"Wer wird uns, antirassistische Juden, vertreten?" So lautet die Frage am Ende eines Gastkommentars in der taz, den Armin Langer im vergangenen November verfasst hat und der ihm nun große Probleme bereitet. Er ist ein Hindernis für seine Rabbinerprüfung am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam.
Die rhetorische Frage war an den Zentralrat der Juden gerichtet, genau genommen an dessen Vorsitzenden Josef Schuster. Dieser hatte sich zuvor für eine Obergrenze und Beschränkungen in der deutschen Zuwanderungspolitik ausgesprochen – einhergehend mit der Aussage, viele der Geflüchteten kämen aus patriarchalisch und antisemitisch geprägten Kulturen. Kurz: Antisemitismus sei kein religiöses, sondern ein ethnisches Problem.
Der Student Armin Langer widerspri
Langer widerspricht dem vehement in seinem Text. Darin spricht er nicht nur als politischer Aktivist und Ehrenamtlicher, sondern auch als gläubiger Jude, der seine politischen Standpunkte und moralischen Werte durch die öffentlichen Äußerungen des Zentralrats der Juden diskreditiert und missachtet sieht. Er beschreibt die Position Schusters als eine traurige, von der sich die Juden Deutschlands distanzieren müssten. Sein Vorschlag: Der Zentralrat der Juden solle sich zum Zentralrat der rassistischen Juden umbenennen.Nun wurde er von der Liste der Rabbiner-Anwärter am Abraham-Geiger-Kolleg gestrichen, auf Wunsch des Rektors Walter Homolka persönlich. Damit hatte Langer nicht gerechnet, zumal er noch einen versöhnlichen Brief an Homolka verfasst hatte, in dem er sich für seine Ausdrucksweise entschuldigte. Nun ist Langer entrüstet, die Öffentlichkeit empört."Ich rate Dir unbedingt davon ab."In den sozialen Medien versprechen andere AktivistInnen und Engagierte dem 25-Jährigen ihre Unterstützung. Die Solidaritätswelle ist interkulturell und interreligiös. Auch viele Muslime schreiben durchweg positiv über Langer – nicht ohne Grund. Langer gründete vor knapp drei Jahren die Initiative Salaam-Schalom, die für Minderheitenrechte einsteht und den Dialog zwischen Juden und Muslimen in Deutschland zu forcieren versucht. Er initiierte Aktionen gegen das Kopftuchverbot, verteidigt öffentlich das als No-Go-Area für Juden deklarierte Neukölln. Und er ist der festen Überzeugung, Antisemitismus lasse sich nicht einer bestimmen religiösen oder kulturellen Gruppe zuordnen.Für sein ehrenamtliches Engagement wurde Langer im Sommer 2014 vom Bundespräsidenten Joachim Gauck im Schloss Bellevue geehrt. Seitdem wird dem angehenden Theologen eine breite Masse an medialer Aufmerksamkeit zuteil. Oft gab er Interviews, schrieb auch selber Stellungnahmen zu verschiedenen Anlässen, trat in Podiumsdiskussionen auf. Seine öffentliche Position nutzte Langer zur Festigung des jüdisch-muslimischen Dialoges. Dem Abraham-Geiger-Kolleg ist das jedoch ein Dorn im Auge: Fragen des religiösen Dialoges zwischen Muslimen und Juden seien noch heikler als politische Diskussionen, schrieb Hartmut Bomhoff in einer Mail an Langer. Bomhoff ist zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Kollegs und ist der Meinung, Langer könnte auf Grund seiner klaren Haltung in der Öffentlichkeit und seines interreligiösen Engagements auf bestimmte Positionen festgelegt werden, die auf das Kolleg zurückfallen könnten. Als Bornhoff eine Mail mit einer Interviewanfrage an Langer weiterleitet, schreibt er dazu: "Ich rate Dir unbedingt davon ab."Protest als religiöse PflichtLanger lässt sich durch diesen Druck jedoch nicht verunsichern. Er ist sich seiner Sache sicher, bestärkt von dem solidarischen Rückenwind. Er wusste um das Risiko seiner Worte. Zwar habe er nicht mit einem Rauswurf gerechnet, aber dass der Artikel am Kolleg nicht gut ankommen würde, darüber sei er sich von vornherein im Klaren gewesen.In einer privaten Mail an eine Kollegin schreibt der Kolleg-Rektor Walter Homolka, er sei sicher, Langer werde niemals in irgendeiner Gemeinde eingestellt werden. Zudem hätte er keine Achtung vor Regeln und das würde keinen guten Rabbiner ausmachen. Der Theologie-Student möchte aber eben genau das werden, ein guter Rabbiner. Damit begründet er auch sein Engagement: "Ich möchte ein Rabbiner werden, der auch denjenigen eine Stimme gibt, die keine Privilegien genießen und unterdrückt werden."Inzwischen räumt er ein, dass die Bezeichnung „Zentralrat der rassistischen Juden“ ein Fehler war. Er habe nicht den gesamten Zentralrat als eine Versammlung von Rassisten bezeichnen wollen. Dennoch bereut er den Artikel keineswegs. Im Gegenteil: "Ich musste es aber tun. Protest ist irgendwann keine Option mehr, es wird zur religiösen Pflicht."Auch in Zukunft will sich Armin Langer als Koordinator der Salaam-Schalom Initiative in den politischen und interreligiösen Diskurs einbringen. Und im kommenden Jahr will er sich erneut um die Zulassung zur Rabbinerprüfung bemühen.