„Juan Carlos“: Ist der Ruf erst ruiniert ...

Dokuserie Der Vierteiler „Juan Carlos I – Geld, Liebe, Verrat“ zeichnet den Niedergang eines Idols. Barbara Schweitzerhof über das Porträt eines skandalträchtigen Monarchen
Ausgabe 20/2023
Nursultan Nazarbajew (re.), 1990 bis 2019 Präsident Kasachstans, schenkt Juan Carlos 1998 einen Pelzmantel
Nursultan Nazarbajew (re.), 1990 bis 2019 Präsident Kasachstans, schenkt Juan Carlos 1998 einen Pelzmantel

Foto: Sky

Vergesst Charles und Camilla, Harry und Meghan – im Vergleich zu dem, was sich seit Jahrzehnten am spanischen Königshof abspielt, sind das alles bedeutungslose Ränkespiele. Juan Carlos I. hatte nicht nur einen viel direkteren und realen Einfluss auf die politischen Geschicke seines Landes als selbst Elizabeth II., auch seine Skandale gehen weit über Herz-Schmerz-Geschichten à la Charles und Diana hinaus. Vorteilsnahme, Steuerhinterziehung, Geldwäsche, und das in großem Stil, stehen auf seiner Agenda, zwielichtige Männerfreundschaften mit den üblichen Verdächtigen von Mohammed bin Salman bis Nursultan Nazarbajew mit eingeschlossen. Mithin gefundenes Fressen, wie man so sagt, für eine jener neuen Dokuserien, die mittels Zeitzeugen-Interviews und viel Reenactment historische Ereignisse mit der fingierten Atemlosigkeit des True-Crime-Genres aufarbeiten.

Juan Carlos – Geld, Liebe, Verrat eröffnet auf sehr geschickte Weise mit dem Brückenschlag zwischen „seriöser“ Weltgeschichte und dem, was zunächst als bloßer Klatschskandal daherkam. Einerseits sind da die Aufnahmen aus dem spanischen Parlament vom Februar 1981, als eine paramilitärische Polizeitruppe in die Kammer einbricht, Schüsse zu hören sind und sämtliche Abgeordneten hinter ihren Pulten in Deckung gehen. Die Putschisten wollten das Franco-Regime reinstallieren. Juan Carlos I. aber stellte sich in einer TV-Ansprache auf die Seite die Demokratie und wurde danach für Jahrzehnte als Ideal eines modernen Monarchen gefeiert.

Andererseits aber ist da gleich zu Beginn der Serienerzählung das Skandalbild von 2012, das Juan Carlos auf der Jagd in Botswana zeigt; eine jener Trophäen-Aufnahmen, in dem der Schütze vor dem erlegten Tier, in diesem Fall ein Elefant, zu sehen ist. Mit dem Bild kam nicht nur der peinliche Fakt an die Öffentlichkeit, dass derselbe König, der in einer Neujahrsansprache seinen krisengebeutelten Landsleuten solidarisches Gürtelengerschnallen anempfohlen hatte, stolze 45.000 Euro für diesen Ausflug ausgegeben hatte. Damit verbunden war das noch viel peinlichere Eingeständnis, dass der Ausflug zusammen mit einer ehemaligen Geliebten stattfand. Ach, und herausgekommen war das Ganze letztlich nur, weil der damals 74-Jährige offenbar beim Feiern nach der Jagd gestolpert war und für eine Hüftoperation in die Heimat geflogen werden musste.

Verspielte Sympathien

In den vier Folgen der Dokuserie wird immer wieder die Lücke geschlossen zwischen dem Bilderbuchmonarchen, der sein Land in den 1980er- und 90er-Jahren doch allem Anschein nach gut in die Spur brachte, und dem Skandal-König, der zum Zeitpunkt seiner Abdankung 2014 schon sämtliche Sympathien „seines Volks“ verspielt hatte. Der Trumpf einer Dokuserie wie Geld, Liebe, Verrat sind die O-Töne. Zwar konnten die Regisseure kein Mitglied des Königshauses vor ihre Kamera bekommen, dafür aber filmen sie einen „engen Freund“ des Exmonarchen dabei, wie er Juan Carlos auf dem Handy anruft.

Einmal mehr wurde keine Reise gescheut, in Spanien, Monaco, Großbritannien und den USA werden Menschen interviewt, die mal mehr, mal weniger direkt etwas mit Juan Carlos I. zu tun hatten. Hofberichterstatter, Ermittler, PR-Agenten, Journalisten und anderweitig Involvierte erzählen; ihre Aussagen werden zu einer Collage zusammengeschnitten, die im chronologischen Hin und Her ein immer differenzierteres Bild der Ereignisse und der Person Juan Carlos I. zeichnet.

Eingebetteter Medieninhalt

Als eine Art Kronzeugin der Serie dient die skandalumwehte Geliebte Corinna zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, die in der spanischen Presse gerne unter ihrem Mädchennamen Corinna Larsen adressiert wird. Das Interessante dabei ist, dass Sayn-Wittgenstein-Sayn mutig in die Kamera verspricht, die Wahrheit zu erzählen und Dinge preiszugeben, über die bislang geschwiegen worden wäre, man als Zuschauer aber nie sicher ist, ob auch nur eines von beidem wirklich zutrifft.

Denn obwohl in der Tat „aufwendig recherchiert“, tun einem die Autoren nämlich an keiner Stelle den Gefallen, das vor der Kamera Gesagte einzuordnen, zu relativieren oder gar richtigzustellen. Das Publikum muss sich selbst eine Meinung darüber bilden – zwar nicht über Juan Carlos I., dessen Anfälligkeit für Korruption als erwiesen gelten kann, aber doch zu allen anderen Gestalten, die hier auftreten.

So froh man ist, dass es sich die Autoren nicht zu leicht machen mit ihrem Stoff, so frustrierend ist ihre Herangehensweise aber auch. Dass hier einerseits Corinna zu Sayn-Wittgenstein-Sayn mit dem Gestus auftritt, nun endlich ihre Seite der Geschichte zu erzählen, während gleichzeitig andere, darunter ihr Exmann, sie recht unverhohlen als „Golddigger“ darstellen, bereitet durchaus ein gewisses Zuschauervergnügen. Gleichzeitig aber zeigt sich hier exemplarisch auch die verpasste Chance der Dokuserie: Man hätte aus all dem Stoff so viel mehr machen können!

Man nehme allein die Sache mit dem „Casanova-König“, als den man Juan Carlos I. in den 80er- und 90er-Jahren noch nachsichtig betrachtete. Heute erscheinen solche Rücksichtnahmen auf „männliche Schwächen“ weniger verzeihlich. „Er hat seine Gefühle unterdrückt, für die Krone“, bringt da ein Hofbeobachter ein altbackenes Klischee in Anschlag, während man auf dem Archivmaterial neben dem König seine Gattin Sophia sieht, mit dem Inbegriff dessen, was man ein gequältes Lächeln nennt. Wer musste hier wohl tatsächlich seine Gefühle unterdrücken?

Juan Carlos – Geld, Liebe, Verrat Anne von Petersdorff, Georg Tschurtschenthaler Deutschland 2023, 4 Folgen. Ab 21.5. auf Sky und Wow

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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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