Niemand kann sagen, er sei nicht gewarnt worden. Das gilt für den Kinozuschauer, der wissen muss, dass ein Film mit Ridley Scott (Gladiator) als Regisseur und Cormac McCarthy (No Country for Old Men) als Drehbuchautor sehr wahrscheinlich nicht von einem Sommerulaub in Frankreich handelt und noch wahrscheinlicher nicht mit einer glücklichen Liebesszene endet. Das gilt aber auch für fast alle, die in The Counselor auftreten. Denn The Counselor ist ein Film, in dem fast unentwegt gewarnt wird – vor dem, was kommen mag.
Die erste eindringliche Warnung – nachdem der Film mit einer so zarten Liebesszene zwischen Michael Fassbender und Penélope Cruz beginnt, dass man sich fragt, ob man im richtigen Kinosaal gelandet ist – kommt von einer Figur namens Reiner, einem Barbesitzer und Drogenimpresario, der von Javier Bardem gespielt wird. Reiner also, durch sein zu Berge stehendes Haar, bunte Hemden und getönte Brillen als Exzentriker gekennzeichnet, erzählt dem titelgebenden Counselor (Fassbender) von einem kleinen fiesen Gerät, das eine einmal geschlossene Drahtschlinge motorisch zuzieht. Um den Hals eines Lebewesens gelegt, führt Reiner mit Lust am Detail aus, zieht sich der Draht zusammen, gräbt sich durch Fleisch und Knochen und führt zum Tod durch Enthauptung in wenigen Minuten. Anders als Fassbenders Counselor begreift der Zuschauer sofort, dass ihm dieses Spektakel nicht erspart bleiben wird.
Damit nicht genug: In ähnlicher Weise schildert später Brad Pitt, der einen elegant gekleideten Texaner und Schürzenjäger verkörpert, dem Counselor das Making-of eines Snuffvideos, in dem die Täter sich eine Frau aus dem Umfeld ihres Opfers aussuchen, um diesem später eine DVD zu schicken. Auch da weiß der Zuschauer, dass die Warnung zugleich eine Prophezeiung enthält. Und so geht es weiter in einem fort: Cameron Diaz in der Rolle von Reiners katzenhafter Freundin warnt Penélope Cruz’ Laura vor den Männern. Reiner selbst warnt mit einem besonders eindringlichen Beispiel vor den Frauen, und ein nur „Jefe“ genannter Drogenboss nimmt sich kurz vor Schluss des Films noch die Zeit, um am Telefon poetisch-philosophisch auf alle Gefahren, die Entscheidungen allgemein mit sich bringen, hinzuweisen – dass die Welt, in der wir eine bestimmte Entscheidung getroffen haben, nicht mehr dieselbe ist, in der wir es noch nicht getan haben.
Etikettenschwindel kann man diesem Film also gewiss nicht vorwerfen. The Counselor hält genau das, was sein Titel verspricht: Es ist ein Film, in dem unentwegt geraten wird und eben auch geredet. Interessanterweise ist es nicht der Counselor selbst, der das Reden und Beraten besorgt, sondern es wird zu ihm gesprochen. Allerdings hätte der Film keine Handlung, könnte er Ratschläge gut annehmen.
Womit wir bei einem neuralgischen Punkt wären: Wovon handelt The Counselor? Von einem schieflaufenden Drogendeal, auf den sich Fassbenders Figur eingelassen hat, heißt es. Doch wer noch nie einen Film über den Drogenhandel gesehen hat, wird Schwierigkeiten haben, das zu erkennen, geschweige denn begreifen, wer hier auf welcher Seite für wen was und warum tut. Der Stoff selbst bleibt ohnehin so gut wie unsichtbar.
Bruno Ganz („Der Untergang“)
Ridley Scott reiht in vollendeter Coolness eine stylische Szene an die andere. Obwohl der Zuschauer das Gefühl hat, ihm werde eine Indizienkette präsentiert, ergibt sich doch keine schlüssige Erzählung daraus. Sicher, ein Lastwagen fährt über die Grenze und wird gekapert. Ein Motorradfahrer jagt durch die Wüste und wird – sehen Sie selbst. Der Counselor wird beraten und belehrt und tut doch offenbar das Falsche. Eine Frau schaut verliebt und verzweifelt. Eine andere verschlagen und verzückt. Ein Mord folgt auf den anderen.
Launig perlt so Szene für Szene vor sich hin, durchsetzt von McCormacs düsterer Weltsicht, in der das Böse wie ein Krebs in das Leben der Guten eindringt. Vor Langeweile schützt den Film die Besetzung, die im Minutentakt mit Überraschungen aufwartet und den Zuschauer dazu verleitet, mehr darüber nachzudenken, woher er denn diesen oder jenen Darsteller kennt als über den Fortgang der Handlung. Da gibt es Rosie Perez (Perdita Durango) als einsitzende Drogenmama, Edgar Ramirez (Carlos) als Priester, Goran Višnjić (Emergency Room) als Rechtsanwalt, Natalie Dormer (Game of Thrones) als verführerische Blonde, Dean Norris (Breaking Bad) und John Leguizamo (Carlito’s Way) als professionelle Finstermänner und Bruno Ganz (Der Untergang) als Diamantenhändler.
Es könnte auch alles gut sein – niemand erwartet von Ridley Scott die große Kunst –, gäbe es nicht mindestens die eine Szene, die so grotesk geraten ist, dass sie den Film aus der Bahn wirft. Ganz sicher könnte man dafür jene nehmen, die als „Cameron Diaz hat Sex mit einer Ferrari-Frontscheibe“ bereits eigene Berühmtheit erlangt hat, aber das suchende Auge findet locker weitere Beispiele. In der Kombination mit der so sehr um Stil bemühten Inszenierung und all dem ausgetüftelten Gerede über Schicksal, Gier und Grausamkeit sind es Szenen, bei denen sich der Zuschauer dabei ertappt, darüber nachzudenken, welchen Handyvertrag der Counselor wohl hat, der es ihm noch im vollkommen abgerissenen Zustand erlaubt, sich minutenlang von einem irgendwo in einem anderen Land sitzenden Drogenboss philosophische Betrachtungen zur Welt anzuhören.
The Counselor Ridley Scott USA/GB 2013, 117 Minuten
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