Antwort auf die neue Sprache des Virtuellen

Virtuelle Sprache Die poetologische Mode kann immer wieder in eine Avantgarde durchbrechen, die sich aus der Zukunft entwirft und mit der Lyrik sich selbst voraus ist.

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Lieber Şafak,

Dein poetologisches Ansetzen der Zeiten auf Textland ist eine anregende Lektüre. In ihrem Skizzenhaften sprechen einige Fragmente deutlicher zu mir, vielleicht da und dort anders als von Dir intendiert, einige bleiben dunkel. Ich antworte daher ebenso skizzenhaft.

3.

Die poetologische Mode kann immer wieder in eine Avantgarde durchbrechen, die sich aus der Zukunft entwirft und mit der Lyrik sich selbst voraus ist.

Das Virtuelle der Lyrik ist ihr Algorithmus (mein Rechentrichter), durch den sich Zukunft in die Gegenwart hineindrückt. Vielleicht spürt vor allem die Lyrik das Ende der Zukunft, von dem Hölderlin sagt: Viel hat von Morgen an erfahren der Mensch, bald sind wir aber Gesang.

Das Computerenglische, das uns im virtuellen Skript vernetzt, muss sich erst noch in die Zukunft transzendieren.

5.

Möglicherweise verliert das Computerenglische sich im Multilingualen, was anderen Sprachen Zugang verschafft und piktographische Sprachen auftut.

9.

Lyrik wird nicht nur Nische, sondern schafft sich Raum, und in der Zuspitzung ist das bloß ein Bild.

Im Obsoleten liegt die Chance, sich von Funktion (vorläufig) freizumachen und einen Entwurf vorzulegen, der weder vom Flutlicht noch vom Leuchtstrahler erzwungen ist. Potenziell kann dieser Raum ziemlich groß werden und von der Peripherie ins Zentrum drängen.

11.

Lyrik kann dann Metasprache sein, die eben das Erzwungene der gesamtmenschlichen – auch der nicht-begrifflichen – Erfahrung ermisst und womöglich offenbart, wie nah wir dem Computerbewusstsein sind …

12.

… um darüber hinauszugehen.

Herzliche Grüße,

belmonte

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Geschrieben von

belmonte

Autor, lebt in Heidelberg, betreibt den Blog VNICORNIS und ist Co-Sprecher der Autorinnen und Autoren der UNESCO City of Literature Heidelberg.

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