Verbrechen und Lohn

IM KINO Woody Allens neuer Film "Schmalspurganoven"

Der Erfolg seiner Komödien hat Woody Allen in eine Position gebracht, aus der er seither nie mehr herausfindet: Es ist, als stehe er als Komiker auf der Bühne mit Mikrophon in der Hand, und egal, was er sagt, das Publikum möchte den Witz darin erkennen und lacht vereinzelt schon mal im Voraus. Hat Allen früher zwischendurch versucht, auch ernst zu sein, so scheint er sich in den letzten Jahren mit seiner Rolle zunehmend abgefunden zu haben. Immer mehr gleichen seine Filme im Ganzen jenen Jokes, die er einst als Stand-up-Comedian für ein Club-Publikum schrieb. So konnte man in Celebrity zum Beispiel die ausführliche Verfilmung folgender Aussage erblicken: Ich bin jemand geworden, den ich immer gehasst habe, aber es geht mir gut dabei!

Auch Schmalspurganoven hat sozusagen einen "Leit"-Witz: "Der Weg ist das Ziel." Denn reich werden die titelgebenden Ganoven nicht durch den zwar genialisch geplanten, aber leider etwas schusselig ausgeführten Bankraub, sondern durch ihr unvorhergesehen erfolgreiches Tarnmanöver. So haben Woody Allens Filme oft etwas von der absurden Verschreibungs-Praxis der konstruktivistischen Psychologie, die als Mittel gegen Schlaflosigkeit etwa empfiehlt, sich den Wecker auf nachts um halb drei zu stellen. Gerade der massive Unglaube an solcherlei Lösungsstrategien führt oft zu schlagartigen Erkenntnissen, besteht doch die Problematik vieler Probleme eben vor allem darin, dass man sie endlos beschreiben kann ohne je über sie hinaus zu sehen. Ob nicht schon früher alle Freunde und Verwandte ihre Cookies gelobt hätten, wird die erfolgreiche Keksfabrikantin im Film schließlich gefragt. "Doch schon, aber ich dachte immer, die verarschen mich", lautet die ehrliche Antwort. Die "Schmalspurganoven" in Allens Film bewahren sich noch im Reichtum einen widerspenstigen Charme, der zum Vorschein bringt, dass sie eher zu ihrem Glück gezwungen werden mussten, als dass sie es suchten.

Als Geschichte ist das nicht gerade neu: Da werden ein paar Leute reich, die daran zwar permanent gedacht und die kühnsten Pläne dafür geschmiedet haben, es aber letztlich nie für möglich hielten. Stracks machen sie sich an die Verwirklichung der lang gehegten Wünsche: schicke Kleider, tolle Wohnung, faules Leben. Und dann kommt Ehefrau Frenchy auf die Idee, Kunstmäzenin und in die entsprechenden New Yorker Kreise aufgenommen werden zu wollen. Was natürlich über kurz oder lang zur Entfremdung der Eheleute führen muss. Und auch sonst nicht gut gehen kann. Dass die Erfüllung der eigenen Wünsche manchmal einer Bestrafung gleichkommt, an diesem Punkt ist der Film kurz vor Schluss angelangt. Um seine Helden dann doch noch zu raffinierten Schmieden ihres ganz eigenen Glücks zu machen.

Allens Filme werden vor allem in Europa geliebt. Warum das so ist, warum die breitere Masse der amerikanischen Zuschauer mit seinen Filmen wenig anfangen kann, erklärt sich der europäische Intellektuelle mit der Intellektuellenfeindlichkeit Amerikas. Tatsächlich sind es die weniger intellektuellen unter Allens Filmen, die in den USA erfolgreich waren: Broadway Danny Rose bei der Kritik und die Schmalspurganoven jetzt beim Publikum. Für das europäische Publikum ist es ein eher ungewohnter Film, weil hier kein todernstes Räsonieren eines typisch New Yorker Intelligenzia-Vertreters zum Lachen reizt, sondern die kleingeistige Selbstüberschätzung eines erfolglosen Trickbetrügers und Möchtegernkriminellen. In einem seiner frühen Filme, Woody der Unglücksrabe, spielte Allen schon einmal eine ganz ähnliche Rolle (damals verliebte er sich auf den ersten Blick in eine Frau, Diane Keaton, und gab erst nach zwanzig Minuten die Absicht auf, ihre Handtasche klauen zu wollen). Schon damals, obwohl noch jung, war die Karriere seines Helden von vielen Misserfolgen gekennzeichnet. Als Ganove im Rentenalter, der immer noch unerbittlich den großen Coup plant, ist Woody Allen heute weniger denn je auf der "realistischen", dafür um so mehr auf der genre-immanent komischen Ebene überzeugend.

Auf den ersten Blick ist Schmalspurganoven ein kleiner Film. Keinesfalls von der Tiefe und Eleganz von Hannah und ihre Schwestern, wo komplizierte Fragen nach dem Sinn des Lebens, der Existenz Gottes und der Entstehung des Faschismus mal kurz zwischen Tür und Angel abgehandelt werden: Wenn es Gott gibt, warum gibt es Nazis? "Wie soll ich das wissen, ich weiß doch nicht einmal, wie ein Dosenöffner funktioniert", antwortet die Figur des Vaters, unterkomplex und um so treffender. Und auch keinesfalls von der wirklich hinterhältigen Bösartigkeit des Anti-Dostojewski-Stücks Verbrechen und andere Kleinigkeiten, in dem ein reicher Geschäftsmann seine Geliebte umbringen lässt und Angst hat, Schuldgefühle würden sein weiteres Leben zerstören. Aber nein, alles kommt anders: seine familiären Beziehungen werden noch liebevoller, sein Geschäft immer erfolgreicher...

So plakativ die Geschichte ist, die Schmalspurganoven erzählt, vom Reichtum, der nicht glücklich macht, und auch keine Klassenschranken wirklich überwinden hilft, so amüsant sind die Details, mit denen erzählt wird. Es ist ein Film der kleinen Witze: "Er sagt, ich erinnere ihn an seine verstorbene Frau, ich meine, ich denke, er meint, als sie noch lebte." Und Hugh Grant darf endlich mal bösartig sein, was ihm außerordentlich gut steht. Das Schönste bei Allen bleibt sein Humor, der immer wieder davon erzählt, dass die Ambivalenzen des Lebens nicht auszuhalten, aber auch nicht zu überwinden sind. Anders als in den üblichen Melodramen über den Zusammenhang von Reichtum und Unglück dürfen seine Ganoven am Ende ganz ungeläutert sie selbst bleiben.

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