Trump als Karikatur der Republikaner

US-Primaries Donald Trumps Aufstieg entsetzt die traditionellen Republikaner und verwirrt die Kommentatoren. Doch wie sehr bricht seine Politik wirklich mit der Parteitradition?

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Die Kandidaten der Republikaner: Marco Rubio, Donald Trump, Ted Cruz und John Kasich (v.l.). Steht Trump mit seinen Positionen wirklich weiter rechts als seine Mitbewerber?
Die Kandidaten der Republikaner: Marco Rubio, Donald Trump, Ted Cruz und John Kasich (v.l.). Steht Trump mit seinen Positionen wirklich weiter rechts als seine Mitbewerber?

Foto: Chip Somodevilla/Getty Images

Spätestens seit den Vorwahlen am "Super Tuesday" wirkt Donald Trump als dominanter, kaum noch einzuholender Bewerber der Republikaner um das Amt des amerikanischen Präsidenten. Zwar wurde verschiedentlich nach Fernsehdebatten vermeldet, seine Mitbewerber - noch im Rennen sind Ted Cruz, Marco Rubio und John Kasich - hätten Trumps Schwächen durch Fragen nach Details seiner politischen Vorhaben offenbart. Aber letztlich war die Hoffnung, dass Trump plötzlich am Nachweis mangelnden Faktenwissens scheitern könnte, recht dünn. Nicht eine große politische Qualifikation ist seine Stärke, sondern eine Stilisierung als Anti-Establishment-Politiker, der jenen Weißen, die sich entmachtet und in ihrer Identität angegriffen fühlen, eine Stimme gibt - verbunden mit einer nicht für jeden nachvollziehbaren charismatischen Anziehung.

Diese Positionierung Trumps als Gegensatz zum Establishment geht einher mit rassistischen, ressentimentgetriebenen Charakterisierungen von Latinos und Muslimen und drastischen Forderungen wie der nach dem Einsatz von Folter. Dabei wirken seine rassistischen Klischees zum Teil so absurd, seine Behauptungen (etwa über No-Go-Areas in Großbritannien) so plump, seine Vorhaben so radikal, dass sich selbst Nigel Farrage und Marine Le Pen von ihm distanziert haben. Sein Stil ist durch Persönliche Angriffe und einen flexiblen Umgang mit der Wahrheit und mit früheren eigenen Positionen geprägt.

All diese Punkte entsetzen die traditionelleren Vertreter seiner Partei. Entsprechend wird Trump von Kommentatoren als Bruch mit der Tradition der Republikaner verstanden (vgl. etwa [1]). Und in Deutschland scheint der Eindruck zu bestehen, dass Trump ein Irrer und dementsprechend ein Sieg seiner innerparteilichen Konkurrenten zu wünschen sei. Doch bei genauerem Hinsehen scheint es eher, als habe die Entwicklung des republikanischen Mainstreams das Phänomen Trump unwillentlich vorbereitet. Er wirkt weniger wie ein krasser Gegensatz zu den Republikanern als eher wie ihre Karikatur.

Das wird deutlich, wenn man ihn den Vertretern des Partei-Establishments gegenüberstellt. Etwa beim politischen Stil. Donald Trump ist durch verächtlich machende Angriffe auf seine Mitbewerber hervorgetreten. Senator Jeb Bush, der sich nach der Vorwahl von South Carolina am 20.2. aus dem Rennen zurückzog, kritisierte in seinem Abschiedsstatement Trumps Stil recht direkt: er hoffe, es werde jemand gewählt, der als "servant", nicht als "master" regiere, und es komme auf Ideen und konkrete Politik an, "despite what you might have heard". Manch ein Kommentator sieht dabei diesen "Bush-style" als Politik der Vergangenheit und vermutet, dass Trump die Zukunft Trump gehöre ([1]). Doch diese Empörung Bushs ist insofern deplatziert, als Attacken insbesondere seit der Präsidentschaft von Jeb Bushs Bruder George W. Bush Teil der amerikanischen Politik sind. Neal Gabler beschrieb diesen Stil 2004 in der Los Angeles Times als radikalen Wandel und stellte fest, dass die Bushregierung unter Einfluss von Bushs Berater Karl Rove die eigenen Freunde großzügig belohnte, aber jeden Abweichler schikanierte und jedes Infragestellen als Verrat verstand. Dieser führte als Präsident einen Stil ein, der selbst im eigenen Lager jedes Hinterfragen der eigenen Position als Feindschaft ansah und im Umgang mit politischen Gegnern auf zugespitzte Konfrontation ausgelegt war.

Das Erschaffen der eigenen Realität


Auch Trumps loser Umgang mit der Wahrheit und mit eigenen Positionen finden ihre Entsprechung in G.W. Bushs Präsidentschaft. Karl Rove erklärte etwa einem verdutzten Journalisten, die Zeit der "reality-based community" sei vorbei und als "Empire" würden die Republikaner aus dem Regierungslager nun ihre eigene Realität erschaffen. Während schon immer zum guten Ton amerikanischer Politik gehörte, an die Unterstützung Gottes zu appellieren, war es George W. Bush, der die Einstellung absoluter Überzeugung und festen Glaubens (an sich selbst und die göttliche Mission) zum Stil und Maßstab der Politik machte und das, was allgemein als Wissensstand angesehen wurde - etwa über den Irak vor dem Angriff - als weitgehend irrelevant ansah ([2]). Die Vertreter der heutigen republikanischen Konservativen, wie etwa Ted Cruz, ordnen ihre Politik und ihre Darstellung und Wahrnehmung der Realität ebenso ihren Vorstellungen unter - etwa durch Ablehnung klimawissenschaftlicher Erkenntnisse. Trump mag es hier an einer klaren Linie mangeln, aber er setzt das Erschaffen - oder Umdefinieren - der Realität fort. Es ist unklar, warum die Verschwörungstheorien über die Klimapolitik, die bei Teilen der Republikaner ein Gemeinplatz sind, weniger absurd sein sollten als Trumps Engagement in der Bewegung, die wiederholt die Veröffentlichung von Barack Obamas Geburtsurkunde forderte, weil dieser als angeblich gebürtiger Kenianer kein Recht auf die amerikanische Präsidentschaft habe. Dass Trumps Umgang mit der Realität weniger systematisch, weniger ideologie- oder parteiinteressengetrieben ist als die der traditionelleren Republikaner, macht ihn flexibel - er kann es sich auch erlauben, anzuprangern, dass die Bush-Regierung mit Falschdarstellungen und Übertreibungen den Irak-Krieg motiviert hat. Trump hat dabei nichts zu verlieren.

In der Wirtschaftspolitik priorisieren Trumps Mitbewerber libertäre Vorstellungen gegenüber Realismus; ihre Steuersenkungspläne und die dazugehörigen Wirtschaftsprognosen wirken interessengetrieben. Passenderweise karikiert der Milliardär Trump die Empfindung, die republikanische Politik sei von "Big Business" getrieben, indem er diesen Einfluss als Kronzeuge benennt. Wenn Trump sich als Unternehmer den Politikern gegenüber stellt, weist er darauf hin, dass er sich früher selbst mit Wahlkampfspenden Gehör bei Politikern verschafft hat. Frühere Spenden an Hillary Clinton, die ihm als Ausdruck zu geringer ideologischer Reinheit vorgehalten werden, sind für ihn weitere Zeichen der Käuflichkeit von Politikern; er selbst sei in diesem Sinne kein Politiker und damit auch nicht käuflich. Und tatsächlich haben etwa die einflussreichen Koch-Brüder erklärt, einen Kandidaten Trump mit ihrem Netzwerk reicher Spender nicht zu unterstützen ([3]). Trump also setzt darauf, dass die Wähler statt eines klandestinen Einflusses der Wirtschaftslobbies lieber ihn, den Unternehmer-Politiker wählen möchten. Die Wirkung der Brandrede des letzten republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney gegen Trump wird insofern verpufft sein; Romney repräsentiert den Einfluss von "Big Money" im Vor-Trump-Stil der Politik. (Im letzten Wahlkampf wies etwa das MAD-Magazine durch ein satirisches Quiz auf die Ähnlichkeit von Romneys Aussagen mit denen von Mr. Burns aus der Serie "Die Simpsons" hin.)


Trumps Beliebtheit erklärt sich dadurch, dass er sich zum Sprachrohr bestimmter Wähler macht, die sich selbst als machtlos empfinden. Obwohl konservativ-christliche Medien den nicht sonderlich religiösen Trump ablehnen - der zur Homoehe und anderen Bürgerrechtsthemen vergleichsweise liberale Positionen hat - übertrifft er auch bei evangelikalen Wählern klar die Mitbewerber. Auch deren Wahlentscheidung wird Umfragen zufolge von der selbst empfundenden Machtlosigkeit in der Politik bestimmt - auch wenn, oder womöglich weil die Stimme, die Trump ihnen verleiht, rassistische Pseudo-Wahrheiten ausspricht ([3]). Bei Trumps Positionierung als Anti-Politiker kann selbst der Mangel politischer Detailkenntnis, mit dem seine Gegner ihn stellen wollen, womöglich als Stärke wirken - als Nachweis, außerhalb der üblichen Politik zu stehen. Doch die Positionierung gegen das Polit-Establishment Washingtons ist auch eine konsequente Fortsetzung des jahrelangen Kampfs der Republikaner gegen die vermeintlich machtgierige Bundesregierung. Und schließlich ist selbst Trumps Forderung nach dem Einsatz von Folter gegen Terroristen eine Fortsetzung der Waterboarding-Rechtfertigungen der Bush-Republikaner.

Trumps Positionen stehen - sofern man das bei jemandem sagen kann, der seine Positionen regelmäßig ändert - nicht unbedingt rechts von denen seiner Bewerber; vielmehr kann das von Politikbereich zu Politikbereich unterschiedlich sein. Ted Cruz und Marco Rubio, die noch als einigermaßen aussichtsreiche Mitbewerber gehandelt werden, stellen keine angenehme Alternative dar. Trump wird von dem republikanischen Establishment, das sie repräsentieren, unter anderem deshalb als unerwünschter Eindringling betrachtet, weil er ideologisch so schwer einzuordnen ist. Das gilt für Cruz und Rubio nicht.

Die konservativen Mitbewerber


Cruz wird von der Tea Party unterstützt (die hierzulande ein wenig aus der Wahrnehmung verschwunden ist). Er vertritt von traditionell-christlichen Werten geprägte Politik. Während seiner politischen Aktivität in Texas sah er sich selbst als konservativer "thorn in the side of the Republican establishment" ([4]). Dazu gehört nicht nur seine Positionierung zu Themen wie Abtreibung und Homosexuellen-Gleichstellung; er verbreitet auch Verschwörungstheorien zur Klimawissenschaft ("[At] the end of the day, it's not complicated. This is liberal politicians who want government power." [5]). Cruz nutzte das Amt des Generalstaatsanwalts von Texas politisch und zur eigenen Positionierung. Sein Verhalten vor Gericht lässt nicht auf einen kompromissbereiten, diplomatischen Präsidenten Ted Cruz hoffen. Der Fall, auf den er am stolzesten ist ([6]), ist Medellín v. Texas. Darin wehrte Cruz als Vertreter von Texas das Eingreifen der Bush-Regierung in die texanische Entscheidung ab, durch die der Mexikaner José Ernesto Medellín zum Tode verurteilt worden war - die US-Regierung wollte internationales Recht durchsetzen, nach dem Medellín auf die Möglichkeit mexikanischen Rechtsbeistands hätte hingewiesen werden müssen. In einem anderen Fall, mit dem Cruz zu tun hatte, war jemand nach Diebstahl eines Taschenrechners zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil fälschlicherweise eine Wiederholungstäterregelung angewendet worden war. Cruz als Generalstaatsanwalt versuchte, eine Revision abzuwehren - dies kann als typisch für sein krasses Hardlinertum als Jurist angesehen werden ([7]).

Marco Rubio ist Cruz in mehreren Dimensionen sehr ähnlich. Auch in Rubios Positionen finden sich seine religiösen Überzeugungen und ein starker Konservatismus wieder. Er stellt sich gegen Klimapolitik, Waffenkontrolle und liberale Abtreibungsgesetze und er möchte die Legalisierung der Homoehe rückgängig machen. Anders als Cruz und Trump ist er ein profilierter Falke in der Außenpolitik. Nach eigener Aussage würde er das Abkommen mit dem Iran und die Normalisierung der Beziehungen zu Kuba rückgängig machen. Er würde Truppen nach Syrien schicken und es dabei mit Assad und dem Islamischen Staat gleichzeitig aufnehmen. Und er droht, mehr Terroristen nach Guantánamo zu schicken ([8]). Prominente Neokonservative unterstützen deshalb am ehesten Rubio und nicht Trump, der sich gegen ein allzu starkes militärisches Engagement der USA wendet ([9]), auch wenn Trump nach den Terroranschlägen in Paris im November 2015 gedroht hatte, "to bomb the hell out of IS".

Um Trump also als "rechter" als seine Gegner zu bezeichnen, erscheinen die Politikthemen, um die sich der Wahlkampf dreht, zu multidimensional. Cruz' und Rubios Positionen sind konsistent und damit vorhersehbar; Trumps Positionen folgen Bauchgefühl und Ressentiment. Eine kompromissbereite und an der Realität orientierte Politik-Alternative stellen die Kandidaten des konservativen Lagers der Republikaner nicht dar. Doch wenn sie es täten, würde das ihre Wahlchancen in den Primaries wohl nicht erhöhen. Obwohl im amerikanischen Politsystem mit seinen sehr offenen Parteien und der Personenzentrierung so etwas wie eine Parteispaltung derzeit irrelevant ist, existieren Gerüchte, die Parteifunktionäre der Republikaner könnten das Ergebnis der Primaries umgehen; doch diese Gerüchte scheinen sich langsam aufzulösen. Und auch für Rubio, Cruz und den recht abgeschlagenen John Kasich steht die politische Priorität fest. Konsequenterweise erklärten auf Nachfrage beim Fernsehduell alle vier der noch antretenden Kandidaten - inklusive Trump selbst - den letztlich aufgestellten republikanischen Kandidaten unterstützen zu wollen, wer auch immer es wird.

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