Kanzlerinnendämmerung

Sondierungsgespräche Die zähe Regierungsbildung macht nun auch der Zivilgesellschaft deutlich, dass die Kanzlerin ihren Zenit überschritten hat

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Wo ist die Tür?
Wo ist die Tür?

Foto: Adam Berry/Getty Images

Die Kanzlerin offenbarte ihr Ziel kurz nach Schließung der Wahllokale in der Elefantenrunde: Gegen die Union soll keine Regierung gebildet werden können. Zweifellos hat Angela Merkel dieses Ziel erreicht. Mehrheiten im Bundestag sind ohne die Unionsfraktion unmöglich - nicht zuletzt weil mit der AfD eine große Fraktion vertreten ist, die von jedermann gemieden werden möchte. Mit sieben Parteien im Bundestag ist das Parlament auf eine völlig neue Art und Weise zersplittert. Selbst die Große Koalition käme auf grade einmal 53% der Sitze. Groß ist anders. Sollte sich die AfD mittelfristig etablieren, dann werden Dreier-Bündnisse die Regel sein. An der Union kommt damit keiner mehr vorbei.

Die Kehrseite der politischen Taktik

Doch es zeigt sich auch: Angela Merkels Wahlziel hat eine Kehrseite. Mit ihr scheint eine Regierungsbildung fast ebenso schwierig zu sein wie eine Koalition gegen sie. Die gescheiterten Jamaika-Sondierungen und der oberflächliche Unmut der SPD sind Symptome einer Stimmung, die seit der Bundestagswahl im September immer öfter in den Medien rezipiert wird: Angela Merkel hat ihren Zenit überschritten. Die Einlassungen der Kanzlerin kurz nach der Wahl haben auch noch dem letzten Zweifler klargemacht: Unsere Kanzlerin verfolgt keine politisch Vision, sondern möchte nur Kanzlerin bleiben. Es geht nicht darum, wie regiert wird, sondern darum, dass regiert wird. Die Verwaltung des Landes - und nicht das Wohl seiner Bürger - wird zum Selbstzweck.

Ähnlich wie Helmut Kohl im Wahlkampf 1998 kann man der Kanzlerin eine Ignoranz gegenüber veränderten Verhältnissen vorwerfen. Sie hat jedoch das Glück, dass die SPD heutzutage - wie der Politikwissenschaftler Franz Walter schon 2010 schrieb - nur von den Anekdoten der sozialdemokratischen Geschichte lebt. Zu oft werden die politischen Zombies der SPD-Parteigeschichte beschworen als sich um die Gestaltung des Landes im 21. Jahrhunderts bemüht wird. Die Genossen kümmern sich also ebenso wenig um eine politische Zukunftsaussicht wie die Kanzlerin. Hinzu kommt, dass sowohl CDU als auch SPD um die sogenannte Mitte kämpfen. Die Ununterscheidbarkeit ist das Resultat. Dieser Umstand hält sie an der Macht. Nur wer eine Alternative zu bieten hat, kann sich Hoffnungen auf den Wahlerfolg machen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Partei mit dem größten Wahlerfolg den Titel der »Alternative« im Namen trägt - so überkommen und rassistisch diese Alternative auch sein mag.

Eine Frage der Zeit

Dass die Dämmerung ihrer Kanzlerschaft eingetreten ist, dürfte unzweifelhaft sein. Die Frage ist nur, wie lange dieses unselige Ende noch dauern wird. Werden sich die Sozialdemokraten in einer Großen Koalition vier weitere Jahre zugrunde richten? Werden sie das Bündnis nach zwei Jahren platzen lassen? Oder werden sie sich gar in ungewohntem Mut der Regierung verweigen und in der Opposition eine Minderheitsregierung dulden? So oder so: Es ist nur eine Frage der Zeit.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden