Die AfD entlarven - aber bitte richtig!

Rechtspopulismus Die CDU in Rheinland-Pfalz fordert die argumentative Auseinandersetzung mit der Politik der AfD. Gleichzeitig trägt sie selbst zu deren Märtyrertum bei

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Macht Stimmung von rechts außen: Björn Höcke
Macht Stimmung von rechts außen: Björn Höcke

Bild: Jens Schlueter/Getty Images

Seit geraumer Zeit rotiert der mediale Shitstorm angesichts der Weigerung Malu Dreyers, in einer gemeinsamen Elefantenrunde auch mit Vertreter*innen der AfD aufzutreten, mal wieder quer durch die Republik. Die sozialen Netzwerke und auch vereinzelte Leitartikelschreiber*innen sind sich einig: Man müsse die AfD entzaubern, sich ihr in den Weg stellen und ihre menschenverachtende Propaganda konsequent entlarven. So weit, so gut. Alles richtig. Die Antwort auf die Frage aber, wie eine solche Entlarvung vonstatten gehen soll, bleiben die meisten dieser plötzlich wie aus dem Nichts konvertierten, bürgerlichen Antifaschist*innen schuldig. Besonders grotesk wird der ganze Zirkus, wenn nun ausgerechnet Julia Klöckner, die derzeit mit der Forderung nach Obergrenzen für Geflüchtete durch die Lande zieht und kaum müde wird, antimuslimische Ressentiments zu schüren, für sich in Anspruch nimmt, „die AfD argumentativ zu stellen und zu demaskieren“. Nur wenige haben in den vergangenen Wochen und Monaten mit ihren populistischen Äußerungen mehr Wasser auf die Mühlen der AfD fließen lassen als Klöckner, Seehofer und Co. Wenn sich der Bock selbst zum Gärtner ausruft, darf man sich aber auch nicht wundern, wenn die Ziegen plötzlich den Garten übernehmen.

Tatsache ist: Die AfD konnte sich erst durch die mediale Öffentlichkeit derart im politischen Spektrum etablieren. Ganz gleich, wie oft Lucke, Petry, Höcke und Konsorten die Mär von der „bösen Lügenpresse“ ausgaben - kaum eine Partei war öfter und prominenter in den Talkshows dieser Republik platziert als der Partei gewordene blaubraune Bodensatz der sogenannten Neuen Rechten. Dass das Format des aufgeheizten Polit-Talks als geeignet erscheint, die irrationalen und emotionalen Parolen von rechts zu entkräften, ist mehr als nur fraglich. Wer, wie Höcke und Co., vom „1.000jährigen Deutschland“ schwadroniert oder wie der NRW-Landeschef der AfD, Marcus Pretzell, fordert, Flüchtlinge mit Schusswaffen zu stoppen, um „zu warnen, zu verletzen, oder letztlich auch um zu töten“, gehört nicht in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern ist ein Fall für die Staatsanwaltschaft.

Die AfD muss demaskiert und entlarvt, ihre nationalistischen, chauvinistischen und bisweilen (siehe Höcke) schlichtweg rassistischen Äußerungen müssen als das enttarnt werden, was sie sind: auf Ungleichheit und Ungleichwertigkeit abzielende und menschenverachtende Propaganda. Die ihr zugrundeliegenden Dogmen können und dürfen dabei nicht einfach zur Normalität im politischen Diskurs werden. Sie gehören entkräftet - aber nicht in Talkrunden und Podiumsdiskussionen, so, als gehörten die Vertreterinnen und Vertreter der AfD zum politischen Inventar der parlamentarischen Demokratie. Man wird sich ihnen entgegenstellen müssen - und zwar an den Infoständen und auf den Straßen dieses Landes, bei PEGIDA und den homo-, bi- und transphoben Demonstrationen (wie etwa unlängst in Stuttgart bei der nur scheinbar so harmlos klingenden „Demo für alle“ oder dem frauenverachtenden und reaktionären „Marsch für das Leben“) - ja, überall dort, wo sie gegen jene Minderheiten hetzen, deren Schutz nicht zuletzt eine der wesentlichen Errungenschaft der wehrhaften Demokratie ist. Und – die Frage muss gestattet sein – wo waren eigentlich all jene, die nun eine Demaskierung und Auseinandersetzung mit der AfD fordern, als es in der Vergangenheit darum ging, klare Kante zu zeigen: bei den Aufmärschen der sogenannten Neuen Rechten, deren Parolen gerade von bürgerlicher Seite aus allzuoft unwidersprochen blieben?

Klöckner und die rheinland-pfälzische CDU schaffen mit ihrem Wahlkampfschachzug vor allem eines: Sie brechen den Konsens der demokratischen Parteien gegen Rechtsextreme und tragen dadurch zur Verstetigung von Antidemokratinnen und Antidemokraten in der politischen Landschaft bei. Mehr noch: Sie wiederholen indirekt die AfD-Mär vom „Altparteien-Kartell“, das Einfluss auf die Medienlandschaft zu nehmen versucht, um somit seine scheinbar „illegitime Machtausübung“ zu verfestigen. Die Selbstinszenierung der AfD als Partei von Märtyrerinnen und Märtyrern wider das „politische Establishment“ – sie dürfte durch Klöckners taktisch motivierte Äußerungen neuen Aufwind bekommen. Nichts macht dies deutlicher als die eigene Äußerung der rheinland-pfälzischen CDU-Landesvorsitzenden von einem angeblich seitens SPD und Bündnis90/Die Grünen „inszenierten Regierungstalk“. Damit ist Klöckner wohl näher am Duktus der Neurechten um Gauland, Petry und Höcke als es ihr selbst lieb sein dürfte. Demaskieren müssen wird man folglich nicht nur die antihumanistischen und antidemokratischen Parolen der AfD, sondern auch die wahltaktische Bereitschaft von Teilen der CDU, durch mangelnde Abgrenzung zu deren eigenem Märtyrertum beizutragen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden