Der Unternehmer als Patron

Aufbauwunder Peter Köpf erzählt die Erfolgsgeschichte des Burda-Konzerns

Die Patrons sterben aus. Im globalen Wettstreit um neoliberale Rechtgläubigkeit findet sich immer weniger Platz für eine Unternehmensführung, in der Chefs nicht nur das Sagen haben, sondern auch die Verantwortung. Wer heutzutage ein Großunternehmen führt, ist dafür angestellt, mit dem Effekt, dass er auch bei Misserfolg noch eine satte Abgangsentschädigung abrufen kann. Den eigenen Kopf hält längst niemand mehr hin. Ein Patron wie Franz Burda hätte mit einer solchen Teilung von Macht und Verantwortung nichts anfangen können. Für ihn gehörte das Risiko ebenso mit zum Spiel wie der Elan seiner Untergebenen. Der Patron fordert, und er gibt.

"Hend Sie Begeischterung?" war bei Burda die erste, die zentrale Frage. Wer nicht mit Herzblut für ihn arbeitete, brauchte gar nicht erst antreten. Dafür zeigte er sich kulant in Form von guten Löhnen und guter Vorsorge. Burda kannte seine Mitarbeiter allesamt beim Namen. Bloß mit gewerkschaftlicher Mitbestimmung oder Arbeitszeitverkürzung musste ihm keiner kommen. Darüber gab es nichts zu verhandeln. "Im Gegenzug für sein karitatives Gebaren erwartete der Chef bedingungslose Loyalität", schreibt Peter Köpf in seiner Aufstiegsgeschichte einer Mediendynastie.

Aus diesem Geist entwickelte sich der Burda-Medienkonzern, der heute in dritter Generation einen Milliardenumsatz generiert und nicht nur Zeitschriftentitel verlegt, sondern auch online mitmischen will. Mehr noch: Seit gut zehn Jahren setzt die "Akademie zum Dritten Jahrtausend" Akzente im fächerübergreifenden Diskurs über die (mediale) Zukunft.

Die Anfänge waren bescheiden. Die Druckerei von Franz Burda senior im badischen Offenburg florierte mehr schlecht als recht. Daran hatte der Charakter des Firmengründers wesentlichen Anteil. Er betrieb sein Geschäft vor allem, um privat seinen Spaß zu haben. Doch damit mochte sich sein Sohn Franz II nicht begnügen. Der erkannte schon in jungen Jahren die Zeichen der Zeit und setzte 1927 alles auf das Produkt einer Radioprogrammzeitschrift: Sürag, benannt nach der Süddeutschen Rundfunk AG. Unter seiner resoluten Schriftführung wurde sie bald zum Erfolgstitel und brachte so nicht nur das Druckunternehmen, sondern auch die Mythenmaschine "Burda" in Gang. Köpf räumt ihr breiten Raum ein und lässt viele Zeitzeugen zu Wort kommen, die noch Jahrzehnte später vom Unternehmer Burda schwärmen. Er sei ein "lebender Herrgott" gewesen, wird ein ehemaliger Betriebsratsvorsitzender zitiert.

Köpf demonstriert anschaulich die steile Karriere von Franz Burda, der ab 1933 davon profitierte, dass die Nazis den Rundfunk "zum Ausdruck staatlichen Gemeinschaftslebens" machten, wie er selbst lobend notierte. "Mein Vater wäre möglicherweise 1933 in den Nationalsozialismus reingetaumelt", bemerkt sein Sohn Hubert dazu, "nicht, weil er ein Nazi war, sondern weil er sich als Unternehmer gute Chancen ausgerechnet hat". Seine Frau Aenne scheint ihn vor einem solchen Schritt bewahrt zu haben. Trotzdem florierte das Geschäft, so dass Burda nach Kriegsende 1945 bereit war für den nächsten Sprung. Die Mythenmaschine reinigte ihn von allfälliger Schuld, mit den Worten Golo Manns: "Franz Burda fühlte sich nicht wohl im Dritten Reich." Auch er fühlte sich als Opfer.

Frei von Schuldgefühlen expandierte Burda und ergänzte das Verlagsangebot mit höchst zweifelhaften, die Nazizeit verfälschenden Büchern, in der vor allem der "Mythos Wehrmacht" hochgehalten wurde. Immer wieder fanden auch Altnazis bei Burda eine Anstellung.

Wenn es dem Patriarchen nicht ganz wohl in seiner Haut war, dürfte das mehr mit seiner Frau Aenne zu tun gehabt haben. Burda hatte 1949 seiner langjährigen Geliebten Elfriede Breuer eine Modezeitschrift eingerichtet. Nachdem Aenne Burda davon Wind bekommen hatte, forderte sie die Überschreibung der Zeitschrift auf ihren Namen. Burda willigte ein, denn die Fassade der Wohlanständigkeit galt es um jeden Preis zu wahren. Wohlanständige Mode für die deutsche Hausfrau war auch das Programm, mit dem Aenne Burda ihre Zeitschrift burda moden zum Erfolg führte. Das Rezept behielt Gültigkeit, als Franz Burda 1954 seinen großen Coup landete: die Bunte. Züchtige Farbbilder und gute, anspruchslose Geschichten bildeten den erfolgreichen Mix. Das Haus Burda wurde zur Programmanstalt des deutschen Aufbauwunders, das mit Springer um die Gunst der Leserschaft wetteiferte, doch ohne dessen ideologischen Ehrgeiz. Die Produkte aus dem Haus Burda standen für einen rechtschaffenen Konservatismus, der "das Schöne in der Welt zeigt". Die einzige Störung bestand zwischenzeitlich in der jugendlichen Aufmüpfigkeit des Sohnes Hubert, die sich allerdings bald legte, so dass der Konzern heute unter seiner Führung prosperiert - mittlerweile auch mit Lifestyle, nackter Haut und politischer Meinung wie in Focus.

Köpf schildert die Burda-Familiengeschichte mit kritischer Distanz, auch wenn er sich zuweilen sehr nahe am People-Journalismus der Burda-Produkte bewegt. Detailliert arbeitet er vor allem die innerfamiliäre Dynamik heraus. Als Antrieb erkannte Hubert Burda bei seinem Vater eine "extreme Ich-Entfaltung in Verbindung mit dem Wunsch: ›Liebt mich!‹" Für den Sohn dagegen könnte gelten: Ich bin so gut wie der Vater. Ganz unbescheiden entnimmt er sein Credo aus Goethes Faust: "Im Weiterschreiten find´ er Qual und Glück / Er! Unbefriedigt jeden Augenblick." Allerdings nicht mit dem Leben, nur mit der Auflage und der Reichweite.

Peter Köpf: Die Burdas. Die Aufstiegsgeschichte einer Mediendynastie. Bastei Lübbe Taschenbuch, Bergisch Gladbach 2005, 320 S., 8,90 EUR


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Geschrieben von

Beat Mazenauer

Autor, Literaturkritiker und Netzwerker.

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