Heute schon an morgen denken

SARS-2/COVID-19 Die Thüringer Kultur kommt schrittweise aus der Corona-Zwangspause. Notwendig sind wirksame Hilfen, neues Denken und verlässliche Politik, die aufbaut statt zu kürzen.

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Heute schon an morgen denken

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Die hohe Verbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) in Deutschland und im Freistaat Thüringen führte dazu, dass die Kommunen, die Länder und der Bund einschneidende Beschränkungen im öffentlichen Leben verfügen mussten.

Durch diese Maßnahmen wurde der kulturelle Betrieb in der gewohnten Form nahezu vollständig zum Erliegen gebracht. Dies hat die kulturellen Institutionen und ihre Träger, die Beschäftigten in der Kulturwirtschaft, darunter eine große Zahl an Solo-Selbständigen bzw. in prekären Beschäftigungsformen aber auch Vereine und Ehrenamtliche vor Herausforderungen bis hin zu existentiellen Nöten gestellt.

Obwohl unpolitische Politik das Bild der vermeintlich alternativlosen Entscheidungen zu oft strapaziert hat, gerade um finanzielle Einschränkungen des Kultursektors zu legitimieren, waren angesichts der Bedrohung durch den Coronavirus die vorgenommenen drastischen Maßnahmen nötig, damit die Bürgerinnen und Bürger vor der Infektion geschützt werden und eine Überforderung des Gesundheitssystem vermieden wird.

Diese sehr kurzfristig verhängten Maßnahmen- mit tiefer Wirkung auf das soziale und öffentliche Leben- wurden von den Bürgerinnen und Bürgern unseres Freistaates dankenswerterweise mit großer Geduld, mit Solidarität und Gemeinsinn eingehalten. Kulturbetriebe ebenso wie Kulturschaffende haben in dieser Zeit die Kraft und den Wert von Kultur und Kunst unter Beweis gestellt. Sei es durch kulturelle und künstlerische Darbietungen im Netz und den sozialen Netzwerken, kreative Bibliotheken, spontane Balkon-Konzerte oder auch ganz praktisch, indem die Werkstätten von Theatern und Museen als Krisenmanagementdienstleister tätig waren.

Keine Entwarnung beim Pandemiegeschehen

Durch die Beschränkungen des öffentlichen Lebens wurde erreicht, dass die Infektionsgeschwindigkeit in Deutschland insgesamt und auch im Freistaat Thüringen verringert wurde. Es ist zudem gelungen, sehr kurzfristig die Zahl der intensivmedizinischen Betten in den Krankenhäusern zu erhöhen. Dies sind zweifellos gute Nachrichten. Dennoch ist festzuhalten, dass die Epidemie trotz dieser guten Nachrichten bislang nicht ansatzweise überwunden ist:

  • Ein wirksamer Impfstoff liegt nicht vor und es ist trotz aller Bemühungen nicht absehbar, wann ein Impfstoff vorliegen wird.
  • Die bisherigen symptomatischen Infektionen zeigen, dass – auch unter Einbeziehung der von der Infektion Genesenden – nur ein Bruchteil der Bevölkerung infiziert wurde. Eine Information über die Zahl der asymptomatischen Infektionen gibt es bislang nicht.
  • Es gibt bisher keine gesicherten Erkenntnisse, wie lange der Infektionsschutz aufgrund der überstandenen Erkrankung anhält.

Angesichts dessen ist es erforderlich, dass bei allen Maßnahmen zur Lockerung und behutsamen Rücknahme der Beschränkungen des öffentlichen Lebens, die nun entschieden werden, die Kapazitäten im Gesundheitswesen zur Bewältigung der Infektion standhalten. Dies ist der Maßstab, an dem wir uns zu orientieren haben. Erst danach können Kostenkalkulationen der öffentlichen Kulturbetriebe folgen.

Schnelle wirksame Sofortmaßnahmen – fehlende Bundeskulturhilfen

Da private Kulturbetriebe und selbstständige Kulturschaffende anders kalkulieren müssen als institutionell geförderte Zuwendungsempfänger der öffentlichen Hand, war und ist es notwendig, dass Soforthilfen zur Verfügung stehen, um das Überleben der vielfältigen Kulturlandschaft zu sichern. Der Pathos ist nicht übertrieben. Es geht für viele Betriebe und Kulturschaffende um nicht mehr und nicht weniger als das Überleben nach dem Shutdown des kulturellen Lebens.

Bund und Länder wie der Freistaat haben dazu ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf den Weg gebracht:

  • Wirtschaftliche Soforthilfemaßnahmen, insbesondere mit einem Fokus auf Solo-Selbständige, Kleinst- und Kleinbetriebe.
  • Diese Soforthilfemaßnahmen umfassen auch Maßnahmen für gemeinnützige Einrichtungen und Organisationen wie Vereine, Stiftungen und gGmbH’S in Kultur, Bildung, Jugend, Sport, Medien sowie Soziales, die Thüringen in einem eigenen Programm umsetzt,
  • Thüringen hat dabei seinen Rettungsschirm für Unternehmen und gemeinnützige Institutionen auf bis zu 50 Vollzeitbeschäftigte ausgedehnt.
  • Erleichterter Zugang zur Grundsicherung,
  • Änderungen des Mietrechts, um Kündigungen in der Corona-Krise zu verhindern,
  • Eine handhabbare Gutscheinregelung für bereits verkaufte Tickets,
  • Erleichterter Zugang zu Kurzarbeitergeld auch für von der öffentlichen Hand finanzierte kulturelle Institutionen,
  • Großzügige Zuwendungsregelungen für öffentlich geförderte Kulturinstitutionen und Projekte verbunden mit weitgehendem Verzicht auf Rückforderungen.
  • Erleichterter Zugang zur Künstlersozialkasse

Diese Maßnahmen sind richtig und wichtig, weil sie unverzichtbar sind, um die kulturelle Vielfalt in Thüringen zu erhalten. Ebenso berechtigt ist die Kritik, dass manche dieser Instrumente die angestrebte Wirkung nicht erzielen. Solo-Selbständige haben sich erhofft, dass ihnen aus der Wirtschaftssoforthilfe auch Lebenshaltungskosten erstattet werden, wo keine Betriebsausgaben anfallen. Stattdessen sind sie mitunter auf Grundsicherung angewiesen, die jedoch dort nicht wirksam greift, wo Lebens- bzw. Bedarfsgemeinschaften bestehen. Es bestätigen sich die Kritikpunkte, die am Hartz-IV-System seit jeher vorgetragen werden. Überzeugender als diese Instrumente sind Alternativen, zum Beispiel der bedingungslosen Grundsicherung.

Wer die Maßnahmen betrachtet, wird feststellen, dass sowohl das Bundesfinanzministerium als auch das Bundesarbeits- und Sozialministerium sowie das Bundeswirtschaftsministerium sofort für die Kreativ- und Kulturwirtschaft gehandelt haben.

Vergeblich warten die Länder bislang jedoch darauf, dass die Kulturstaatsministerin im Kanzleramt mit eigenen, spezifischen Programmen die Stabilisierungsprogramme der Länder unterstützt.

Jenseits der Soforthilfeprogramme zeichnet sich für alle Länder ab, dass sie weitere umfassende Finanzpakete zur Verfügung stellen müssen, um den Zusammenbruch der kulturellen Infrastruktur, angefangen bei den Theatern, Museen bis hin zu den Institutionen der freien Szene, zu verhindern. Daher hat die Thüringer Landesregierung ein Sondervermögen auf den Weg gebracht, dass in den nächsten Wochen vom Landtag zu entscheidenden ist und die Existenz der kulturellen Institutionen absichern soll.

Der Freistaat kommt damit seinem Anspruch, die kulturelle Vielfalt in Thüringen langfristig zu sicher, nach. Die Bundesregierung stellt Milliarden Euro für die Wirtschaft zur Verfügung, aber ein umfassendes Programm zur Unterstützung von Freier Szene, Soziokultur und anderen Sparten fehlt bisher. Das ist unverständlich und destabilisiert die kulturelle Vielfalt.

Schrittweise Rückkehr aus dem Lockdown des Kulturlandes Thüringen

Ab der nächsten Woche öffnen in Thüringen wieder die öffentlichen Bibliotheken und Archive. Die öffentlichen Bibliotheken, insbesondere in unserem ländlich und kleinstädtisch geprägten Freistaat, haben sich in der Krise als unverzichtbare Orte der kulturellen Daseinsvorsorge bewiesen. Basierend auf den seit Jahren gesammelten Digitalisierungserfahrungen konnten sie im Shutdown weiterhin online Wünsche bedienen. Zudem haben sie findig und kreativ auch diejenigen unterstützt und versorgt, die noch nicht digital erreichbar sind. Gleichwohl ersetzen digitale Formate, zudem bei vielen Einrichtungen auch die Voraussetzungen für eine digitale Teilhabe fehlen, nicht das Authentische eines Originals.

Die Thüringer Landesregierung hat am 15. April 2020 entschieden, unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen bereits beginnend ab dem 27. April 2020 Museen – darin eingeschlossen auch die Gedenkstätten und Erinnerungsorte –, Galerien, Ausstellungshallen sowie Zoos und Botanische Gärten zu öffnen.

In die Freude über diese Entscheidung mischen sich eine Vielzahl von Fragen, die naheliegend sind und einiger Erklärungen bedürfen:

  1. Die genannten Einrichtungen können öffnen, ein Öffnungszwang besteht allerdings nicht. Entscheidend für die Öffnung ist die Fähigkeit der Einrichtungen, die Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlagen zu erfüllen. Vor Ort - in Abstimmung mit den kommunalen Behörden - muss entschieden werden, wie diese Möglichkeit der Öffnung schrittweise umgesetzt wird.
  1. Keine Einrichtung, die sich entscheidet, später zu öffnen, und die öffentliche Zuwendungen erhält, muss einen Nachteil befürchten. Gründlichkeit und Infektionsschutz gehen vor Geschwindigkeit.
  2. Einrichtungen mit geschlossenen Räumen sollen auf die Nutzung des Mund-Nasen-Schutzes konsequent achten. Die entsprechenden Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind anzuwenden.
  3. In den öffentlichen Bibliotheken soll die Möglichkeit der Ausleihe eröffnet werden. Die Lesesäle und Veranstaltungsräume bleiben geschlossen, wenn die Schutzmaßnahmen, wie bspw. Abstandsregelungen und Desinfektion nicht eigenhalten werden können. .
  4. In den Museen, Galerien, Kunstausstellungshallen sowie den Gedenkstätten und Erinnerungsorten bleiben Gruppenbesuche ausgeschlossen. Es sind außerdem Maßnahmen der Zugangsbeschränkungen zu gewährleisten, die denKontaktbeschränkungen und den Regelungen im Handel, angewendet auf die jeweilige Besonderheit, entsprechen. Auch Teilöffnungen sind möglich. Der Thüringer Museumsbund wird, begleitet von der Thüringer Staatskanzlei, die behutsame Wiederöffnung der Museen unterstützen und Handlungsempfehlungen in der kommenden Woche herausgeben.
  5. Die Öffnung der Zoos und Botanischen Gärten bezieht sich auf diejenigen Bereiche, in denen durch die jeweilige Besonderheit keine erhöhte Infektionsgefahr zu befürchten ist. Auch dort sind Maßnahmen der Zugangsbeschränkungen im genannten Sinne zu gewährleisten.

Trotz aller Schwierigkeiten und Umstände wollen wir uns auf den Weg machen, die Öffnung der Museen und anderer Institutionen schrittweise zu ermöglichen, ihre Präsens in der Öffentlichkeit wieder zu erhöhen, sie für Besucher und Besucherinnen mit allen Einschränkungen, die auch für den Handel gelten, zugänglich zu machen und damit wieder Teilhabemöglichkeiten auch im Sinne von kultureller Bildung einzuräumen.

Infektionsschutz bleibt der Entscheidungsmaßstab auch im Kulturbetrieb

Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben sich mit der Bundesregierung darauf verständigt, in einem Rhythmus von zwei Wochen die eingeleiteten Maßnahmen zur Lockerung und schrittweisen Rücknahme der Kontaktbeschränkungen zu überprüfen. Dieser Zeitraum ist nicht willkürlich gewählt. Denn bei einer Inkubationszeit des Virus von ca. 14 Tagen ergibt sich so die Möglichkeit der Überprüfung, ob wünschenswerte Lockerungsmaßnahmen dazu führen, dass die zweite Welle der Infektion beherrschbar bleibt oder nicht. Sollte letzteres der Fall sein, müssen Lockerungen wieder zurückgenommen werden, wo es nötig ist. Die Notwendigkeit entscheidet sich dabei allein an der Wirksamkeit im Hinblick auf die Beherrschbarkeit des Infektionsgeschehens.

Aus diesem Grunde können viele Fragen von Institutionen der Freien Theaterszene, der Musik- und Jugendkunstschulen oder der Volkshochschulen, der freien Orchester, Chöre und vielen anderen mehr derzeit leider noch nicht beantwortet werden. Wir haben in einem Video-Call mit der Kulturszene Thüringens für unsere Bitte um Verständnis viel Zuspruch erhalten, auch wenn die drängenden Probleme klar benannt wurden. Wir sind überzeugt, dass nur mit der seit Beginn der Rot-Rot-Grünen Landesregierung praktizierten Strategie der partizipativen Kulturpolitik diese Krise gemeinsam bewältigt werden kann. Deshalb werden wir unsere Kommunikation noch mehr intensivieren.

Klar ist wiederum bereits heute, dass in den Theatern und Orchestern, mit denen der Freistaat einen Theatervertrag abgeschlossen hat, in der laufenden Spielzeit und bis zum 31. August 2020 kein Spielbetrieb stattfinden kann und wird. Diese Entscheidung ergibt sich aus der Festlegung der Länder und des Bundes, bis zum 31. August 2020 keine Großveranstaltungen durchzuführen.

Festivals, die zu den prägenden Visitenkarten unseres Freistaates gehören und von denen hier beispielhaft nur die Thüringer Bachwochen, das Rudolstadt-Festival und das Festival SonneMondSterne genannt sein sollen, haben aus diesem Grunde bzw. angesichts des Infektionsgeschehens die Durchführung abgesagt.

Die Thüringer Bachwochen, der hiesige Museumsverband und viele andere, hier nur beispielhaft aufzuzählende Akteur*innen haben in der Coronakrise die ganze Bandbreite von Möglichkeiten gezeigt, die die Digitalisierung uns bietet. Dieses Moment müssen wir nutzen und darauf aufbauen. Die Erfahrungen dieses erzwungenen Crashkurses in Digitalisierung und der Nutzung von sozialen Netzwerken über alle Altersgruppen ist eine Chance, die wir uns nicht entgehen lassen dürfen. Positivbeispiele gibt es bereits: Die Stiftung Schloss Friedenstein, die mit Bundeshilfe bis zu 14,8 Mio. EUR für Digitalisierung erhalten hat, will auf diesem Weg Vorreiter sein, aber über Open Source-Instrumente auch eine breite Mitnutzung und -Entwicklung ermöglichen. Weitere Anstrengungen zur Digitalisierung in allen kulturellen Institutionen werden wir im Rahmen der Digitalisierungsstrategie voranbringen.

All diese hier nur beispielhaft aufzuführenden Institutionen und Akteur*innen der unterschiedlichen Sparten unseres Freistaates arbeiten bereits heute an Konzepten, wie Kultur und Kunst künftig organisiert und durchgeführt werden müssen.

Eine schlichte Rückkehr zu gewohnter Normalität vor der Coronakrise wird es wohl nicht geben können. Doch nur weil es anders wird, muss es nicht schlechter werden – im Gegenteil. Damit es besser wird als es war, müssen wir einige Erkenntnisse, die bereits vor der Krise bekannt waren, noch deutlicher betonen. Manche bundesweit bisher vernachlässigte Aufgaben wie die Beschleunigung der Digitalisierung stellen sich viel drängender als bisher.

Kulturschaffende und Kreative – organisiert euch

Die Coronakrise hat die Verletzlichkeit unserer Kultur- und Kreativwirtschaft deutlich gemacht. Nach dieser Krise dürfte niemand mehr leichtfertig die Existenz der Künstlersozialkasse (KSK) in Frage stellen (es sei denn, um sie in eine allgemeine Bürger*innenversicherung für alle aufgehen zu lassen, die die Privaten Krankenkassen und das Sonderversorgungssystem der Beihilfe für die Beamt*innen ersetzt). Gleichzeit darf die durchaus berechtigte Kritik an den Aufnahmekriterien, die viele Kreative derzeit noch außen vor lassen, nicht verschwiegen werden. Die KSK ist das richtige Instrument. Es muss weiterentwickelt werden. Dies konkret anzugehen ist wirkungsvoller als der Vorwurf des Elitarismus, der niemandem nützt und die KSK delegitimiert, was wiederum nur denen nützt, die sie abschaffen wollen.

Es wäre wünschenswert, wenn Kreative im Kultur und Medienbereich den Wert gewerkschaftlicher Organisierung erkennen. Die Gewerkschaft ver.di wiederum muss sich ihres verdienstvollen Erbes der IG Medien erinnern und zum Sprachrohr von Angestellten, aber auch Selbstständigen der Kultur- und Medienszene werden. Sowohl in Arbeitskämpfen gegenüber Kulturbetrieben als auch in der öffentlichen Interessenvertretung der Solo-Selbständigen gegenüber öffentlichen und privaten Auftraggeber*innen. Dazu scheint ver.di derzeit leider noch nicht in der Lage und bleibt deshalb unsichtbar in dieser für die Kreativszene existenziellen Situation.

By the way – eine etwaige Erhöhung des Rundfunkbeitrags für die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunksender wäre angesichts von Fake News in Krisenzeiten ein Investitionsbeitrag sowohl in die Kreativwirtschaft als auch in Objektivität. Zudem profitieren davon auch die Landesmedienanstalten, die in Thüringen u.a. wichtiger finanzieller Partner der Bürgermedienangebote sind.

Kultur stärken und nicht kürzen

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geht in seinem Sondergutachten zur wirtschaftlichen Entwicklung angesichts der Coronakrise von einer Schrumpfung der Wirtschaftsleistung im Umfang von bis zu 5,9 % aus. Aufgrund ausbleibender Steuereinnahmen und deutlich ansteigender Ausgaben für Sozialleistungen sind davon insbesondere die Kommunen als Träger der Kultur betroffen, von denen viele bereits in der Haushaltsnotlage sind oder in sie hineingleiten werden. Die kommunalen Spitzenverbände fordern deshalb einen Schutzschirm.

Nötig ist in diesem Rahmen die klare Verabredung von Kommunen und Ländern, mit Unterstützung des Bundes, die Soforthilfen für Kultur, Kreativwirtschaft und Medien in eine langfristige strukturelle Unterstützung übergehen zu lassen.

Die Thüringer Landesregierung hat dem Landtag ein Sondervermögen vorgeschlagen, welches zunächst rund 25 Mio. EUR zusätzlich für die Kulturszene und zur Sicherung der Medienvielfalt vorsieht. Es erweist sich als Vorteil, dass rot-rot-grün in den vergangenen Jahren die Gehälter für Beschäftigte im Bereich Jugendkultur sowie den kommunalen Kulturlastenausgleich erhöht hat, einen Theater- und Orchestervertrag bis 2024 abgeschlossen und ab 2020 erstmals wieder 5 Mio. EUR Landeszuschüsse für die Musik- und Jugendkunstschulen bereitgestellt hat.

Um die Kulturszene weiter zu stabilisieren, darf jetzt – und gerade in einer Rezession – nicht an der Kultur gespart werden. Welche kraftspendende und sinnstiftende Aufgabe die Kulturszene gerade in Krisenzeiten übernimmt, zeigen uns zahlreiche derzeitige Beispiele. Daher müssen endlich alle Theater und Orchester in den Flächentarif zurückkehren und die Lohnlücke muss geschlossen werden.

Leerstehende Ladenflächen aufgrund von Geschäftsaufgaben müssen Künstlerinnen und Künstlern bzw. Kulturinitiativen entgeltfrei oder zu einer symbolischen Kulturmiete zur Zwischennutzung von den Kommunen übertragen werden. Die Stadtwerke sollten die Energiekosten für diese Objekte übernehmen. In Kombination mit einem Stipendienprogramm sollten so Leerstand in Dörfern, kleinen Gemeinden und Kleinstädten vermieden und Kultur gefördert und angesiedelt werden. In ähnlicher Weise müssen kleine Kinos unterstützt, Verlage und Buchläden abgesichert werden, um die kulturelle Vielfalt zu erhalten.

Kulturgenossenschaften, wie sie in den vergangenen Jahren verschiedentlich in Thüringen entstanden sind, können auf dieser Grundlage langfristige Träger solcher Strukturen werden und die Freiheit von Kunst und Kultur mit dem gemeinwirtschaftlichen Gedanken des Genossenschaftswesens verbinden. Insofern kann aus der Krise tatsächlich eine Gelegenheit werden.

Autor*in: Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff ist seit 2014 u.a. Minister für Kultur und Chef der Staatskanzlei des Freistaates Thüringen. Tina Beer ist seit 2020 Thüringens Staatssekretärin für Kultur.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Benjamin-Immanuel Hoff

Chef der Staatskanzlei @thueringende; Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten. #r2g Twitter: @BenjaminHoff

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