Taxis auf Tuchfühlung

Kairoer Abende Die Kairoer Taxifahrer sind mir ans Herz gewachsen. Da war zum Beispiel der nette alte Mann, der uns am ersten Abend am Flughafen einlud. Von ...

Die Kairoer Taxifahrer sind mir ans Herz gewachsen. Da war zum Beispiel der nette alte Mann, der uns am ersten Abend am Flughafen einlud. Von schmächtiger Statur und sicher jenseits der 60, hatte er zu dem von uns vorgeschlagenen Preis einfach Ja gesagt, sofort die schwersten Taschen an sich gerissen und war losgelaufen. Uns blieb nichts anderes übrig, als hinterher zu trotten, trotz eines komischen Gefühls, weil wir doch noch hatten feilschen wollen. Zumal dem Mann das Kofferschleppen keineswegs leicht fiel. Der Schweiß rann ihm übers Gesicht, aber er lächelte uns freundlich an. "Which country?" "Germany". "Welcome to Egypt!" "Thank you".

Mit Mühe, aber unbeirrbar wuchtete er die Taschen auf den Dachgepäckträger seines schwarzen Peugeots, an dem die jahrzehntelange Beanspruchung viele Spuren hinterlassen hatte. Unter den Sitzpolstern spürte man die Sprungfedern. Wippend fuhren wir los. Freundlich redete er zunächst auf arabisch auf uns ein, schien aber nicht wirklich damit zu rechnen, dass wir ihn verstehen. Stattdessen verlegte er sich bald auf ein gelegentliches strahlendes Lächeln, mit dem er die nächsten Minuten die Kommunikation bestritt. Dann fuhren wir an einem Fußballstadion vorbei. Unser Fahrer wies mit dem Finger hinaus und sagte: "rumeni-ge". Christiane, Katja und ich tauschten fragende Blicke. "Karl-Heinz Rummenigge!" rief Anke vom Beifahrersitz voller Begeisterung aus. Woraufhin der Taxifahrer ebenfalls Freudenschreie ausstieß, in die wir hinten schließlich begeistert einstimmten. Fast ekstatisch wiederholten wir den Fußballer-Namen, der uns endlich den Brückenschlag über die Sprachbarriere hinweg ermöglicht hatte, und das Jahrzehnte nach seinem Karriere-Ende. Selten hatten wir uns dermaßen willkommen geheißen gefühlt. Später versuchte unser Taxifahrer noch, uns beizubringen, wie man den Namen der Straße richtig ausspricht, in der unser Hotel lag. Wir begriffen in dem Moment noch gar nicht, wie wichtig das sein könnte.

Denn gleich am nächsten Tag schüttelte der Taxifahrer, den wir angehalten hatten, zögerlich den Kopf, als wir nach der Ibn Tullin-Moschee fragten. Dennoch forderte er uns energisch auf, doch einfach einzusteigen. Zehn Pfund seien in Ordnung. "Ibn Tullin?" wiederholten wir, als wir eingestiegen waren. Wie ein gelehriger Schüler sprach der Fahrer uns nach, sichtlich ohne verstanden zu haben. Wir wollten schon wieder aussteigen, als er sich an das Taxi, das neben uns an der Kreuzung stand, wandte. "Ibn Tullin?" riefen wir aus dem Hintergrund dem Nachbar-Fahrer entgegen. Der entgegnete abgeklärt: "Ibn Talong!". Wir waren sehr verunsichert, ob wir dasselbe meinten. Als unser Fahrer endlich vor einer Moschee hielt, zögerten wir auszusteigen. "Ibn Tullin?" versuchten wir es wieder. Fast streng wies er uns hinaus: "Ibn Talong!" Erst als wir im Inneren der Moschee feststellten, dass die Beschreibung unseres Reiseführers mit den Örtlichkeiten übereinstimmt, waren wir überzeugt.

Ganz lächerlich waren solche Ängste nicht. "Saquara!" hatte nämlich auch jener Taxifahrer wie ein Mantra wiederholt, mit dem wir zur berühmten Stufenpyramide gelangen wollten. Und trotzdem waren wir zunächst an der Cheopspyramide gelandet. Dabei hatte Christiane noch deutlich die markanten Umrisse der Stufenpyramide in die Luft gemalt. Wir mussten also nachverhandeln. Wieder erklärte ein anderer Taxifahrer unserem Fahrer den Weg und uns den neuen Preis. Dann wandte er sich entschuldigend an uns, als stünde Ägyptens Ruf auf dem Spiel: Ihr Fahrer hat leider keine Ahnung von ägyptischen Sehenswürdigkeiten.

Am letzten Abend wollten wir ins "Arabesque" gefahren werden. Das Restaurant stand in allen Reiseführern. Und doch kannte der freudige Alte es nicht, zu dem wir eingestiegen waren. Aber inzwischen war uns das Verfahren vertraut: Andere Taxifahrer, im dichten Feierabendverkehr mit uns auf Tuchfühlung, wurden während der Fahrt befragt. Doch diesmal schien uns niemand auch nur ansatzweise zu verstehen. Ratlos und zunehmend weniger fröhlich fuhr unser Taxist uns zur anderen Nilseite und wieder zurück. Unverrichteter Dinge stiegen wir wieder aus. Es tat uns gegenseitig sehr leid. "You no arab, me no english!" brachte der Fahrer die missliche Situation auf den Punkt und schnitt dazu eine Grimasse. Das "Arabesque", so fanden wir wenig später heraus, lag gleich um die Ecke.


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