„Schnell hin, bevor die Amis kommen: Manche Urlauber aus Europa haben es derzeit sehr eilig, nach Kuba zu reisen, weil sie baldige Veränderungen befürchten. Viele Kubaner dagegen fiebern dem Wandel entgegen.“ Was der Reisejournalist Martin Cyris jüngst feststellte, gilt auch für Iran. Während Iraner im Zuge der Atomgespräche auf eine Liberalisierung hoffen, ist ihr Land fast unbemerkt auch zum Ziel von immer mehr Touristen geworden.
So auch von Cyris’ Kollege Stephan Orth, der mit Couchsurfing im Iran. Meine Reise hinter verschlossene Türen nun einen Travelguide vorgelegt hat, der bereits nach kurzer Zeit in der fünften Auflage erscheint. Es ist ein unverdienter Erfolg. Das Buch ist flapsig geschrieben, mangelhaft recherchiert und ungenügend lektoriert. „Ich mache da Urlaub, wo andere Diktatur machen“, heißt es. Das mag witzig gemeint sein, ist angesichts der Lage der Menschen aber voll daneben. Orth taucht in das Leben junger, gebildeter Iraner ein, die von einem besseren Leben träumen. Damit erzählt er nichts Neues. All dies wurde von Helena Henneken in they would rock besser geschildert. Orth macht zwar auch spannende Entdeckungen, berichtet von einer landesweiten Schmuggelroute für Benzin und begegnet einem Veteranen des Iran-Irak-Kriegs. Doch den Großteil seines „Urlaubs bei den Mullahs“ über sucht er Spaß und schnorrt sich bei Einheimischen durch. Gleichzeitig sorgt er sich, dass zahlungswillige Touristen „die iranische Herzlichkeit zum melodramatischen My-Friend-Gehabe eines Sonnenbrillendealers am Urlaubsstrand verramschen“ könnten.
Der Autor will einerseits mit Klischees aufräumen, hat andererseits aber seinen Karl May im Tornister. So setzt er auf Effekthascherei, etwa wenn ihm junge Iraner von Sadomaso-Spielen erzählen. Hinzu kommt, dass Orth bisweilen keine Ahnung zu haben scheint. Etwa wenn er „Perser“ als Synonym für „Iraner“ benutzt. Oder er verkauft Meinung als Tatsachen, wenn er etwa behauptet, Naser-ad-Din sei der „dümmste Schah aller Zeiten“ gewesen. Der Band geht indes nicht nur auf Orths Kappe. Es liegt auch an jenen Verlagen, die „lustige Taschenbücher“ über Länder vermarkten, in denen Menschen in Unfreiheit leben. Kim und Struppi. Ferien in Nordkorea des Comedy-Autors Christian Eisert ist ein weiteres Beispiel für Bestseller, die in erster Linie auf der Jagd nach Skurrilem sind, denen es an Sensibilität und wirklichem Interesse indes fehlt.
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