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Gefährlicher Single Als sozialeffizienter Wiederholungssingle ist der Freundeskreis bunt durchmischt. Die gemischte Statustruppe garantiert nette Gesellschaft in jeder Lebenslage.

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Um Abende mit schmusenden, verklärt dreinblickenden Freundinnen zu vermeiden nahm ich als Single in den Zwanzigern oft Einladungen zu Dinnerpartys meiner gesetzteren, verheirateten Kollegen an. Abende an schön gedeckten Tischen bei edlem Wein und klugen Gesprächen waren Geistesnahrung und Entspannung pur. Leider schäkerten die anwesenden Herren oft in unpassender Weise mit mir und anstatt ihre Männer zur Räson zu rufen, wurde ich von den dazugehörigen Damen mit Giftblicken bedacht um danach von Männlein und Weiblein ignoriert zu werden. Obwohl gut erzogen und stets konservativ gekleidet, stellte ich anscheinend das Böse dar. Der Dynamik nicht gewachsen, entsagte ich dieser Art der Freizeitgestaltung irgendwann. Einen Gutteil meiner Literaturkenntnisse verdanke ich den leseintensiven Folgemonaten.

Heute, 25 Jahre später und wieder einmal Single, ist alles anders. Selbst zu den Altersfortgeschrittenen gehörend, fühlt man sich wohl in der gemischten Statustruppe.

Freundin Ulli, ihr zynischer, stets schlecht aufgelegter Mann, ein befreundetes Pärchen, ein Singlemann und ich sitzen in einer Weinbar. Ullis Mann, dessen einziger Beitrag zur Unterhaltung sonst gönnerhafte Kritik an seiner Frau ist, strahlt vor guter Laune.

Berühmte Fremdgänger sind das Thema, Ullis Zyniker wendet sich grinsend zu mir und spricht: „Ich versteh das schon, Du wärst mir ja auch eine Sünde wert!“

Mein Herzschlag scheint auszusetzen! Hat er mir wirklich, vor seiner Frau, die neben mir sitzt, Avancen gemacht?

Mit eingefrorenem Lächeln starre ich ihn an, laut und deutlich wiederholt er das eben gesagte. Während die anderen ihre Unterhaltung fortsetzen, versuche einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Mangels Erfolg verlange ich die Rechnung und verabschiede mich. Die halbe Nacht liege ich wach und überlege ob und wie ich reagieren soll.

Ulli pflegt Probleme sofort anzusprechen und hält sich auch mit öffentlicher Kritik an ihren Mann nie zurück. Da sie zu dem Vorfall nichts gesagt hat, findet sie vielleicht nichts dabei? Bin ich überempfindlich?

Die Freundinnen-Telefonate der nächsten Tage verlaufen wie gewohnt, das Thema wird nicht angesprochen. Treffen mit der gleichen Gruppe stehen an: Vernissage, Geburtstagsfest, Lokaleröffnung.

Ich werde begrüßt und den Rest des Abends ignoriert. Die Damen werfen mir kühle Blicke zu, die Herren weichen mir aus.

In 25 Jahren hat sich nichts verändert. Mann benimmt sich daneben, ich werde bestraft! Autsch.

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