Zuerst hieß es noch, Trump sei ein Geschenk für die Satiriker und Comedians aller Art in den USA und anderswo. Die steigenden Einschaltquoten für Talk-Sendungen wie die von Stephen Colbert oder Jimmy Kimmel, die den amerikanischen Präsidenten mehrfach wöchentlich aufs Korn nehmen, wurden den Messungen von Trumps Beliebtheitsgrad wie als Realitäts-Check entgegengehalten. Ab und zu gab es auch die Klage, Trump mache es den Komikern zu einfach. Mittlerweile, unzählige bizarre Auftritte und haltlose Behauptungen des US-Präsidenten später, schält sich immer deutlicher heraus: Mit Comedy ist der Mann und das, was ihn hervorgebracht hat, das zeitgenössische Amerika, nicht zu fassen. Durch geistreiche Bemerkungen die seltsame Wirksamkeit eines Twitter-Ausrufs wie „Fake News!“ oder „Sad!“ aushebeln zu wollen, scheint einfach, klappt aber nur bedingt. Und die Tatsache, dass Trump sich ganz offensichtlich ärgert über die Witze, die auf seine Kosten gerissen werden, und sich deshalb nicht selten die Mühe macht, Colbert, Kimmel und Konsorten noch selbst zu beleidigen, bildet nur einen schwachen Trost angesichts der Lage, in der jede Art Verhaltenscodex außer Kraft gesetzt scheint.
Als vor wenigen Wochen Sacha Baron Cohen die ersten Trailer für seine neue Gag-Show Who Is America? in den Medienzirkus einspeiste, weckte das deshalb große Erwartungen. Der Sender Showtime bewarb die Serie zunächst, ohne den Titel oder Baron Cohen zu nennen, sondern kündigte lediglich den Start der „vielleicht gefährlichsten Show in der Geschichte des Fernsehens“ an, geführt von einer Figur, die „schamlos“, „vollkommen aus den Angeln“ und „kaltblütig“ sei. Cohen selbst veröffentlichte auf seinem Twitterfeed bislang unbekannte Aufnahmen von Trump, in denen dieser Cohen heruntermacht mit Bemerkungen wie: „Sacha Baron Cohen, go to school! Learn about being funny!“ Was in dem kurzen Video prompt mit der Behauptung beantwortet wurde, dass Sacha sich dem Abschluss nähere, dazu wurde das Logo der Trump-Universität eingeblendet. In einem weiteren kurzen Werbetrailer sah man Ex-Vize-Präsidenten Dick Cheney mit der ihm eigenen paternalistischen Blasiertheit ein „Waterboard Kit“ signieren. Sollte Sacha Baron Cohen die Methode dafür gefunden haben, der Trump-Reality komödiantisch auf die Schliche zu kommen?
Cohen und Trump sind sich im Übrigen schon einmal begegnet. Er sei der Einzige, der sofort aus seinem Interview mit Ali G hinausgelaufen sei, meldete Trump stolz schon vor ein paar Jahren. Ali G war neben Borat und Brüno eine der fiktiven Bizarro-Gestalten, mit denen Cohen in entsprechender Verkleidung seit Ende der Neunziger von Großbritannien aus die Welt unsicher macht. In Da Ali G Show rückte Cohen in den frühen 2000er Jahren als forsch-dämlicher Rapper allerlei Berühmtheiten zu nah auf den Leib. Ali G war „cringe comedy“ in ihrer gröbsten Form. Nicht nur der Zuschauer zuckte peinlich berührt, oft genug waren es auch die Interview-Gäste, denen sichtlich unwohl wurde. Das Interview mit Trump fand 2003 statt und dauerte laut Cohen ganze sieben Minuten – für ein peinliches Ali-G-Interview eher lang.
Vier seiner fiktiven Charaktere, die Cohen zur Konfrontation mit den unschönen Seiten unter den Schönen der Welt einsetzte, machte er im Lauf der 2000er Jahre zu Haupthelden eines Kinofilms. Richtig eingeschlagen hat davon nur Borat (2006), der Pseudo-Kasache auf seiner Odyssee durch das Amerika der späten Bush-Jahre. Wer damals noch Cohens Methoden allzu durchsichtig fand in der Provokation von Bigotterie und nationalistischer Tollheit, der muss heute zugestehen, dass der Film auch fast etwas Prophetisches hatte. Die schleichende Normalisierung von Antisemitismus und Rassismus, die es Borat so leicht machte, entsprechende Bemerkungen von „harmlosen“ Bürgern hervorzukitzeln, sie war damals schon gut sichtbar.
Bernie schaut skeptisch
Die ersten zwei Episoden der neuen Show Who is America?, seit dem 17. Juli auch auf Sky Atlantic, zeigen, dass Cohen genau da ansetzt, wo er mit der Ali G Show aufhörte: Von ihm kreierte bizarre Charaktere in Verkleidung interviewen bekannte und weniger bekannte Menschen aus Politik und Fernsehen. In der Sendung wird klar, dass die Interviewten nicht wussten, dass sie es mit Sacha Baron Cohen zu tun hatten. Gleich in der ersten Folge sitzt da Bernie Sanders einem Mann im Rollstuhl gegenüber, der behauptet, Obamas Gesundheitsreform hätte ihn krank gemacht, weil er plötzlich gezwungen worden wäre, zum Arzt zu gehen. Sanders schaut zwar skeptisch und macht deshalb eine bessere Figur als die diversen Waffenlobbyisten, die Cohen später in Verkleidung eines vorgeblichen Ex-Mossad-Agenten heimsucht. Letztere lassen sich schließlich dazu überreden, an einem Werbespot teilzunehmen, der die Bewaffnung von Kindern im Vorschulalter propagiert. Der Spot unter dem Titel „Kinder Guardians“ ist das Highlight der ersten Folge – man traut schlicht den eigenen Ohren und Augen nicht, wie hier Männer in gewählten Positionen mit viel Gusto vertreten, dass man Dreijährige endlich bewaffnen müsse. Einige tun es mit einem Lächeln auf den Lippen, das alles andere als ironisch ist.
In den ersten zwei Folgen stellt Cohen die neuen Charaktere vor, die die Nachfolge von Borat und Co antreten sollen. Nicht alle funktionieren gleich gut. Da gibt es Gio Monaldo, einen italienischen Modefotografen und Playboy, der sehr an Brüno erinnert. Es gibt Dr. Billy Wayne Ruddick, jenen rechtsextremen Verschwörungstheoretiker, der Sanders mit nicht sehr hellen Theorien zu den „one percent“ konfrontiert. Da ist Rick Sherman, ein entlassener Strafgefangener mit künstlerischen Ambitionen, und da ist der erzliberale Dr. Nira Cain-N‘Degeocello, der sich dazu bekennt, unter seinem „white privilege“ zu leiden. Cain hat einen faszinierenden Auftritt als Leiter eines Fokusgruppentests, in dem er Provinzler mit dem Ansinnen provoziert, in ihrer Nachbarschaft die größte Moschee des Landes bauen zu wollen. Spannend ist die Sequenz nicht deshalb, weil die Menschen wie erwartet ablehnend reagieren, sondern weil man sieht, dass der Großteil schon weiß, welche Reaktion von ihnen erwartet wird. Als seien sie daran gewöhnt, als Rassisten enttarnt zu werden. Sie sind es sichtlich leid – aber das ändert an ihrer Haltung nichts. Der eine schreit es trotzig heraus: „Ich bin rassistisch gegen Muslime!“, der andere verlässt nicht weniger trotzig wortlos den Raum.
Die besten Entlarvungen gelingen Cohen als Erran Morad, israelischer Antiterrorspezialist. Dass seine Über-Macho-Attitüde bei den Waffenlobbyisten so gut ankommt, sagt schon viel. Dass er den einen oder anderen zum Mitkichern über Vergewaltigungswitze anstiftet, ist erschreckend; dass er Dick Cheney dazu verführt, über seinen „Lieblingskrieg“ zu sinnieren, ist zum Schreien.
Dabei ist das Lachen-Können und -Müssen hier nicht mehr der Maßstab. Who Is America? weitet das Konzept der „Cringe Comedy“ aus. Die Serie ist eine Provokation vor allem auch gegen die „schlauen Komiker“ und deren vermeintliches Wohlfühlen im smarten Besserwissen.
Info
Who Is America? Sacha Baron Cohen Sieben Folgen, seit 17. Juli auf Sky Atlantik
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