der Freitag: Frau Reda, wem haben Sie nach dem gestrigen EUGH-Urteil zu „Safe Harbor“ mehr gedankt: Dem Kläger Max Schrems oder Edward Snowden?
Ich glaube, dass die Enthüllungen durch Edward Snowden die Grundlage für das bilden, was der EUGH entschieden hat. Es geht nicht darum, dass amerikanische Unternehmen aufgrund ihrer eigenen Praxis in die Pflicht genommen werden. Der EUGH hat entschieden, dass Datenschutz mit einem Pauschalzugriff von Geheimdiensten oder anderen Behörden auf Datenströme nicht vereinbar ist.
Nun kritisieren Sie die EU-Kommission, sie sei zu spät aktiv geworden. Immerhin hatte das EU-Parlament im März 2014 die Aussetzung von „Safe Harbor“ gefordert, solange die Massenüberwachung der US-Geheimdienste fortgef
geworden. Immerhin hatte das EU-Parlament im März 2014 die Aussetzung von „Safe Harbor“ gefordert, solange die Massenüberwachung der US-Geheimdienste fortgeführt wird. Was hätte die Kommission tun sollen?Die Geheimdienstüberwachung ist kein rein amerikanisches Problem. Einerseits ist es wichtig, bei einer Neuverhandlung von „Safe Harbor“ mehr Druck zu machen und nicht zu erlauben, dass die Abmachung von nationalen Gesetzen konterkariert werden kann. Denn genau das hat bislang den Zugriff von US-Geheimdiensten ermöglicht. Gleichzeitig hätte die EU-Kommission viel entschiedener gegen genau die gleichen Überwachungstätigkeiten innerhalb Europas, beispielsweise des GCHQ, vorgehen müssen. Den Menschen ist es letztlich egal, ob ein amerikanischer oder ein europäischer Geheimdienst Zugriff auf ihre Daten hat.Es ging bei dem Urteil um das EU-Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten. Hat es jetzt auch Folgen für die Überwachung in Europa?Der EUGH hat darüber geurteilt, wonach er gefragt wurde - und das war Safe Harbor. Wenn man das Urteil aber konsequent auf die Praxis europäischer Geheimdienste anwendet, verstößt auch die anlasslose Überwachung in Europa gegen das EU-Grundrecht. Das ist kein Konflikt zwischen Europa auf der einen und den USA auf der anderen Seite. Wenn die Geheimdienste ihre Informationen weiter untereinander austauschen, haben wir es mit einer staatlichen Massenüberwachung zu tun, die auf beiden Seiten des Atlantiks gleichermaßen stattfindet. Insofern finde ich es wichtig, dass die EU-Kommission auch Konsequenzen für die Praxis der Geheimdienste innerhalb der EU zieht.Solange das nicht geschieht hat das Urteil also nur eine symbolische Wirkung?Ich halte das Urteil für wichtig, weil es auch die Unternehmen ökonomisch spüren lässt, welche negativen Folgen die Überwachung durch die NSA hat. Es werden nicht nur Grundrechte verletzt, es ändert sich auch die Art, wie die Unternehmen globalen Handel betreiben können. Vielleicht macht das einen größeren Eindruck auf die Unternehmen, dort einzulenken. Ich hoffe, dass sie jetzt entsprechenden Druck auf ihre Regierungen machen, solche pauschalen Speicherpflichten abzuschaffen beziehungsweise gar nicht erst einzuführen. In Deutschland wird ja auch über eine neue Vorratsdatenspeicherung diskutiert. Wenn die anlasslose Überwachung nur in den USA unterbunden wird, haben wir davon auch nichts.Glauben Sie, dass sich die EU-Staaten darauf einigen werden, diese Überwachungspraktiken abzuschaffen?Ich denke, es wird weiterhin Widerstand gegen solche Regelungen geben. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir bei den Verhandlungen um ein neues „Safe Harbor“ Fortschritte machen. Die Snowden-Enthüllungen haben da Druck gemacht, denn auch ein großer Teil der Wirtschaft verlässt sich auf freie Datenströme. Und das geht nur so lange gut, wie die Menschen den Internetdiensten auch vertrauen. Dieses Vertrauen ist grundlegend erschüttert - davon werden auch die Staatschefs früher oder später Kenntnis nehmen müssen.Max Schrems hattte gegen Facebook geklagt. Doch der Konzern behauptet nun, er sei gar nicht von dem Urteil betroffen, weil von den Nutzern Genehmigungen eingeholt wurden, um Daten in die USA zu übertragen.Deshalb ist es wichtig, dass wir ein neues „Safe Harbor“ verabschieden. Viele der Einwilligungen, die im Moment zu Datenverarbeitungen getroffen werden, sind relativ oberflächlich. Oft hat man als Nutzer kaum eine andere Wahl, als sich durch die Einwilligungen durchzuklicken, weil sie relativ schwer zu verstehen sind. Ich denke, dass es sinnvoll ist, dass ein neues Abkommen verhandelt wird, das wieder Grundregeln einführt, die von allen Unternehmen befolgt werden. Das wird aber nicht möglich sein, solange die NSA sich darüber hinwegsetzen kann.Sie glauben also, dass die USA an ihrer Überwachungspraxis durch Programme wie PRISM nach dem Urteil etwas ändern werden?Es kommt jetzt sehr darauf an, wie die Unternehmen und die Regierung der USA reagieren. Es ist ja nicht die Schuld des EUGH, dass die Massenüberwachung, zu der US-Unternehmen durch PRISM verpflichtet werden, unvereinbar mit den Datenschutzstandards der EU ist. Insofern hoffe ich, dass die US-Regierung hier einlenkt und feststellt, dass diese Praxis auch den einheimischen Unternehmen letztlich schadet.