Die CDU von der Macht ablösen – oder nicht

Landtagswahlen 2014 In Thüringen und Sachsen sind sich die Grünen nicht einig, ob sie die CDU stabilisieren oder von der Macht ablösen wollen. Am Ende könnten sie außerparlamentarisch sein

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Am vergangenen Wochenende beschloss die sächsische Linkspartei auf einem Parteitag, der am Flughafen Dresden stattfand, einstimmig ihr Programm zur kommenden Landtagswahl, die am 31. August, nur zwei Wochen vor derjenigen in Thüringen stattfindet.

Als der sozialdemokratische SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende, Martin Dulig, twitterte "Bin erstmalig auf einem Landesparteitag der Linken. Bin mal gespannt", kommentierte seine grüne Amtsschwester, Antje Hermenau, lakonisch, ihre Erfahrungen mit einem Linken-Parteitag seien mäßig ("Gähn") und reagierte auf den Hinweis der linken Online-redaktion, man sei ja steigerungsfähig nur mit: "Nice try. But I had my share, thanks". Zuneigung sieht anders aus.

Der Dresdner Flughafen, der wie viele seiner Art, das Schicksal nicht auslastender Flugverbindungen teilt, wird gern für Veranstaltungen genutzt. Nur wenige Tage vorher hatte die sächsische Union am gleichen Ort, im Beisein von Kanzlerin Merkel, eine Zukunftskonferenz durchgeführt.

Ob die Zukunft der sächsischen und Thüringer CDU freilich in der Opposition liegt oder ob sie weiterhin regieren werden, ist derzeit offener als bei vorangegangenen Wahlen. Eine Wechselstimmung im eigentlichen Sinne besteht zwar in beiden Ländern bislang nicht, doch die fast selbstverständliche Zustimmung früherer Jahre ist ebenfalls verschwunden.

Die jüngste Umfrage zur Landtagswahl in Sachsen, durchgeführt vom Institut INSA, taxierte die CDU bei 43% und die vereinigte Opposition aus Linkspartei, SPD und Grünen bei 42%. Die AfD könnte sich mit derzeit 7% Hoffnungen machen, die FDP und die NPD zu beerben.

Der von Infratest-dimap im Auftrag des MDR im März veröffentlichte ThüringenTREND sah die CDU bei 38%, während Linke und SPD gemeinsam 45% und die Grünen 6% erhielten. Die AfD würde momentan 5% erreichen.

Während die sächsische CDU einen Regierungswechsel insbesondere aufgrund der notorisch schwachen SPD, die für ein alternatives Regierungsbündnis die notwendigen Stimmen bislang nicht erbrachte, weniger fürchten muss, sprechen die jüngsten Thüringer Umfrageergebnisse eine eindeutige Sprache: In Erfurt ist nach dem verpatzten Regierungswechsel von 2009 die Ablösung der CDU nach knapp 25 Jahren an der Regierung wahrscheinlich.

Inwieweit die Grünen im Falle einer rechnerischen Mitte-Links-Mehrheit die CDU ablösen oder stattdessen die schwarz-grüne Karte ziehen, ist in beiden Ländern unklar. Die grüne Fraktionsvorsitzende in Sachsen, Antje Hermenau, und - wenn auch zurückhaltender - ihre Thüringer Kollegin Anja Siegesmund, zeigten bislang größere Präferenzen für ein Bündnis mit der Union als mit SPD und Linken.

Die Haltung der Grünen in beiden Ländern zu einem politischen Wechsel jenseits der CDU lässt sich mit den Worten von Frau Hermenau, die bei der Wahl zur Spitzenkandidatin mit 61,8% unerwartet geringe Zustimmung bekam, wie folgt zusammenfassen: „Bei Bündnis 90/Die Grünen weiß man vor der Wahl, was man wählt. (…) Wir wollen die CDU-Regierung ablösen. Aber wir schließen nichts aus.“

Äquidistanz als Schwäche, statt als Stärke

Ist das Bestreben der Grünen, die eigenen Koalitionsoptionen zu erweitern, angesichts der sich abschwächenden Konturen zwischen den politischen Lagern verständlich, könnte die Unentschiedenheit sich im konkreten Fall als Schwäche und nicht als Stärke erweisen.

Auch ohne Lagerwahlkampf geht es bei den beiden mitteldeutschen Landtagswahlen dieses Jahres um die Regierungsperspektive der Union. Die erklärt jeweils in Person der Fraktionsvorsitzenden, Mike Mohring (Thüringen) und Steffen Flath (Sachsen) – beide gehörten ursprünglich zu den Gründern des konservativen Berliner Kreises in der CDU – die Grünen zum potenziellen Regierungspartner und degradieren sie strategisch klug zur christdemokratischen Westentaschenreserve.

Aufgrund ausbleibenden Widerspruchs gegenüber dieser Instrumentalisierung gerät der von Frau Hermenau ebenfalls formulierte Anspruch: „Wir sind kein Anhängsel irgendeiner anderen Partei“ zur Worthülse.

Selbst wenn Frau Siegesmund in einem breit reflektierten schwarz-grünen Doppelinterview der Wochenzeitung DIE ZEIT mit dem CDU-Politiker Mohring kritisch bemerkt: "es geht der CDU vor allem um ihre Regierungsmehrheit" und hinzufügt "nach 24 Jahren CDU-Herrschaft fragen wir uns auch, ob die CDU nicht den Oppositionsschock braucht", setzt sich mangels ausbleibender anderer Signale der Eindruck fest, dass eine Ablösung der CDU mit den Grünen nicht zu erwarten ist.

Nun sprechen auch grüne Spitzenkandidatinnen nicht immer für die ganze Partei und das ZEIT-Interview wurde in den Thüringer Grünen durchaus kritisch bewertet.

Doch gerade weil innerhalb der grünen Anhänger/-innen die Nähe zur CDU trotz aller Bewegung im Parteienspektrum erfahrungsgemäß auf Skepsis stößt und die CDU angesichts der Konkurrenz von rechts in Gestalt der AfD keine Stimme zu verschenken hat, könnte dies zusammengenommen dazu führen, dass die Grünen am Wahlabend das Nachsehen haben und nicht mehr in den beiden Landtagen vertreten wären.

In Thüringen würde dies die Wahrscheinlichkeit einer rot-roten Landesregierung verstärken, in Sachsen hingegen der CDU zur absoluten Mehrheit verhelfen. Wie man es dreht und wendet – die vermeintliche Äquidistanz der Grünen zur politischen Konkurrenz besteht nur in ihrer Selbstwahrnehmung.

Sachsen und Thüringen sind nicht Hessen

Von außen und realistisch betrachtet, ist die Souveränität der Grünen stark begrenzt. Sie können Teil eines politischen Kulturwandels sein, indem die CDU im Südosten die Macht abgibt, oder weiterhin dazu beitragen, dass die Union die Landesentwicklung bestimmt. Dass es den Grünen aus der Position einer 6-Prozent-Partei heraus gelingen könnte, die spezifische Form christdemokratischer Interessenpolitik, die sich in knapp einem Vierteljahrhundert ununterbrochener Regierungspolitik in Verwaltung, Verbänden und Medien eingeschliffen hat, spürbar ändern zu können, ist nicht anzunehmen. Insoweit ist Hessen mit Sachsen und Thüringen nicht zu vergleichen.

Hessen galt lange als ureigene SPD-Domäne und wurde erst unter Roland Koch christdemokratisch. Dort gab es bereits in den 1990er Jahren grüne Regierungspräsidenten in den Regionen und Regierungserfahrungen mit der SPD. All diese Voraussetzungen grüner Regierungspolitik mit der CDU liegen in den mitteldeutschen Ländern nicht vor. In einem Bündnis mit der CDU dürften nach dem Abebben des ersten medialen Interesses eher Spurenelemente grüner Politik zu finden sein als wahrnehmbare Veränderungen.

Das beredte Schweigen der hessischen Grünen nach ihrem Regierungseintritt gegenüber den noch im vergangenen Jahr vehement kritisierten Versäumnissen der CDU-Landesregierung bei der Stilllegung des Atomreaktors in Biblis, die nun zur millionenschweren Belastung des Landeshaushaltes werden, dürfte in dieser Hinsicht ein Lehrstück sein.

Bei einer Ablösung der CDU von der Macht wäre der grüne Gestaltungseinfluss hingegen um ein Vielfaches größer. Die Aufgabe bestünde in diesem Falle darin, gemeinsam mit Linken und SPD dazu beizutragen, einen politischen Kulturwandel durchzusetzen. Dass die dabei bestehenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Politik- und Werteverständnis aufgrund der fehlenden, alles überschattenden Asymmetrie, wie sie bei einem schwarz-grünen Regierungsbündnis herrschen würde, erkennbar wären, würde den beteiligten Parteien nicht zum Nachteil gereichen – im Gegenteil.

Der Autor berät im thüringischen Landtagswahlkampf DIE LINKE.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Benjamin-Immanuel Hoff

Chef der Staatskanzlei @thueringende; Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten. #r2g Twitter: @BenjaminHoff

Benjamin-Immanuel Hoff

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