Leben

Syrien Ein Land zerrissen zwischen Kriegsparteien. Wir haben mit Menschen aus sieben Städten gesprochen – über ihr Ausharren, ihre Träume, ihren täglichen Überlebenskampf
Ausgabe 08/2016
Syrer erzählen von ihrem Alltag im Bürgerkriegsgebiet
Syrer erzählen von ihrem Alltag im Bürgerkriegsgebiet

Fotos: AFP/Getty Images (4), Imago (2)

Hamza
29 Jahre, Arzt,
Gebiet: unter Kontrolle
der Freien Syrischen
Armee (FSA)

Ich bin aufseiten der Freien Syrischen Armee Arzt in Aleppo. Wir sind umzingelt. Keiner kann hier rein oder raus. Auf der einen Seite greifen uns Assad und die Russen an, auf der anderen die kurdischen Kämpfer der PKK. Acht bis zehn Luftangriffe gibt es am Tag. Inzwischen ist Aleppo eine Geisterstadt. Wer irgendwie raus konnte, ist geflohen. Und ich kann jeden verstehen, der nach sechs Jahren nicht mehr kann.

Trotzdem leben auf der FSA-Seite noch über 150.000 Menschen. Es sind nur noch 24 Ärzte hier und knapp 100 Krankenpfleger. Wir arbeiten in 24-Stunden- Schichten, manchmal auch 48, wenn wie heute ein Kollege ausfällt. Ich habe 150 Patienten am Tag, durch die Angriffe Verletzte und chronisch Kranke. Die Wunden der Verletzten verheilen – oder sie sterben. Grausamer sind chronische Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck. Die Menschen sind verzweifelt. Sie können nicht fliehen, und die Medikamente gehen aus. Sie warten apathisch auf ihren sicheren Tod.

Ich werde weiter hierbleiben. Vor der Revolution wollte ich nach Deutschland, um mich zum Chirurgen weiterbilden zu lassen. Ich hatte meinen B2-Level-Test in Deutsch schon gemacht. Aber daran denken, zu fliehen, ist unmöglich. Wir müssen die Revolution zu Ende bringen, die wir begonnen haben, als wir vor über fünf Jahren auf die Straße gingen. Natürlich hat keiner diese Situation vorhersehen können, wie wir sie heute haben. Aber wenn wir nicht gewinnen, wird dieses Land nicht mehr unseres sein. Wir sind es den 250.000 Menschen schuldig, die ihr Leben gelassen haben, der eine Million Menschen in den Gefängnissen. Das soll alles für nichts gewesen sein? Nein, zum Aufgeben ist es zu spät.

Früher hatten wir Angst vor der Verfolgung durch das Regime und vor Assads Willkür, heute haben wir Angst vor den Fassbomben und Raketen. Wenn ich mich morgens von meiner Frau und meiner Tochter verabschiede, habe ich Angst, dass, wenn ich wiederkomme, das Haus zerfetzt wurde. Ein Waffenstillstand ab Samstag? Das ist ein schlechter Witz, um die Weltgemeinschaft ruhigzustellen. Während die Welt in Genf über Syriens Zukunft immer weiter verhandelt, töten und bomben Assads Armee und Russland in Aleppo und Idlib.

Wenn es eine Chance auf Frieden geben soll, müssen Assad und seine Verbündeten für ihre Verbrechen vom Internationalen Strafgerichtshof für Menschenrechte verurteilt werden. Wenn nicht? Dann werden wir hier alle sterben.

Wie sind die Kontakte entstanden?

Sie wurden über in Deutschland, Österreich und in die Türkei geflohene Angehörige der Gesprächspartner hergestellt – über Facebook und Messenger-Apps wie Whatsapp und Viber. Einzige Ausnahme ist Tim in Raqqa: Wegen der großen Gefahr wurde dieser Kontakt anonym über die Aktivistengruppe „Raqqa Is Being Slaughtered Silently“ hergestellt, die auf Twitter und Facebook präsent ist. Bilder und Berichte aus dem IS-Gebiet dokumentiert sie auch auf Englisch auf der Website www.raqqa-sl.com/en

Lama
47 Jahre, Hausfrau,
Gebiet: unter
Kontrolle der Regierungstruppen

Vergangenen Monat habe ich das letzte Opfer gebracht für diese unvorstellbare Schlacht: meinen 19-jährigen Sohn. Wir haben ihn fortgeschickt, auf die Flucht nach Europa. Unseren Älteren hatten wir schon 2012 in die Türkei geschickt. Mein Mann hat nun sein Taxi verkauft, damit wir für den Jüngeren die Flucht bezahlen können. Was sollten wir auch sonst tun? Hier liegt alles in Trümmern, hier kann man nicht mehr leben. Auf den Straßen gibt es fast nur noch Frauen, viele Männer sind gefallen oder geflohen.

Einige Menschen versuchen mit der Hilfe des Roten Halbmonds, ihre zerbombten Häuser wieder aufzubauen. In den meisten Straßen ist das aber unmöglich. Assads Armee hat die Kontrolle über den Großteil unserer Stadt, trotzdem gehen täglich Autobomben hoch. Keiner weiß, wer das macht. Alle beschuldigen sich gegenseitig. Der Krieg hat überall Misstrauen zwischen die Menschen getrieben. An den Checkpoints werden willkürlich Menschen verhaftet. Vor der Revolution haben wir Sunniten mit den Alawiten friedlich zusammengelebt, heute trauen wir uns nicht mehr über den Weg.

Dabei waren wir so optimistisch. Damals, 2011, als die Revolution begann. Jeder wollte das alte System beseitigen, die korrupten Kader, die Ungerechtigkeit, die Armut. Homs war die hoffnungsvolle Hauptstadt der Rebellion. Mehr als 3.000 junge Menschen demonstrierten am 18. April 2011 auf dem Uhrenplatz, als die Soldaten das Feuer eröffneten und die Jugendlichen töteten, die sich nicht in die anliegenden Häuser retteten.

Dabei hatten wir zuerst gedacht, der Umsturz sei eine Sache von Wochen. Dann haben wir angefangen umzudenken: Am Anfang wollte jeder das System loswerden. Aber dann gab es kein Haus mehr, das nicht einen Sohn, eine Tochter verloren hat. Also haben wir angefangen zu zweifeln. Vorher hatten wir zwar keine Freiheit, aber ein friedliches Leben – jetzt haben wir nichts mehr von beidem. Unter diesem Regime wird es aber nie Frieden geben. Keiner kann das Blut unserer Kinder vergessen, das durch die Straßen von Homs floss.

Nein, Träume habe ich keine mehr. Hoffnungen, dass das Grauen irgendwann endet, auch nicht. Wir erzählen uns Witze, in denen die Rebellen gewinnen und Assad verliert. Aber im Ernst: Die Revolution ist vorbei! Wir leben nur noch von einen Tag zum anderen. Es kann sein, dass ich schon morgen verhaftet werde. Aber Angst habe ich keine mehr. Wenn Gott es will, wird es passieren.

Muhammad
25 Jahre, Kämpfer der FSA,
Gebiet: unter
Kontrolle der Freien
Syrischen Armee

Stell dir eine Stadt vor, die zu 90 Prozent in Trümmern liegt. Eine Stadt, von deren einst 300.000 Menschen nur 12.000 geblieben sind. Stell dir eine Stadt vor, mit einer Suppenküche für alle Bewohner, mit einer Mahlzeit pro Kopf am Tag. Wo das Kilo Zucker 50 Euro kostet. Eine Stadt, die verhungert und verreckt! Willkommen in Darayya, einem Vorort von Damaskus.

Ich bin im März 2011 auf die Straße gegangen, mit all den Tausenden, die für ein Ende des Assad-Regimes demonstriert haben. Ich habe damals Elektro-Ingenieur in Damaskus studiert. Wir hatten auf einen friedlichen Umsturz wie in Tunesien gehofft. Wir dachten, die globale Gemeinschaft, die immer vorgibt, für Demokratie und Menschenrechte zu kämpfen, würde uns helfen. Es war ein furchtbarer Irrglaube. In der zweiten Woche der friedlichen Proteste hat das Regime angefangen, Menschen zu verhaften. In den Verhören wurden die Demonstranten grausam gefoltert, Checkpoints wurden in der ganzen Stadt errichtet. Ich war vier Monate in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: „Friedlicher Protest“. Was ich in der Haft an Grausamkeit erlebt habe, lässt sich mit Worten nicht vermitteln. Gefoltert wurden alle: Frauen, Alte, Kinder. Assads Armee erst hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin – ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee, der versucht, seine Leute, seine Ehre, sein Land zu schützen.

Meine Familie ist im November 2012 geflohen, als die Angriffe der Armee auf Darayya begannen. Ich bin geblieben, um die Menschen hier zu schützen. Seit vergangenem November ist die Stadt total abgeriegelt von allen lebenswichtigen Ressourcen. Kein Essen, kein Wasser, kein Öl. Deswegen schmelzen wir Plastikkanister ein, um daraus Öl zu gewinnen, womit wir die Aggregate zum Laufen bringen, die Strom erzeugen. Die Ärzte nähen Infusionsbeutel aus Plastiktüten. Die Kinder gehen nicht in die Schule, seit Wochen gab es kein Freitagsgebet mehr, weil die Gefahr zu groß ist, dass die Moscheen bombardiert werden. Es gibt immer heftigere Attacken mit russischen Raketen, was Assads Armee tiefer in die Stadt eindringen lässt. Scud-Raketen, Gaskanister, Fässer. Es gibt nichts, was uns nicht auf den Kopf fällt. Wir dagegen haben nur uralte Waffen und das, was wir Assads Armee abnehmen konnten.

Aufgeben? Das können wir nicht. Assad würde sich grausam rächen. Noch immer sind Frauen und alte Menschen in der Stadt. Noch immer werden hier Kinder geboren. Wenn wir fallen, wird es ein weiteres Massaker geben, so wie 2012. So wie in den 80ern in Hama und Homs.

Wieso haben die Gesprächspartner keine Nachnamen und nur teilweise Porträtfotos?

Mehrere Gesprächspartner haben Angst vor einer Bestrafung. Im Territorium des IS (Raqqa, Deir ez-Zor) steht schon auf Internetnutzung die Todesstrafe. In Homs fürchtet Lama eine Bestrafung aufgrund ihrer regimekritischen Äußerungen. Gleiches droht Ahmad und Hussein in den seit Monaten umkämpften Städten Daraa und Darayya im Falle einer Einnahme durch die Assad-Koalition. „Ich bin mir sicher, dass auch deutsche Medien vom Regime beobachtet werden. Sollte es ihnen gelingen, meine Aussage nachzuverfolgen, gehe ich für die nächstens Jahre ins Gefängnis“, sagt zum Beispiel Hussein aus Daraa.

Tim
29 Jahre, Journalist
und Aktivist,
Gebiet: unter
Kontrolle des IS

Ich bin praktisch ein toter Mann. Daran erinnern mich die täglichen Updates, die ich auf mein Handy geschickt bekomme. Todesdrohungen, abgeschlagene Köpfe, Exekutionen auf offener Straße. So etwas senden sie mir via Facebook, wo ich meinen Account unter einem Pseudonym habe. So etwas droht mir, sagen die Bilder, wenn sie rausfinden, wer ich bin. Hier steht schon auf unkontrollierten Internetzugang die Todesstrafe. Und ich bin Aktivist bei der Gruppe „Raqqa Is Being Slaughtered Silently“ („Raqqa wird leise abgeschlachtet“).

Wir sind 30 Syrer, die undercover aus IS-Territorium berichten. Ich bin zwischen Deir ez-Zor und Raqqa aktiv. Wir haben geheime Hotspots eingerichtet und schmuggeln Videomaterial ins Ausland. Die Welt kann doch nicht wegsehen, wie bei uns diese Barbaren wüten. Die Welt soll sehen, was hier passiert, seit 2013 der IS in Raqqa einfiel und die Ära der schwarzen Fahnen und schwarzen Schleier begann. Ich will nicht, dass mein kleiner Bruder und mein Sohn in dieser Welt von Terroristen aufwachsen. In einer Welt, in der Frauen nicht mehr Rechte haben als Hunde. Und in der ich nicht mal mit Frauen aus meiner Familie auf die Straße gehen kann, ohne dafür bestraft zu werden.

Selbst wenn du keine Angst vor dem IS hast, bleibst du hier trotzdem zu Hause, wenn du kannst. Weil von der Luft aus russische Flieger Wohnsiedlungen und Märkte bombardieren. Genauso viele zivile Opfer fordern die US-Luftschläge, die die Terroristen der PKK unterstützen. Es gibt hier auch kaum Möglichkeiten, Geld zu verdienen, wenn du dich nicht dem IS anschließt. Essen ist teuer. Ich bin froh, wenn ich meiner Familie einmal im Monat Obst bieten kann. Das ist Raqqa 2016.

Das Raqqa, das einst von der Revolution geträumt hat. In das 2012 und 2013 fast zwei Millionen Menschen aus anderen Provinzen vor dem Assad-Regime flohen. In dem täglich Menschen für einen friedlichen Umsturz auf die Straße gingen. Mit der Undercover-Berichterstattung hatten wir ursprünglich begonnen, um über die Demonstrationen, die Ungerechtigkeit und die Masseninhaftierungen durch das Regime zu berichten.

Ich glaube aber noch daran: Die Demokratie wird kommen! Der IS wird so plötzlich verschwinden, wie er aufgetaucht ist, wenn sich die mächtigen Länder dazu entschließen. Die Länder, die in kürzester Zeit Gaddafis Regime und das von Saddam Hussein gestürzt haben, die meine ich. Dann werde ich meinen Kindern von all den guten Dingen erzählen, die wir mit der Revolution erreichen konnten. Wie wir Angst und Schmerz ertragen haben, damit der Traum einer demokratischen Heimat wahr werden konnte. So lange werde ich Widerstand leisten – filmen, schreiben, berichten.

Afonti
21 Jahre, Lehrerin,
Gebiet: unter Kontrolle
der kurdischen Miliz YPG,
syrischer Arm der PKK

Wir haben das beste Leben, das unter den schlimmen Umständen in unserem Land möglich ist. Wir haben gesiegt. Ich habe einen Job als Lehrerin, ich habe Essen und etwas Geld. Und wir sind frei.

Fünf Jahre haben bei uns Teufel gewütet: Die ersten waren die Kämpfer der Freien Syrischen Armee, die hier mordeten. Wir sind geblieben. Dann marschierten Ende 2013 die Kämpfer der salafistischen Miliz Ahrar al-Scham hier ein und mordeten. Wir haben trotzdem weiter hier ausgeharrt. Erst im Herbst 2014 sind wir in die Türkei geflohen, als die IS-Kämpfer in ihren schwarzen Kampfanzügen hier auftauchten, meinen Bruder und meinen Vater verschleppten, folterten und drohten, uns Frauen zu vergewaltigen, wenn wir uns nicht verschleiern würden. Sechs Monate sind wir in der Türkei geblieben, es war die Hölle. Keine Arbeit, kein Geld, kein Essen und vor allem keine Zukunft.

Vor einem Jahr sind wir zurückgekommen. Die Bäckerei meiner Eltern war verwüstet, und wir konnten nicht in die Häuser zurück, weil alles vermint war. Sie haben alles geplündert. Die Felder aber waren frisch bestellt – so als ob die Terroristen geplant hätten, für immer zu bleiben. Aber das hat die YPG verhindert. Die YPG hat unser Land den Teufeln entrissen, die Mörder über den Euphrat vertrieben.

Inzwischen haben wir eine eigene Polizei und eigene Schulen, endlich können wir in kurdischer Sprache unterrichten. Unsere Regierung denkt darüber nach, eine Universität zu gründen. Wo sonst sollen wir lernen? Unsere Wege sind vom IS versperrt – die Städte, in denen wir früher studiert haben, sind zerstört. Lebensmittel bekommen wir deshalb aus Damaskus, Kameshli oder aus der Türkei. Das ist teuer, aber die YPG hat Geld. Woher das kommt, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Manche sagen von den Ölfeldern, manche sagen von den internationalen Hilfsgeldern.

Eines aber kann die YPG nicht: die Bomben abhalten, die auf unser Land herunterregnen. Heute waren es 50. Die Front ist kaum zwei Kilometer entfernt, allein der Euphrat trennt uns vom IS. Aber unsere Armee ist stark, unsere Kämpfer tapfer. Noch einmal werden wir unser Land nicht hergeben. Nicht dem IS, nicht Assad und vor allem nicht der Türkei. Zur Not werde ich auch selbst zur Waffe greifen.

Hussein
27 Jahre, Lehrer,
Gebiet: FSA, Al-Nusra-Front
und syrische Armee kämpfen
hier um die Macht

Ich habe nicht viel Zeit, ich komme gerade aus der Schule und muss gleich wieder los: arbeiten. Ich bin Englischlehrer, in meiner Klasse sitzen 40 Kinder. Bezahlen tut mich dafür keiner mehr, aber ich verdiene mir ein bisschen Geld mit Arbeit auf den Feldern. Vergangenes Jahr bin ich mit meiner Familie von Daraa-Stadt nach Dael geflohen, 15 Kilometer weiter nördlich. Hier ist es sicherer. In unserer Provinz kämpft alles, was der Bürgerkrieg zu bieten hat: Assads Armee und die Russen, dazu Söldner des Regimes, die Freie Syrische Armee, die islamistischen Milizen Al-Nusra-Front und Ahrar al-Scham. Die FSA, Al-Nusra und Ahrar al-Scham halten die Stadt Dael mit 60.000 Menschen. Keiner will sie hier. Nicht, weil sie nicht gut zu uns wären. Aber wo Rebellen sind, schlägt die Assad-Koalition zu. Ich habe Angst, dass sie die Stadt zerbomben wie Aleppo. Das ist ihre Strategie. Sie versuchen, Gegner zu vertreiben, indem sie die Bevölkerung terrorisieren, bis diese die Rebellen aus der Stadt jagt. Es gibt da keine Gnade.

Wir haben das auch gesehen, als hier in Daraa der Aufstand begann. Als Schulkinder „Stürzt das System“ an die Schulmauer pinselten. Und der Sicherheitschef diese Kinder verhaften ließ, sie foltern ließ, ihnen die Fingernägel ausgerissen wurden. Da versammelten wir uns das erste Mal auf der Straße. Und als sie bei dieser Demonstration Menschen erschossen, kamen wir wieder. Aber wir kämpfen nicht nur gegen Assad, sondern auch gegen Interessen der Weltmächte.

Samer
31 Jahre,
Psychologie-Student,
Gebiet: unter
Kontrolle des IS

Wir sitzen hier in einem riesigen Freiluftgefängnis. Meine Freunde und ich stehen unter ständiger Beobachtung, da wir zu den Revolutionären zählen, die das Assad-Regime stürzen wollten. Sobald ich einen Fuß nach draußen setze, gibt es Probleme und ich verstoße gegen irgendein IS-Gesetz. Der falsche Bart, die falsche Frisur, die falsche Kleidung. Wenn eine Frau sich unverschleiert zeigt, stehen darauf 80 Peitschenhiebe und 200 US-Dollar Strafe für den Ehemann. Das Tragen von Röhrenjeans kostet dich einen Monat Knast. Rauchen in der Regel 80 Stockhiebe, es wurden aber auch schon Leute deshalb hingerichtet. Wenn du zu spät zum Gebet erscheinst oder währenddessen auf der Straße gesichtet wirst, gehst du einen Monat ins Gefängnis und wirst danach an die Front geschickt, um Schützengräben und Gräber auszuheben.

Es gibt hier kein Essen und keine Medizin. Der IS hat alle Ärzte und Apotheker vertrieben. Es gibt auch keine Schulen und Universitäten mehr. Die Kinder werden alle Analphabeten bleiben. Alle Internetcafés wurden geschlossen, deshalb gehen wir an versteckten Orten online, die kaum einer kennt. Und es gibt keine Arbeit, wenn du nicht für den IS arbeiten willst. Aber das werde ich niemals tun.

Mitarbeit: Ahmad Aldali

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