Regel statt Hilfe

Bürokratie Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer kämpfen mit Autoritäten und unsinnigen Vorschriften
Ausgabe 44/2015
Viele Helfer, wie hier auf Lesbos, kämpfen gegen die Not - und die Bürokratie
Viele Helfer, wie hier auf Lesbos, kämpfen gegen die Not - und die Bürokratie

Foto: Iakovos Hatzistavrou/AFP/Getty Images

Sie befinden sich auf einem Spießrutenlauf durch Europa. Die Flüchtlinge hangeln sich von Lager zu Lager, immer in der Hoffnung, dass das nächste nicht noch unmenschlicher ist als das vorherige. Es ist allein den Helfern zu verdanken, dass dieser Spießrutenlauf noch nicht hunderte Tote gefordert hat. Sie opfern sich täglich auf in den Transit-Lagern zwischen Lesbos und Passau.

Es ist nicht das Ringen mit rassistischen Böllerwerfern, nicht das Mühen um Integration, was die Helfer vor Ort erleben. Es ist der Kampf gegen Hunger, gegen Krankheit und Kälte. Und es ist der kraftraubende Kampf mit Autoritäten und gegen überflüssige Bürokratie. Zu viele Menschen in Führungspositionen scheinen in einem Gezanke um interne Vormachtstellung das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren: den Flüchtlingen zu helfen.

Dobova, Slowenien: Geflüchtete schlafen unter freiem Himmel an der Außenwand eines riesigen weißen Zeltes. Es sind rund 1.000 Menschen – und es ist ein Zelt, das Platz böte für 1.000 Menschen. Ungeduldige Fragen: „Warum können wir nicht rein, da ist doch niemand drin?“ In die Zelte dürfen nur die, die schon registriert sind. Aber die Registrierung ist seit Stunden gestoppt, weil die Polizisten Pause machen. Es sind Anordnungen, Anordnungen von oben, die nicht zulassen, das Zelt vorher zu öffnen, sagen die Beamten zu einer Helferin. Aber die Leute sterben doch, sie verhungern, erfrieren! Einer zuckt mit den Schultern und sagt bloß: „This is the survival of the fittest.“

Spielfeld, Österreich: Die Menschen frieren draußen vor der Absperrung seit Stunden. Unterkühlte Babys, Kinder mit Pullovern. Ein junger Wehrdienstleistender bittet die Ehrenamtlichen zu helfen. Irgendwie. Im Caritas-Lager liegen Decken, bestimmt genug, um zumindest die Kinder vorübergehend zu wärmen. Aber die Decken bleiben dort. Der Einsatzleiter hat die Ausgabe untersagt: „Die Soldaten haben mit mir zu sprechen, wenn die was wollen. Wenn wir jetzt anfangen, das draußen auszugeben, dann gibt es Tumulte.“ Und wenn die Leute erfrieren? „Da hätten sie früher dran denken sollen, oder sie kommen und stellen sich noch mal an. Aber das wollen sie nicht, sonst verpassen sie ja den Bus!“

Es sind nur zwei Vorfälle aus der vergangenen Woche. Doch die Liste ist lang. Dabei wäre es so viel leichter für die Ehrenamtlichen, könnten sie sich darauf konzentrieren, die Unterkühlten zu versorgen und die Wartenden mit heißer Suppe zu füttern. Ohne Gegenspieler aus der Bürokratie. Ein bisschen mehr Empathie, ein bisschen Weitblick über das eigene Ego hinaus und die Flucht wäre ein wenig menschenwürdiger.

Eines haben Soldaten, Polizisten und die professionellen Helfer gemeinsam. Sie machen ihren Job, weil sie müssen. Bei den Ehrenamtlichen ist die Situation anders. Sie machen ihren Job, weil sie ihn machen möchten. Sie sind letztlich die Einzigen, bei denen wir uns sicher sein können, dass sie das Beste für die Flüchtlinge wollen.

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Geschrieben von

Bartholomäus von Laffert | bartholomäus von laffert

https://www.torial.com/en/bartholomaeus.von-laffert

bartholomäus von laffert

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