Neue Kürzungen bei Funke-Medien und Du Mont

Printmedien Zwei der größten deutschen Medienkonzerne kündigten neue Restrukturierungen zulasten der Regionalzeitungen an. Die Schieflage der Presselandschaft verstärkt sich dadurch.

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Regionalzeitungen: Mehr davon wäre besser, weniger bedeutete einen großen Verlust
Regionalzeitungen: Mehr davon wäre besser, weniger bedeutete einen großen Verlust

Foto: imago/photothek

"Unserem Unternehmen geht es wieder gut. Umsatz und operatives Ergebnis steigen weiterhin, wir haben eine solide Finanzbasis. Wir haben einen langen Atem."

Diese selbstzufriedene Aussage traf der CEO des Verlagshauses Du Mont Schauburg, Christoph Bauer, noch im vergangenen Jahr. Nur einige Monate später, am 26. Februar 2019, informierte die Fachzeitung »Horizont« darüber, dass innerhalb der Mediengruppe ein internes Verkaufsprospekt erarbeitet würde, mit dem Ziel, die verlagseigenen Regionalzeitungen im Paket zu veräußern. Zu den davon potenziell betroffenen Blättern gehören neben der Traditionszeitung »Kölner Stadtanzeiger«, der ebenfalls in Köln erscheinende »Express«, die »Hamburger Morgenpost«, die »Berliner Zeitung«, der »Berliner Kurier« und die »Mitteldeutsche Zeitung« aus Halle. Der Verlag hat die Meldung bislang nicht bestätigt, vielmehr würde er Gerüchte grundsätzlich nicht kommentieren. Gegenüber Horizont ließ sich der Verlag freilich mit den Worten zitieren, dass unterschiedliche Strategien geprüft würden. "Dies beinhaltet unter anderem auch die mögliche Veräußerung von Teilen des Portfolios der Mediengruppe. Aktuell gibt es weder konkrete Ergebnisse noch Entscheidungen dazu."

Bei Du Mont würden nach einer solchen Veräußerung, die von einigen Beobachtern deshalb als keineswegs gesichert angesehen wird, nur noch zwei Geschäftsfelder verbleiben: Das Marketing mit Beteiligungen an verschiedenen Firmen und die sogenannten Business Informationen mit dem von DuMont erstellten »Bundesanzeiger« und anderen Fachmedien. Der lange Zeit profitable »Bundesanzeiger-Verlag« steht vor wirtschaftlich schwierigeren Zeiten, da das im Verlag erscheinende »Bundesgesetzblatt« aufgrund einer Entscheidung der Bundesregierung bis 2022 nur noch ausschließlich digital erscheinen soll. Zum Hintergrund: Im Bundesgesetzblatt werden alle neue oder geänderte Gesetze, Verordnungen bzw. andere Rechtsakte verkündet und erlangen erst durch die Verkündung Rechtswirksamkeit. Für einen Verlag, der das Monopol auf diese Verkündung hat, ein einträgliches Geschäft. Bereits heute erscheint das Bundesgesetzblatt in gedruckter und elektronischer Form. Sein Charakter garantiert zwar einen ausreichenden Abonnementenstamm, gleichzeitig bedeutet das Ende des Print-Formats auch hier relevante unternehmerische Veränderungen.

Die Aufregung um die Du Mont-Ankündigung ist nicht allein deshalb so groß, weil auch dieser Konzern in den vergangenen Jahren bereits verschiedene Restrukturierungsentscheidungen in Gang gesetzt hatte. Der Eindruck, die sogenannte Printkrise würde in eine neue Phase treten, wurde dadurch verstärkt, dass die Funke-Mediengruppe, mit ihrer Tochter »Mediengruppe Thüringen« nur wenige Tage vorher verkündete, ihre drei ostdeutschen Regionalzeitungen »Thüringer Allgemeine« (TA), »Thüringer Landeszeitung« (TLZ) und »Ostthüringer Zeitung« (OTZ) künftig nur noch digital erscheinen zu lassen. Zusätzlich sollen vakante Stellen im Marketing nicht besetzt werden und befristete Verträge auslaufen. Nachdem der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) über diesen Vorgang berichtete, ließ die Mediengruppe Thüringen durch ihren Geschäftsführer Michael Tallai verlauten, dass auch hier keine abschließende Entscheidung getroffen sei. Ein Gespräch Tallais mit Vertreterinnen und Vertretern der rot-rot-grünen Landesregierung ergab freilich keine weitergehende Sicherheit für die drei Regionalzeitungen mit einer Gesamtauflage von knapp 229.000 Exemplaren (Stand 4. Quartal 2018). Zwar würde sich das Unternehmen in nächster Zukunft darauf konzentrieren, in Feldversuchen die Resonanz auf digitale Angebote im ländlichen Raum zu testen, doch sei mittelfristig, worunter nur wenige Jahre zu verstehen sind, ein Abschied vom bisherigen Printformat zu erwarten.

Restrukturierungen ohne Ende

Im Freistaat hatte man sich mehr Sicherheit vom Funke-Konzern und der Thüringer Mediengruppe versprochen, nachdem vor knapp drei Jahren durch das Unternehmen tiefgreifende Umstrukturierungspläne mit weitreichenden Folgen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für die Thüringer Zeitungslandschaft angekündigt und umgesetzt wurden. Auch damals wurden massive Absatzprobleme und dadurch entstehende hohe Verluste sowie mindestlohnbezogene Mehrausgaben für die nach Unternehmensangaben rund 7.200 Zustellerinnen und Zusteller der Mediengruppe Thüringen für die Änderungen verantwortlich gemacht. Die jährlichen Abführungen der Mediengruppe Thüringen an den Konzern in Höhe von mehr als 20 Mio. EUR waren und sind hingegen kein Thema, obwohl sich diese Abführungen naturgemäß negativ auf das Betriebsergebnis der Mediengruppe auswirken.

Weitere drei Jahre zuvor strich die Funke Mediengruppe bereits in Nordrhein-Westfalen 200 Stellen in der Redaktion und Verwaltung. Auflage und Werbeaufkommen brachen stark ein. „Der starke Wettbewerb, der signifikant einbrechende Anzeigenmarkt und die erodierenden Auflagenzahlen deutscher Tageszeitungen führen auch bei unserer Mediengruppe zu Umsatzrückgängen in Millionenhöhe“, erklärten die drei WAZ-Geschäftsführer Manfred Braun, Christian Nienhaus und Thomas Ziegler damals in einer Mitteilung an die Beschäftigten. Seitdem beliefert ein zentraler Newsdesk am Stammsitz in Essen das Flaggschiff, die »Westdeutsche Allgemeine Zeitung«, die »Neue Rhein/Ruhrzeitung« und die »Westfälische Rundschau«. Auch in der regionalen Berichterstattung kooperieren die Zeitungen der Funke Mediengruppe mittlerweile großflächig untereinander sowie mit regionalen und lokalen Konkurrenten. Inzwischen wurde die Westfälische Rundschau faktisch geschlossen.

Gemäß dem 2016 verkündeten »Zukunftsprogramm« wurden in Thüringen Mantelredaktionen wie auch Anzeigenverkauf jeweils konzentriert. Im Gegenzug sollten zwar die Lokalredaktionen personell verstärkt und Stellen für ein neues Online-Portal geschaffen werden. Dadurch sollte die regionale Vielfalt gesichert und das Profil der Zeitungen geschärft werden. Dem entgegen stand der Abbau von 65 Stellen in der Mantelredaktion. Die Befürchtung, dass langbeschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Mantelredaktion entlassen und dafür in den Lokalredaktionen neue Mitarbeiter/-innen zu schlechteren Konditionen eingestellt werden, wurde seitens der Mediengruppe nicht entkräftet.

Dass nur knapp drei Jahre nach Verlautbarung des Zukunftsprogramms 2016 für die Thüringer Funke-Tageszeitungen deren Ende als Printprodukte im Raum steht, bestätigt die Feststellung von Horst Röper, Medienexperte des FORMATT-Instituts in Dortmund hinsichtlich der Funke-Gruppe: "Stetige Wechsel in den Führungsetagen des Konzerns sind seit Jahren ein prägendes Merkmal. Verbunden mit ihnen waren immer wieder neue Ideen für die Inhalte der Zeitungen und insbesondere für die redaktionelle Struktur. Die Halbwertzeit neuer Konzepte war gering."

Dies sehen wohl auch die Funke-Betriebsräte so, die am 15. Februar 2019 in einer gemeinsamen Erklärung zum neuen »Zukunftsprogramm Funke 2022«, mit dem die Digitalisierung im Unternehmen vorangetrieben werden soll, verlautbarten: "Bei allem Verständnis für den gewachsenen Kostendruck: Eine neue, auf den Leser zugeschnittene, digital orientierte Neuausrichtung unserer Produkte mit einem massiven Stellenabbau – es geht immerhin um mehrere hundert Jobs – zu verknüpfen, halten wir für eine große Fehlentscheidung."

An diversen Standorten sind neben Thüringen auch an anderen Konzernstandorten Maßnahmen angekündigt, die über die bereits in den Vorjahren angekündigten bzw. umgesetzten Restrukturierungen und Kürzungen hinausgehen. Grundsätzlich soll der Anteil der Verwaltungskosten an den Vermarktungserlösen soll reduziert werden. Werden Stellen in den Bereichen Vermarktung, Redaktion und den Druckereien nicht besetzt, Volontärsstellen, die den Nachwuchs sichern sollen, reduziert und bei den Zustellern die Arbeitszeit überprüft. An den Standorten bestehende dezentrale Gesellschaften sollen konzentriert werden. Insgesamt stehen in NRW rund 300 Stellen zur Disposition. Überblicksartig sind nach Aussagen der Funke-Betriebsräte in der gemeinsamen Erklärung folgende Maßnahmen vorgesehen:

- Die bislang an den Funke-Standorten ansässigen Vertriebsabteilungen der Verlage in Hamburg sollen in einer gemeinsamen Gesellschaft zusammengefasst und ein großer Teil der Beschäftigten per Betriebsübergang in die Essener Funke Sales GmbH überführt werden.

- Geprüft wird, alle Funke-Wochenblätter in Hamburg unter einem Dach zusammenzufassen.

- In der Berliner Zentralredaktion sollen 22 Beschäftigte gekündigt, fünf derzeit offene Stellen nicht neu besetzt werden, um auf diesem Wege jährlich 3 Mio. EUR einzusparen. Der Abbau soll vornehmlich die Produktion treffen. Geschlossen werden soll die Abteilung Recherche sowie die Service-Redaktion (Reise, Auto, Immobilien, Karriere). Die Arbeit der Service-Redaktion soll künftig ein externer Dienstleister übernehmen.

- Bei der »Berliner Morgenpost« wurde die Kompakt-Ausgabe eingestellt, das Layout ausgelagert und 24 Beschäftigte sollen gekündigt werden.

- Das Druckzentrum in Essen soll geschlossen werden. Rund 40 Stellen sollen abgebaut, den übrigen der 135 Beschäftigten sollen Stellen im Druckzentrum in Hagen angeboten bekommen.

- Bei der »WAZ« sind der Abbau von 24 Stellen, darunter 14 in der Redaktion und 10 bei der Mediengestaltung vorgesehen. Bei der Westfalenpost weitere 14 Stellen in der Redaktion.

- Die Volontärsausbildung wird auf 23 Stellen halbiert, wobei die nächste Einstellungsrunde im Sommer des laufenden Jahres entfallen soll.

- So wie in Thüringen bereits seit 2016 praktiziert, sollen nun offenbar auch an den Funke-Standorten in Nordrhein-Westfalen die Sekretariate mit 46 Beschäftigten in einem Pool zusammengefasst werden. Von den 26 Geschäftsstellen in NRW sollen nur noch 5 verbleiben.

- Die für die regionale Anzeigenvermarktung zuständige Funke Media Sales NRW GmbH wird stark geschrumpft. Von derzeit 335 Beschäftigten sollen 120 Stellen entfallen und die derzeit 24 Anzeigenstandorten wenigstens halbiert werden.

Aggressiver Wettbewerb - Reduzierte Medienvielfalt

Es liegt auf der Hand, dass diese Maßnahmen und das Ziel, ein führendes Medienhaus der Bundesrepublik zu sein, nicht zusammenpassen. Insoweit ist es sinnvoll, die in Thüringen stattfindenden Veränderungen der Printmedienlandschaft in einen etwas größeren Kontext einzuordnen und gleichzeitig auf Ambivalenzen und Widersprüche hinzuweisen. Diese Veränderungen vollziehen sich, wie die zeitlich nah bei einander liegenden Ankündigungen von Du Mont und Funke zeigen, nicht singulär, sondern sind Ausdruck einer seit längerem stattfindenden grundsätzlichen Umwälzung der Medienlandschaft. Seit nunmehr 20 Jahren sind die Auflagen- und Umsatzzahlen der deutschen Tages- und Publikumspresse rückläufig. Dabei ist die Tagespresse von Fusionen, vermehrter Zulieferung von Zeitungsmänteln, der Zusammenlegung von Redaktionen und der ständigen Diskussion um die richtigen Digitalstrategien geprägt.

Die enormen finanziellen Herausforderungen vor denen die Verlage stehen, spiegeln sich an folgenden Zahlen wider: Verzeichnete der Presseeinzelhandel Deutschlands mit 4,3 Milliarden Verkaufsexemplaren über alle Presseprodukte hinweg den höchsten jemals erzielten Jahresumsatz des Einzelhandels in Höhe von 4,2 Mrd. EUR und wurden statistisch gesehen pro Kopf der Einwohner/-innen 51,24 EUR für Presseerzeugnisse ausgegeben, wurde knapp 20 Jahre später mit 1,55 Milliarden verkauften Exemplaren nur noch ein Jahresumsatz von 2,7 Mrd. EUR erzielt. Die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben beliefen sich statistisch auf 32,70 EUR.

Nur wenige Verlage haben auf die Digitalisierung bislang überzeugend reagieret. In der Bundesrepublik steht der Springer-Verlag weitgehend allein, wenn er inzwischen nach eigenen Angaben mehr als die Hälfte seines Gesamtumsatzes mit digitalen Produkten erzielt. Im Zuge dieses Strategiewechsels trennte sich der Konzerns seit 2014 vom Großteil seiner Publikumspresse. Seit dem vergangenen Jahr ist der Konzern nicht mehr in der Liste der fünf größten Zeitschriftenverlage vertreten, in der er stets unter den ersten vier, später unter den ersten fünf Verlagsgruppen gelistet wurde.

Dagegen haben Konzerne wie Funke unberührt von der Springer-Strategie weiterhin vornehmlich auf Konzentration sowohl der Unternehmenslandschaft als auch unternehmensinterner Gliederung, vorrangig bei den Regionalzeitungen gesetzt. Für den Kauf von Regionalzeitungen, Frauen- und Fernsehzeitschriften vereinbarte die Mediengruppe mit der Axel Springer SE den Preis von 920 Mio. EUR. Die Strategie der Funke Mediengruppe ihre Perspektive in schierer Größe zu suchen und auf weitere Synergiepotenziale zu hoffen, wurde erkauft durch die Reduktion bei Personal und Qualität. So wurde der Blick für die notwendigen Herausforderungen der Digitalisierung verstellt. Und letztlich fehlten dem Konzern die Mittel für die Entwicklung überzeugender digitaler Produkte. Dafür braucht es langfristige Investitionen und einem ebenso langen Atem.

Mit diesem Vorgehen steht Funke nicht allein. Medienkonzentration ist ein prägendes Merkmal der Zeitungslandschaft in Deutschland. Durch Übernahmen und Verdrängung aber auch kartellrechtlich problematische Absprachen nehmen die Verlage und ihre Produkte regional eine marktdominierende Position ein, die selbst dann wenn sie durch das Kartellrecht nicht erfasst und unterbunden werden, einen gesunden Wettbewerb längst ausgeschlossen haben. In dieses Muster gehört die im vergangenen Herbst verhängten Strafzahlung gegenüber Du Mont. Zwischen 2000 und 2016 hatten sich Du Mont und der »Bonner Generalanzeiger« laut Bundeskartellamt auf eine weitgehende Aufteilung ihrer Verbreitungsgebiete in der Region Bonn verständigt. Einem Bericht in Horizont zufolge zogen sich beide Zeitungen "aus bestimmten Gebieten durch eine Ausdünnung der lokalen Berichterstattung und die Umstellung von Boten- auf eine postalische Zustellung weitgehend zurück und überließen damit dem Konkurrenten das Feld. Die Absprachen wurden durch gegenseitige Beteiligungen und die Einräumung eines Vorkaufsrechtes der DuMont-Gruppe an der Gruppe Bonner General-Anzeiger weiter abgesichert."

Zusätzlich fanden in den vergangenen Jahren Verschiebungen relevanter Marktanteile innerhalb der marktdominierenden Medienunternehmen statt. Parallel dazu schrumpfte der Printmedienbereich. Zwischen 2013 und 2015 wurden durch Veränderungen bei der »Frankfurter Rundschau« und der »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, der Münchner »Abendzeitung«, der Einstellung der »Financial Times Deutschland«, Stellenabbau bei Du Mont, bei Funke sowie Gruner+Jahr ein Abbau von mehr als 1.300 Stellen im deutschen Printsektor statt.

Die nicht allein von Funke verfolgte Strategie kleine Mitbewerber zum Aufgeben zu bringen resp. aufzukaufen, Titel zu fusionieren, deren Mantel harmonisiert wird, Zentralredaktionen einzuführen und in Content Desks zu überführen hat nicht nur unternehmensintern sondern auch medienpolitisch Konsequenzen. Die Medienverflechtungen, Eigentumskonzentration sowie die Reduktion regionaler Vielfalt bei notorisch verschlechterten Arbeitsbedingungen für die Journalistinnen und Journalisten haben zu einer Störung des Marktes geführt, die demokratie- und gesellschaftspolitische Defizite verstärkt. Werner A. Meier bringt das Spannungsverhältnis auf den Punkt: „Die Funktion der Presse in der Gesellschaft besteht darin zu informieren, aber ihre Rolle besteht darin, Geld zu machen.“

Umsteuern ist notwendig

In unserer Mediengesellschaft sehen wir zwar immer genauer, wer entscheidet und regiert, aber immer ungenauer, was der oder die scheinbar Regierende eigentlich entscheidet. Im Informationsdschungel einer allseits herrschenden Mediokratie bedeutet Öffentlichkeit keinesfalls automatisch Offenheit. Wer Medien besitzt, kontrolliert daher Politik. Aus diesem Grund bleiben Transparenz und die Beschränkung von vorherrschender Medienmacht von zentraler Bedeutung für ein demokratisches Gemeinwesen. Die im Grundgesetz verankerte Meinungs- und Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Die Medien sollen eigentumsmäßig und inhaltlich vielfältig und pluralistisch sein, eine Vielzahl von Informationsquellen zur Verfügung stellen und die Heterogenität der Gesellschaft widerspiegeln.

Bei allem Verständnis für die ökonomischen Schwierigkeiten vor denen die Medienkonzerne stehen, haben sich die aufeinanderfolgenden Restrukturierungen und Konzentrationen nicht als Problemlösung erwiesen. Im Gegenteil.

Hintergründige, sorgfältige und kritische Berichterstattung sind ein unverzichtbares Instrument journalistischen Selbstverständnisses und die Basis der Wahrnehmung ihrer Funktion als Trägerin der sogenannten 4. Gewalt in der hiesigen freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Weniger Konkurrenz durch Reduktion der Printmedien aber auch der Redakteurslandschaft schaltet gute journalistische Qualität als Anreiz sukzessive aus.

Mehr lokale Berichterstattung, die ihrerseits aus Journalistenpools für diverse regionale Medien genutzt werden und bei denen die Online-Angebote unattraktiv und homogenisiert sind, können journalistische Konkurrenz bei der Information über Landespolitik und Bundespolitik und die Abbildung gesellschaftlicher Meinungsströmungen nicht ausgleichen. Journalismus ist Erklärung und auch Meinung. Dafür bedarf es Zeit, Geld und die erforderliche Unabhängigkeit, um Recherchen leisten zu können - auch investigativ. Dafür bedarf es hochqualifizierte Leute, doch das Berufsbild des Journalismus leidet unter den dramatischen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und den dysfunktionalen Gehalts- und Tarifentwicklungen.

Zeitungen, die zu großen Teilen einer gemeinsamen Feder entspringen, werden diesem Anspruch weniger gerecht werden können, insbesondere dann, wenn sie künftig allein als digitale Produkte erscheinen sollen. Die gesellschaftlichen Folgen der Medienkonzentration gehen folglich weit über ökonomische Tatbestände hinaus. Die Besonderheiten der Medien als sinnstiftende, meinungsbildende und kontrollierende Instanz im gesellschaftlichen wie im privaten Leben hinterlassen tiefergehende Spuren in den Bereichen Politik, Recht, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung und Lebenswelt, Kultur.

In den vergangenen Jahren wurde in unterschiedlichen Studien der Wert regionaler Berichterstattung nachgewiesen und deutlich gemacht, welche negativen Wirkungen die Restrukturierungen der Medienkonzerne zu Lasten der regionalen Berichterstattung inzwischen zeitigten. Wie jüngst Uli Gleich und Hanna Puffer in einer Studie zum Bedürfnis nach regionalen Medieninhalten darlegten, bieten regionale und lokale Medienangebote Orientierung, klären über Misstände auf und geben sowohl Interessengruppen Raum als auch der Partizipation. Gleich/Puffer weisen darauf hin, dass die Ausdünnung der regionalen und lokalen Printangebote nicht nur nachteilig für die publizistische Vielfalt sind, sondern auch für das politische Engagement. Die Daten der Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass lokale und regionale Printmedien bei Analyse und kritischer Hintergrundberichterstattung zunehmend schlechter abschneiden. Dies wird sicherlich auch nicht dadurch verbessert, dass Funke wie oben dargestellt, bei den Bereichen Redaktion, Recherche und den Volontariaten vermehrt kürzen möchte.

Ostdeutsche Selbstermächtigung?!

Wenn die Funke Mediengruppe die bisherigen drei Printprodukte TA, TLZ und OTZ künftig nur noch digital erscheinen lassen und Du Mont die Mitteldeutsche Zeitung möglicherweise veräußern will, stellt sich die Frage, ob die Konsumentinnen und Konsumenten in den betroffenen beiden ostdeutschen Ländern Sachsen-Anhalt und Thüringen diesen erneuten aus dem Westen verordneten Abbau öffentlicher Daseinsvorsorge, in diesem Fall der informationellen Selbstbestimmung hilflos hinnehmen möchte oder nicht.

Nehmen die 229.000 Abonenntinnen und Abonennten der drei Thüringer Funke-Tageszeitungen die Einstellungen als Printprodukte hin oder erinnern sie sich einer auch in Ostdeutschland gelernten unternehmerischen Tradition, beispielsweise der genossenschaftlichen Organisation, und nehmen die Gewährleistung einer Versorgung mit einem täglichen Printprodukt selbst in die Hand. Gerade Funke hätte für diese theoretische Überlegung bei der Übernahme der ehemals »Ostthüringer Nachrichten« ein Vorbild geliefert. Um kartellrechtliche Bedenken beim Einstieg in die Thüringer Medienlandschaft zu zerstreuen, wurde den Beschäftigten der OTN bei der neu geschaffenen OTZ ein neues Arbeitsverhältnis angeboten. Mangels Beschäftigten stellten die OTN ihre Tätigkeit ein.

30 Jahre nach der Wiedervereinigung aus Sachsen-Anhalt und Thüringen heraus zumindest das Gedankenspiel einer auf genossenschaftlichen Basis erscheinenden Tageszeitung, die von jährlichen Abführungen in Höhe von mehr als 20 Mio. EUR entlastet wäre, zu durchdenken, ruft selbstverständlich weitere Fragen auf, wie zum Beispiel neue Modelle von Zustellungsmodellen im ländlichen Raum und deren finanzielle Förderung. Diese Fragen werden derzeit sowohl in Thüringen als auch in Nordrhein-Westfalen erörtert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Benjamin-Immanuel Hoff

Chef der Staatskanzlei @thueringende; Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten. #r2g Twitter: @BenjaminHoff

Benjamin-Immanuel Hoff

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