Pepe im Amt, Manuel im Exil

Lateinamerika In Honduras wurde Verfassungsbruch auch noch belohnt – in Uruguay bestätigt sich ein Linkstrend, der die Wahlen in Bolivien und Chile nicht unbeeinflusst lassen wird

"Fluss der bunten Vögel“ soll die Urbevölkerung Uru­guays den Wasserlauf an der Grenze zu Argentinien einst getauft haben. Nun scheint ein Präsident in Montevideo der Metapher nahekommen zu wollen. Für eitle Pfaue der Macht eher ungewohnt, beschreibt sich der am 29. November gewählte José „Pepe“ Mujica als „vegetarischen Guerillero“ und „hässlichen Mann mit dem Aussehen eines Gemüsehändlers“. Doch irrt, wer aus legerer Selbstironie auf politische Harmlosigkeit schließt.

Es fällt schwer, klar zu umreißen, mit welchen Positionen genau das Ex-Mitglied der Tupamaros, die einst das Land durch Entführungen und Bomben verändern wollten, die Präsidentschaft übernimmt. Zwar hat „Don Pepe“ seit 2005 bereits der Regierung als Agrarminister gedient, aber weder Unternehmertum noch Mittelschicht vollends von seinen demokratischen Tugenden überzeugt. Misstrauen und Skepsis bleiben Mujica sicher. Was Gründe hat – Uruguays künftiger Staatschef dürfte sich kaum zu neuer Gefolgschaft gegenüber den USA durchringen, sondern mehr ­Gefallen am „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ finden, wie ihn Venezuelas Hugo Chávez verkörpert – das Feindbild für die konservativen Eliten Lateinamerikas schlechthin.

Die mögen es als Genugtuung empfinden, wie sich die ­Putschisten in Honduras gleichfalls am 29. November mit der Wahl des Großagrarier Profirio Lobo zum neuen Präsidenten durchsetzen und konzilianter Toleranz der US-Regierung ­sicher sein konnten. Der rechtmäßige Amtsinhaber Manuel Zelaya muss aus seinem Botschaftsexil ohnmächtig zusehen, wie dreister Verfassungsbruch nicht nur belohnt wird, sondern im Lateinamerika des 21. Jahrhunderts nach wie vor möglich bleibt.

Weder ist die demokratische Wende eines Kontinents unumkehrbar, noch sein sozialer Wandel alternativlos, wenn ­oligarchische Interessen nicht eingedämmt werden. In Honduras funktioniert Politik trotz der neuen Ära wie in alten Zeiten. Auch die Schirmherren dieses „Stilbruchs“ sind die alten. Neu ist allein das resolute Veto aus Lateinamerika gegen der­artige Rückfälle, auch wenn es an diplomatischem Schneid und ökonomischer Macht fehlt, die Obristen von Tegucigalpa in die Schranken zu weisen.

Um so denkwürdiger ist der Triumph des Kandidaten der ­regierenden Frente Amplio in Montevideo. Schon während der Präsidentschaft von Tabaré Vázquez hat es die Mitte-Links-Allianz nicht nur geschafft, soziale Reformen als soziale Normalität zu verankern, sondern sich dafür auch Mehrheiten zu sichern – im Unterschied zum tragischen Reformator Zelaya in Honduras. Dank einer pragmatisch sozialdemokratischen Politik hinterlässt Tabaré Vázquez seinem Nachfolger ein Land mit stabiler Ökonomie, Mindestlöhnen und weniger Armut. Auch wenn die Öffnung Uruguays für mehr Fremdkapital die Frente Amplio nicht begeistert, scheint das Konzept – ein wenig mehr Markt, aber ebenso ein wenig mehr Sozialstaat – durchaus praktikabel. Uruguay bestätigt einen Linkstrend, der die bevorstehenden Wahlen in Bolivien und Chile nicht unbeeinflusst lassen dürfte.


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