Lyrikkolumne: brudergrab, schwesterfern

Spezifische Dichte Unsere Kolumnistin Beate Tröger liebt die Lyrik. Wer Geduld für sie aufbringt, wird belohnt – mit eigenwilligen Stimmen, die im Geschrei von Welt und Netz viel zu oft untergehen
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 10/2023
Das ist kein Twitter-Vogel
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Illustration: Kristina Wedel

„Was von uns nach dem Tod weiterwirkt, ist nicht das, was von uns übrig bleibt, sondern das, was wir verkörpert haben: unser Wesen. Was all die Grabreden, Nachrufe und Erinnerungen dann in den Raum stellen, ist weniger was als wie und wer wir waren. Doch auf welche Weise dieses Wie und Wer, dieses Wesentliche fassen?“ So fragt Raoul Schrott am Beginn seiner Inventur des Sommers,und er fragt auch, wie man Abwesenheit aushält.

Zunächst ist folgende Abwesenheit festzustellen: Michael Braun, der im Februar seinen 65. Geburtstag hätte feiern können, der umtriebigste Lyrikkritiker des Landes, der auch lange für diese Zeitung schrieb, starb am Morgen des 23. Dezember 2022. Er hinterlässt eine nicht zu schließende Lücke, wird intensiv be