Unglück

Im Kino "The Cooler" mit Alec Baldwin

Alec Baldwin hat am vergangenen Sonntag keinen Oscar erhalten. Was schade ist. Und das nicht nur, weil Baldwin den Oscargewinnern Tim Robbins und Sean Penn an politischem Bewusstsein in nichts nachsteht. Was die Kritik an der amerikanischen Außen- und Innenpolitik angeht, übertrifft er die beiden bekannten Hollywoodradikalen fast noch an Entschiedenheit und wohl auch Sachkunde. Diesen Eindruck hinterließ zumindest das Interview, das die BBC im Vorfeld der Oscarverleihung mit Baldwin machte. Ganz ohne die handelsübliche Naivität, mit der engagierte Schauspieler sich sonst vor möglicher Gegenkritik zu schützen pflegen, zeigte sich Baldwin im Gespräch als Mann mit so entschiedenen politischen Ansichten - dass er fast schon wieder unsympathisch wirkte.

Eine ganz ähnliche Zwiespältigkeit zeichnet viele der Figuren aus, die Baldwin gespielt hat. Angefangen hat Baldwin einst als Anwärter für die Kategorie der leading man, wohin ihn sein gutes Aussehen wie von selbst zu verwiesen schien. Ganz geschafft hat er es dann doch nicht, mit stark wechselndem Erfolg schlug er schließlich den Weg des Charakterdarstellers ein. Dem heutigen Baldwin glaubt man fast anzusehen, wie schmerzhaft dieser Prozess letztendlich gewesen sein muss, denn er tritt auf wie jemand, der viel aufgegeben hat - an äußerer Schönheit, Stolz und Ego - um dort anzukommen, wo er heute ist.

In The Cooler kann man Baldwin nun dafür auf der Höhe seiner Kunst erleben. Die für ihn charakteristische Widersprüchlichkeit nutzt er hier, um daraus eine Figur zu bauen, die nachwirkt. Baldwin spielt Shelly, einen ehemaligen Trickbetrüger, der es zum eigenen Casino in Las Vegas gebracht hat. An seinem "Shangri-La" will er festhalten als einem der Casinos alter Schule - einem Ort jenseits des Alltags, vor allem aber jenseits der Arenen für Familienfreizeit und Massentourismus, in die sich Las Vegas in einem unaufhaltsamen Modernisierungsprozess verwandelt. Sein Begriff der "alten Schule" umfasst allerdings mehr als die bloße romantische Verklärung von Zwielichtigkeit und Halbwelt, nämlich auch die härteren Gangarten: Wer das Shangri-La mit großem Gewinn verlassen will, muss durchaus damit rechnen, dass ihm die Knochen gebrochen werden.

Außerdem schließt die "alte Schule" einen Aberglauben ein, dem der Film auf eine Weise folgt, die ihn wie Naturwissenschaft erscheinen lässt. Shellys bester Mitarbeiter nämlich ist der "Cooler", ein unglücklicher Freund aus alten Tagen mit einer besonderen Begabung: tritt er zum Roulettetisch oder berührt das Kartenset beim Black Jack, bricht die Glückssträhne eines Gewinners abrupt ab. Wo gerade noch ein Glücksbegünstigter von den Umstehenden bejubelt wurde, stöhnt auf einmal alles vor enttäuschter Hoffnung auf, und wenige Momente später hat sich die Menge aufgelöst und den Verlierer alleine zurückgelassen. Wie er das macht? "Indem ich ich bin", sagt Bernie (William H. Macy).

The Cooler handelt nun davon, wie Bernie aufhören will mit diesem freudlosen Job, auch weil in wenigen Tagen endlich der Vertrag ausläuft, der ihn über viele Jahre an Shelly gebunden hat. Doch Shelly, sowieso unter Druck, da seine Investoren genau jene Art von Modernisierung einfordern, die er ablehnt, will auf Bernies wertvolle Dienste nicht verzichten. Also engagiert er eine Serviererin, die Bernie zum Bleiben bewegen soll. Wie das oft Frauenart ist, erledigt Natalie (Maria Bello) ihren Job viel besser als vorgesehen, mit dem Ergebnis, dass auf einmal ein glücklicher Bernie durchs Casino streift und statt der Verwünschungen der Verlierer die Aufschreie der Glücksbegeisterung markieren, wo er sich gerade befindet. So dass Shelly wiederum nichts anderes übrig bleibt, als dieses Glück zu zerstören, um seine "Investition zu schützen" ...

Wegen seiner besonderen Begabung fürs Widersprüchliche ist Baldwin als Shelly mehr als nur der Macho, der seine Sensibilität dadurch zeigt, dass er auch mal selbst Hand anlegt, wenn es gilt, Gewalt auszuüben. Die Sympathie, die man für Shelly trotz dessen "Bösartigkeit" empfindet, rührt auch nicht nur daher, dass er hier die Antikommerzialität des alten Verbrechertums gegen die totalen Vermarktungsstrategien der neuen Konzerne verteidigt. Sie hat zu tun mit dem Unglück, mit dem ihn eine Liebesbeziehung verbindet, die intensiver ist als die von Bernie und Natalie.

Die Rolle hat Baldwin seine erste Oscar-Nominierung eingebracht, gewonnen hat ihn dann wie gesagt Tim Robbins. Mystic River sei eben der bessere Film, heißt es. Dafür ist The Cooler ein besonders gutes Beispiel dafür, wie gut Schauspieler auch in weniger guten Filmen sein können.


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