Eine andere Adventgeschichte

Jugendglorifizierung Schon wieder höre ich von einer Singlefreundin:

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„Weißt Du, das Singledasein vor 25 Jahren war leichter, alle waren Single und wir hatten die Wahl. Jetzt natürlich ist jeder vernünftige Mann verheiratet und die, die es nicht sind, haben einen Vogel!“ Zufrieden mit ihrer Aussage blickt sie sich am Adventmarkt um, wo die Bestätigung in Form verliebter Pärchen oder graugesichtiger, uninteressanter Nicht-Millionäre herumstehen.

Unwillen macht sich in mir breit. Mit 25? Ich erinnere mich als wäre es gestern! Single, meine zwei besten Freundinnen in Beziehungen mit nichts sagenden Langweilern. Trafen wir einander, durfte ich die meiste Zeit beim Schmusen zusehen, in den raren Bussi-Pausen hat man kurz das Wort an mich gerichtet. Es war die pure Folter.

Die eine ist vor abeitsbedingter Erschöpfung regelmäßig eingeschlafen, ihr Gefährte schloss sich dem an. Die andere hatte ein Prachtexemplar, welches stets intensiv damit beschäftigt war sie zu küssen und zu streicheln, Gesprächsbeitrag Null. Seine Arme allzeit um sie geschlungen nannten wir ihn Oktopus. Mädelsabende, oder gar gemeinsame Urlaube waren nicht mehr möglich.

Um nicht in Einsamkeit zu versinken, habe ich trotzdem immer wieder an diesen Treffen teilgenommen. Es reichten die elenden Wochenenden, an denen die glücklich Verliebten ihrer Zweisamkeit huldigten.

Das öffentliche Freizeitangebot war auf Gruppen, zumindest aber auf Pärchen ausgerichtet. Die wöchentlichen Fitnesscenterbesuche brachten mir eine tolle Kondition, aber keine neuen, unternehmenswilligen Märchenprinzen.

Einmal habe ich mich einer Singlegruppe angeschlossen, die Menschen saßen hauptsächlich in Wohnungen, um Gesellschaftsspielen zu frönen, eine Beschäftigung, die ich schon als Kind unangenehm fand.

Die „zahllosen“ Männer dieser Tage waren in Beziehungen, uninteressant oder unsichtbar. Märchenprinz keiner am Horizont!

Männertechnisch hat sich in 25 Jahren nichts geändert, außer dass die Zahl der Verheirateten gestiegen ist, dafür gibt es die Gruppe der Geschiedenen, die in Jugendjahren nicht existiert hat.

Was sich allerdings verbessert hat, ist das Singledasein. Es gibt ungleich mehr kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die man alleine besuchen kann. Singlewandergruppen, Singlejoggingteams und Singlebörsen kümmern sich explizit um Menschen wie uns. Einpersonenschnellgerichte ergänzen das Familienpizzaangebot im Supermarkt.

Die, jetzt verheirateten Freunde, schmusen nicht mehr ständig und sind zu Wochenendaktivitäten bereit. Anstatt Einheitspunsch und -glühwein gibt es acht Sorten Punsch und diverse Glühweinderivate am Christkindlmarkt. Zu Bratkartoffeln und Maroni gesellen sich Crepes und Krapfen.

Die Winterstiefel und -jacken von heute sind viel wärmer als die von damals. Eine Haube zu tragen modern!

Mein Leben heute ist viel besser als das vor 25 Jahren!

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