwas gegen die stetig sinkenden Quoten der Oscar-Live-Übertragung tun. Denn der reine Zahlenzusammenhang belegt, dass je höher das Kassenergebnis der Filme im Oscar-Rennen ist, desto höher ist auch die Quote am Oscar-Abend. Da nun aber die abstimmenden Mitglieder der Academy wieder und wieder belegt haben, dass ein Bester-Film-Oscar etwa für einen Superheldenfilm nicht in Frage kommt, lag der Gedanke nahe, das über eine eigene Kategorie auszugleichen. Auch ist die Idee nicht völlig neu. Als vor zehn Jahren Christopher Nolans Dark Knight zwar acht Mal nominiert wurde, aber nicht für den Besten Film, der an Slumdog Millionaire ging, beklagten viele den nicht mehr zeitgemäßen Geschmack der Academy. Einige wollen in der Einführung der neuen Kategorie deshalb das Bestreben erkennen, Ryan Cooglers Black Panther vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren. Woraufhin sich das Argumentationsrad erneut dreht, denn aus dieser Perspektive erscheint der Popularitäts-Oscar dann als reiner Trostpreis.

Aber es lässt sich auch alles sehr viel entspannter sehen. Abgesehen davon, dass es mit den Oscar-Kategorien für den Besten ausländischen Film, die Beste Dokumentation und den Besten Animationsfilm bereits drei Sparten gibt, in denen gewissermaßen Trostpreise vergeben werden für Filme, die nicht voll mehrheitsfähig sind, liegt in der Empörung über den Vorschlag ein gutes Maß an Heuchelei. Mehr oder weniger bewusst setzt schließlich jeder Kinogänger Kunst-und Unterhaltungsfaktor als zwei oft gegenläufige Kurven ins Verhältnis. Gerade die Tatsache, dass Gefallen und Wertschätzung, Vergnügen und intellektueller Genuss nicht immer zusammen kommen, macht das Filmegucken doch so spannend.

Die genauen Kriterien der neuen Kategorie sind noch nicht bekannt, davon wird abhängen, ob und wie schnell man sie akzeptiert. Zu hoffen wäre, dass die neue Preisklasse nicht nur zu einer neuen „Echo-Kammer“ führt, in der sich die Fans der einzelnen Superhelden- und Blockbuster-Franchises untereinander bekriegen, während der Rest gepflegt über das neue Meisterwerk von Martin Scorsese diskutiert. Tatsächlich könnte die Kategorie auch viel Spaß machen. Man muss die möglichen Kandidaten – Mission: Impossible – Fallout, Deadpool 2, Avengers: Infinity War und Black Panther – nur mal nebeneinanderstellen.

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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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