News und kurze Kleider

Film „Bombshell“ erzählt die wahre Geschichte von einem Nachrichtensender, der rechte Gesinnung mit Frauenkörpern drapiert
Ausgabe 07/2020

Eigentlich denkt man, Geschichte sei schwierig, dabei ist es in Wahrheit die Gegenwart, die Probleme macht. Zumindest im Kino. Der Aufwand für Ausstattung und Kostüme mag geringer ausfallen, dennoch ist das Hier und Heute ungleich schwerer auf den Punkt zu bringen. Wer weiß schon, ob wir uns noch in der Tragödie oder schon in der Farce befinden? Anders gesagt: Gegenwartsfilme sehen schnell nach Fernsehen aus. Als Grund dafür, dass ein hochaktueller Film wie Bombshell keine Chance auf eine Oscar-Nominierung in der Top-Kategorie hatte, galt, dass er nichts weiter als ein starbesetzter Fernsehfilm sei. Womit man diesen Film schwer unterschätzt. Andererseits tut ihm das Unterschätztwerden vielleicht ganz gut.

Bombshell beginnt tatsächlich mit Fernsehbildern, nur dass es nicht die eines TV-Movies sind, sondern die rastlosen Multiscreen-Aufnahmen eines 24-Stunden-Nachrichtensenders. Die Moderatorin Megyn Kelly ist da zu sehen, wie sie über Vorwürfe spricht, die Trumps Ex-Frau Ivana gegen Donald erhebt. Man schreibt das Frühjahr 2016, Trump ist noch nicht zum Präsidentschaftskandidaten gewählt. Kelly galt damals als Star des rechtslastigen Fox-News-Senders. Dann wagte sie es, Trump während einer Debatte auf seine beleidigenden Äußerungen – „Bimbo“, „fettes Schwein“ – Frauen gegenüber anzusprechen. Trump überzog sie daraufhin mit einem Tweet-Storm. Im Film wird Megyn Kelly von Charlize Theron gespielt, was man erst erkennt, wenn die Kamera ganz nah heranfährt. „Wie viele Tweets hat er in der Nacht über mich abgesetzt?“, fragt sie ihr Team. „15“, heißt es. „Der Typ wird nie Präsident werden“, antwortet Kelly, und die Schauspielerin Theron unterlegt ihre Stimme mit einer so nuancierten Mischung aus Alarmbereitschaft und Verachtung, wie man sie der originalen Kelly nicht unbedingt zutraut.

Man muss sich das immer wieder in Erinnerung rufen: Bombshell handelt zwar von wahren Figuren, ist zugleich aber Fiktion. Auf der Ebene der „true story“ hält sich der Film an verbürgtes Material: Es geht um die Vorwürfe der sexuellen Belästigung, die Gretchen Carlson, eine weitere Star-Moderatorin bei Fox, 2016 gegen ihren ehemaligen Boss, den Fox-News-Gründer Roger Ailes, erhob, Vorwürfe, denen sich bald eine ganze Phalanx von Frauen anschloss, was zu einer internen Untersuchung führte, die multiple Täter und noch mehr Opfer zutage förderte.

Hang zum Überdeutlichen

Megyn Kelly, die nach Carlson wohl prominenteste Betroffene, stieß erst spät dazu. Über die wahren Gründe dieses Zögerns kann man nur spekulieren. Zugleich liegen sie auf der Hand und werden in Bombshell von wechselnden Figuren ausgesprochen: Frauen, die ihren Boss verklagen, müssen damit rechnen, nie mehr einen Job zu bekommen und für ihr weiteres Leben über diese eine Sache definiert zu werden.

Das Aussprechen solch apodiktischer Wahrheiten durch mehrere Figuren gehört zu den Stilmitteln des Films, der einen Hang zum Überdeutlichen hat. Da ist der treibende Rhythmus des News-Senders, illustriert mit einer Kamera, die sich flüssig durch Gänge und Großraumbüros bewegt, die wiederum bevölkert sind von stark geschminkten Frauen in figurbetonten Kleidern. Dazu ein Kommentar, aus dem Off oder in die Kamera gesprochen, oft vor eingefrorenem Bild und in süffisantem Tonfall: „Roger begriff, dass ein 24-Stunden-Sender etwas braucht, um sein Publikum bei der Stange zu halten – und dieses Etwas sind Beine.“ „Wir brauchen dich in einem kürzeren Kleid!“, sieht man Ailes (John Lithgow) eine junge Frau anherrschen.

Das fühlt sich manchmal nach Erklärvideos für Besserwisser an, wie sie auch Adam McKay in seiner Sachbuchverfilmung The Big Short verwendete, etwa wenn er Margot Robbie in der Badewanne das zentrale Unwort der Finanzkrise erläutern ließ: „credit default swap“. Die Ähnlichkeit mit The Big Short ist kein Zufall, sondern auf den Drehbuchschreiber Charles Randolph zurückzuführen, der hier jedoch zusammen mit Regisseur Jay Roach die Ästhetik des Infotainments eine Schraube weiter dreht und bewusst zu dessen Kritik einsetzt. So führt Therons Kelly als eine Art Moderatorin durch die Handlung, eine Spiegelung, die als Ironisierung funktioniert und Kelly zugleich zur zwiespältigen Heldin und unzuverlässigen Erzählerin macht. Man weiß als Zuschauer nie, wem man hier trauen soll.

Denn obwohl Bombshell die betroffenen Frauen in den Vordergrund rückt – und nicht etwa, wie zuletzt die Serie The Loudest Voice, doch wieder den faszinierenden männlichen Bösewicht –, versucht er zugleich, deren Funktion und Funktionieren in einem auf Sexismus aufbauenden rechten Nachrichtensender aufzuzeigen. Sowohl Carlson (im Film von Nicole Kidman gespielt) als auch Kelly haben sich in Dienst nehmen lassen von Ailes’ Agenda. Was ihre Klage über sexuelle Belästigung in keiner Weise ins Unrecht setzt. Nicht zuletzt, um das zu bekräftigen, gibt es eine dritte zentrale Frauenfigur, die das Schicksal mehrerer dokumentierter Fox-Angestellter vertritt: Margot Robbie spielt Kayla, eine „evangelical millennial“, die beigebracht bekommt, wie es bei Fox so läuft – Sonderbehandlung durch „Roger“ inbegriffen.

In einer der besten Sequenzen des Films buchstabiert Kate McKinnon als eingefleischte Zynikerin im Fox-News-Betrieb der Anfängerin die Prinzipien vor. „Sieh es wie ein alter Straßenpolizist: Die Welt ist schlecht, die Menschen sind faul, Minderheiten sind kriminell, Sex ist krank, aber interessant. Alles, was deiner Großmutter Angst macht und deinen Großvater die Wände hochgehen lässt, das ist eine Fox-News-Geschichte. Ängstigen – aufreizen – ängstigen – aufreizen.“ Die Mediengegenwart in zwei Worten.

Info

Bombshell Jay Roach USA/Kanada 2019, 109 Minuten

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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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