links der politischen Bedeutsamkeit

Zerklüftete Landschaften Die außerparlamentarische Linke gleicht einem Potpourri aus Alt-Kommunisten, Ökos, Stalinisten und sogar Satirikern. Kann es da überhaupt politische Einigkeit geben?

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Seit Beginn der Arbeiterbewegung vor über 150 Jahren ist klar, wovon Gelingen oder Scheitern der Bewegung abhängen – Einigkeit. Es ist daher nicht zufällig, dass Marx und Engels den berühmten letzten Satz ihres Manifests als Appell der Einigkeit formulieren. Ein Blick auf die politische Landschaft lässt jedoch vermuten, dass es eben darum – Einigkeit – nicht gut bestellt ist. Es ist schon ein alter Hut, dass sich die beiden parlamentarischen Kräfte, die sich (zumindest nach eigener Aussage) ursprünglich mit der Arbeiterbewegung verbunden sehen - SPD und LINKE - nicht einig werden. Zu weit gehen die außen- und sozialpolitischen Forderungen auseinander und, was nicht unterschätzt werden sollte, zu tief sitzen noch die Kränkungen aus der Gründungszeit der Linkspartei. Jener Zeit, in der die Agenda 2010 die SPD spaltete und die Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) als politische Kraft links der großen Traditionspartei auf den Plan rief. Von den Grünen ist in dieser Topographie der parlamentarischen Linken noch gar nicht die Rede. Muss sie eigentlich auch nicht. Denn wer wollte die Grünen noch der parlamentarischen Linken zurechnen, wenn das letzte grün-linke Urgestein Hans-Christian Ströbele seine parlamentarische Zeit nun hinter sich gebracht hat und seine Nachfolgerin im Kreuzberger Wahlkreis aus den eigenen Reihen als »unwählbar« bezeichnet wird? Längst haben die Grünen die Mär von der Mitte für sich entdeckt. Sucht man linke Einigkeit, dann lohnt vielleicht der Blick hinter die Reichstagskuppel: Wie steht es um Einigkeit in der außerparlamentarischen Linken? Die Antwort: miserabel.

Von Stalinisten bis zu Satirikern

Ein Blick auf die Splittergruppen, die sich unter dem Titel der Partei durch das politische System der Bundesrepublik bewegen, verrät: Hier tummelt sich alles Mögliche! Ein grundlegendes Prinzip der Demokratie, das hier verwirklicht wird: Siehst Du Dich nirgends politisch repräsentiert, dann gründe Deine eigene Partei. Blickt man jedoch einmal etwas genauer hin, dann muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, ob die Gründer dieser Parteien denn jemals überhaupt die Nachrichten geschaut haben. Du bist für das bedingungslose Grundeinkommen? Schön, dann gründe doch das Bündnis Grundeinkommen (BGE) - oder geh halt zu den Piraten... Dir liegt der Tierschutz am Herzen? Ja, für solche ökologischen Themen bräuchte es echt mal eine Partei... Die großen Parteien haben Dir zu wenig Street Credibility? Ja, dann... - na gut, »Die Urbane - die HipHop-Partei« füllt eine wirkliche Nische.

Den bekennend linken Parteien kann man dahingegen nur eines attestieren: heillosen Streit. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) scheint zurzeit mit sich selbst nicht ins Reine zu kommen. Schon 2005 rief die DKP - wie nun auch einer ihrer Regionalverbände - dazu auf, die Linkspartei zu wählen. Der Grund dafür ist einfach: Erstens hat die Partei nicht den Hauch einer Chance in den Bundestag einzuziehen und, zweitens, lassen sich auf den Listen der Linkspartei immer wieder DKP-Funktionäre finden, die mit den Genossen konstruktiv zusammenarbeiten - sehr zum Unmut des orthodoxen Parteiflügels. Die strikten Alt-Kommunisten von Linksaußen sehen die kommunistische Integrität durch die Zusammenarbeit mit einer Partei gefährdet, die sich längst der reformerischen Absicht der Sozialdemokratie ergeben hat. Noch viel spalterischer gibt sich die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD). Die stalinistisch ausgerichtete Partei, der von Politologen sektenähnliche Strukturen vorgeworfen werden, kann seit Jahren Spendeneinnahmen von Einzelpersonen in Millionenhöhe verbuchen. So erklärt sich die Plakatflut der MLPD zur diesjährigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Der Linkspartei hätten die Stalinisten zwischen 2003 und 2005 durch eine Unterwanderung durchaus gefährlich werden können. Nicht wenige WASG-Treffen in der Findungsphase wurden von der MLPD begleitet. Heutzutage ruft die MLPD in ihrem Bundestagswahlprogramm zum Boykott der reform-illusionären Linkspartei auf.

Eine Kleinpartei, deren Ergebnisse sich sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene durchaus sehen lassen können, ist die Partei Mensch Umwelt Tierschutz - die sogenannte Tierschutzliste. Bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl holte sie im Mai fast 60.000 Stimmen und konnte so hinter den ebenfalls nicht im Parlament vertretenen Linken und Piraten den achten Platz belegen. Der Name der Partei täuscht. Im Kern geht es nicht um den Schutz von Tieren, sondern um die Durchsetzung von Tierrechten. Knapp hinter den Tierrechtlern landete bei der NRW-Landtagswahl mit fast 55.000 Stimmen die Satire-Truppe um den Europaparlamentarier Martin Sonneborn - Die PARTEI. Man muss sagen: Die PARTEI hat ihr Ziel erreicht, auch ohne in den Landtag gewählt zu werdem. Für ein »kraftloses« NRW sind sie angetreten und genau dies haben sie bekommen. Aber ob der Preis es wert war? Den PARTEI-Freunden würde es allerdings gar nicht in den Kram passen, im linken Spektrum einsortiert zu werden. Man bezeichnet sich dort lieber provokativ als »Extreme Mitte«. Wenn es aber zum Linkssein gehört progressiv am bestehenden System zu rütteln, dann ist klar, wo Die PARTEI hingehört. Auch daran, wer der politische Gegner ist, lassen sie keinen Zweifel und verschafften sich zuletzt öffentlichkeitswirksam Zugang zu 31 geheimen Facebook-Gruppen der AfD - nur um diese mit einem Schlage zu veröffentlichen.

Chance auf Einigkeit?

Die Rolle der Kleinstpartei ist schizophren. Jedem Mitglied muss klar sein, dass es keine Chance gibt, politisch zu wirken. Gleichzeitig wird man nicht ohne Grund Mitglied einer solchen Partei. Wer etwa in die Tierschutzliste eintritt, tut dies, weil er seine Überzeugung bei den Grünen oder Linken nicht repräsentiert sieht. Die Prinzipientreue steht hier der Möglichkeit im Wege, die eigenen Ziele zumindest ein Stück weit verwirklichen zu können. Es ist immer wieder dieses Muster, das in der außerparlamentarischen Linken zum Tragen kommt: Wenn Du den Kompromiss eingehst, erreichst Du Dein Ziel nicht. Während der parlamentarische DKPler Anschluss zur Linkspartei sucht, wird ihm vom kommunistischen DKPler Verrat vorgeworfen.

Die außerparlamentarische Linke muss sich die Frage stellen, was besser ist: am Unverwirklichbaren festhalten und somit seine volle Integrität wahren oder den politischen Kompromiss suchen und seine Ziele zumindest teilweise verwirklicht sehen. Für Parteien kann diese Frage an Mark und Bein gehen. So sehen wir beispielsweise seit 1998 eine SPD, die seitdem in vier Koalitionen den Kompromiss gesucht hat, um politisch gestalten zu können - mit dem Ergebnis, dass sich die Genossen kaputt regiert haben. Für die Mitglieder von Kleinstparteien stellt dies eine gefährliche Gradwanderung dar. Es ist schlicht und einfach nicht sicher, wieviel Kompromiss zu viel Kompromiss ist. Sicher ist nur: Am 24. September wird nur eine einzige linke Kraft den Weg in den Bundestag schaffen. Wie links diese Kraft sein wird, hängt nicht unwesentlich davon ab, wie groß der Druck durch die außerparlamentarische Linke ist.

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