Die Kollegen sollten sich "der historischen Verantwortung stellen". Das fordert Frank Überall vom Deutschen Journalisten Verband (DJV). Nachdem er am Montag als DJV-Vorsitzender gewählt wurde, forderte er die Aufklärung von Verstrickungen zwischen der Stasi und den Medien in West und Ost.
Zuerst will Überall damit bei dem eigenen Verband anfangen. Zwar habe man immer wieder die DDR-Vergangenheit in den eigenen Reihen teilweise aufgearbeitet. "Wir werden aber heute noch von neuen Fällen überrascht", so Überall. Im September trat der Vorstand des DJV Sachsen-Anhalt zurück, weil drei Vorstandsmitglieder angeblich für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS, ugs. "Stasi") gearbeitet haben sollen. Auch der amtierende Vorsitzende des DJV Berlin wird verdächtigt, für die Stasi gearbeitet zu haben.
Überall wünscht sich von den Kollegen, dass sich "jeder dazu klar bekennt", welche Rolle er in einer möglichen Zusammenarbeit mit dem MfS gespielt hat. Wer in der deutschen Medienszene aktiv ist, solle "transparent mit dem eigenen Lebenslauf umgehen".
Den Lebenslauf seines Ministeriums transparenter zu machen entschloss sich Anfang des Jahres Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Er beauftragte eine Gruppe von Historikern vom Institut für Zeitgeschichte Berlin-München und dem Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam, zur Nazi-Vergangenheit der Innenministerien in Ost- und Westdeutschland zu forschen. Am Mittwoch wurde der Abschlussbericht der Historikerkommission vorgestellt.
Trotz - oder gerade wegen? - der großen zeitlichen Distanz hat die Kommission Brisantes - oder längst Bekanntes? - ans Licht gebracht. In den Innenministerien in Ost und West waren jahrelang deutlich mehr Ex-NSDAP-Mitglieder beschäftigt, als bislang angenommen: In Westdeutschland seien zeitweise zwei Drittel der Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums (BMI) frühere Mitglieder der NSDAP gewesen. Mit immerhin rund 15 Prozent lag demnach auch in der DDR der Anteil von ehemaligen Parteigenossen Adolf Hitlers höher als angenommen.
Rund ein Viertel der BMI-Beschäftigten war zuvor im braunen Reichsinnenministerium tätig. Ihr Anteil sank bis 1961 auf rund 10 Prozent.
Die sogenannte "Entnazifierung" war damals in sämtlichen Bereichen völlig gescheitert. "Wie hätte das Land denn wieder aufgebaut werden können, ohne die übergroße Mehrheit ehemaliger Hitler-Unterstützer und -Sympatisanten?" Diese rhetorische Frage galt als Maxime in der Politik wie in vielen anderen Bereichen: in der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Presse, der Medizin, beim Militär oder im Rechtssystem. Die juristische Aufklärung fand kaum ernsthaft statt, viele personelle Kontinuitäten aus dem NS-Regime waren feststellbar.
Hans Globke zum Beispiel, der als Jurist die rassistischen und antijüdischen Nürnberger Gesetze kommentiert hatte und bis 1945 im Reichsinnenministerium arbeitete, war ab 1953 Staatssekretär unter Konrad Adenauer (CDU). Trotz heftiger Kritik blieb Globke bis 1963 "die rechte Hand" des Bundeskanzlers. Für kurze Zeit wurde 1962 Wolfgang Fränkel Generalbundesanwalt. Ihm wurde daraufhin vorgeworfen, als Anwalt während des Zweiten Weltkriegs wegen Bagatellen die Todesstrafe gefordert zu haben. Wenig später war Fränkel nicht mehr Generalbundesanwalt.
Diktaturen werfen Schatten, schwarze und graue. Der DJV-Vorsitzende Überall warnte davor, in Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen. Ihm geht es, in Bezug auf die DDR, zunächst darum, das dortige Mediensystem und die Verstrickungen zwischen Medien und Stasi zu verstehen. Zu verstehen, welche Zwänge herrschten. Wenn ein 14-Jähriger aus Karrieregründen eine Erklärung zur Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) unterzeichnet hätte, sei das ein Graubereich. Man müsse genau gucken, inwiefern die Person anderen Menschen tatsächlich das Leben schwer gemacht habe oder nicht.
Falls die Verfehlungen nicht so dramatisch gewesen seien, könne man ja auch zu dem Schluss kommen, dass die Personen weiter als glaubwürdige Journalisten arbeiten könnten. Denn, so Überall, darum gehe es beim Journalismus: "Wenn wir glaubwürdige Einordnungen liefern wollen, müssen wir auch selbst glaubwürdig sein." Es sei problematisch, wenn Verstrickungen nicht offensiv transparent gemacht würden. Denn dann könnten sich "regelrechte Netzwerke von Ehemaligen ausbilden, die sich gegenseitig schützen und unterstützen".
Von Medien wie der Tageszeitung junge Welt ist bekannt, dass hochrangige Mitarbeiter wie der Chefredakteur früher für die Stasi und die DDR spionierten. DJV-Vorsitzender Überall sagte, er würde unheimlich gerne in die Rosenholz-Datei gucken, in der Stasi-Aktivitäten im Westen dokumentiert wurden. Überall glaubt, dass es, auch in West-Deutschland, "viel mehr ehemalige Stasi-Spitzel gibt, als wir uns das heute vorstellen können". Die Leser sollten wissen dürfen, mit wem sie es zu tun haben, wiederholte Überall seinen Aufruf an die Journalisten im Land, ihre Stasi-Vergangenheit aufzudecken.
Zunächst will der DJV-Vorstand sich mit der Stasi-Unterlagenbehörde austauschen, wie und gemeinsam mit welchen Organisationen die Aufarbeitungen derartiger Verstrickungen ablaufen sollen. Diese Arbeit werde noch viele Jahre dauern, so Überall. Bleibt zu hoffen, dass die Aufklärung nicht noch 44 Jahre dauert - bis dann auch der Mauerfall 70 Jahre zurückläge.
Kommentare 23
Da es im Verständnis vieler Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg im Kalten Krieg niemals zwei deutsche Staaten gab, sondern nur kampfstark parteilich erprobte "Gänsefüsschen Zonen Faszinosa" Gegenöffentlichkeit im Osten wie Westen, namens "DDR", "BRD" gab, kann doch im eigentlichen Sinne von geheimdienstlicher Verstrickung der Einen wie Anderen keine Rede sein?
Wird es da für den Rechtsstaat nicht schwer, außer unliebsamer Gegenöffentlichkeit auch noch im deutsch- deutschen Gemengegelage geheimdienstliche Verstrickung bis hin zu Landesverrat zu identifizieren?, wo doch sowohl SED/PDS/Die Linke, DIE GRÜNEN, als auch SPD, CDU, CSU, FDP ihre eigenen "Geheimdienste" hatten bzw. noch haben?
Was ist denn prinzipiell daran falsch, dass ehemalige NSDAP Mitglieder in der Verwaltung saßen? In der DDR war doch auch jeder, der durfte, in der Partei.
Wenn man, prinzipiell, Nazis in der Verwaltung möchte, ist daran wohl, prinzipiell, nichts falsch.
@zelotti: Prinzipiell: welch eine Anmaßung Stalins und er Roten Armee, auf polnischem und deutschen Territorium gegen die Nazis zu kämpfen!.....
Sind Sie auch einer der Nazis (oder dessen Kindeskind), die in der BRD sofort in Amt und Würden kamen?
Mir ist dieser Einheitstopf "Deutsche Diktaturen" sehr sehr suspekt. Ich wittere da schnell eine merkwürdige Verharmlosung der einen und eine Dämonisierung der anderen.
Das verstehe ich. Bloß: Wir haben 2015. Und wenn über Kontinuitäten nach Diktaturen geschrieben wird, geht es erstmal nicht um Vergleiche oder gar Dämonisierungen verschiedener Diktaturen. Sondern um die Kontinuitäten verschiedener Diktaturen und deren Auswirkungen auf Nachfolge-Systeme. Und da sehe ich in Bezug auf das Ausmaß von Unrecht und staatlicher Überwachung in der DDR auch Verharmlosungen. Und, ja: Zum Teil wird hier auch übertrieben oder gar dämonisiert. Deshalb ist Überalls Ansatz so richtig, zunächst verstehen zu wollen und über systemische Zwänge und individuelle Situationen aufzuklären.
Aber im Gegensatz zu den meisten, toten NS-Verbrechern leben heute noch Hunderte, vielleicht Tausende ehemalige Mitarbeiter des MfS. Ihre Taten werfe ich selbstverständlich nicht in einen Einheitstopf. Doch eine genauere Aufklärung der Stasi-Verstrickungen täte nicht nur dem Journalismus sehr gut. Gerade in Zeiten postdemokratischer Geheimdienst-Überwachung in so vielen westlichen Nationen.
Gestern gab es dazu eine Dokumentation auf der ARD.
Es ware nicht allzuviele Vertreter des MfS, die sich da äußerten. Und - halten zu Gnaden- die meisten ziemliche Würstchen. Die sind in der Wirtschaft zugange oder in Pension. Was soll von denen denn noch ausgehen.
Davon abgesehen sind die ja auch noch ein bisschen organisiert. (Isor) Noch immer verstehen sie sich als links, aber halt linkskonservativ.
Man konnte oder könnte auch mit denen diskutieren, aber das gelingt natürlich nicht in einem Klima, in dem man das Gefühl haben muss, die Stasi-Debatte lenkt bloß ab von den Skandalen der Gegenwart . Der Zugang zu den Akten ist doch offen.
Auch gestern wieder: Immer die gleichen "ungeklärten" Fälle, wie die Sache mit Dommaschk in Jena.
Ich habe zwar ein paar Erklärungen betreffend der Intensität und nicht enden wollenden Verfolgung von Stasiverquickungen, was ich aber nicht akzeptieren kann, ist eine westdeutsche "Erhebung der Guten und Gerechten", die ständig zum Jagen getragen werden mussten, wenn es um die nicht vergleichbaren Verbrechen der Naziverantwortlichen ging.
Unvergesslich der Spruch von Adenauer: "verlangte schon bald nach Inkrafttreten des Grundgesetzes, "Schluss mit dieser Nazi-Riecherei" zu machen.""
Aufklärung im Jahr 2015 tut weiterhin Not.
DDR-Antifaschismus vs. Kapitalfaschismus.
Der ehemalige Präsident des Obersten Gerichts der antifaschistischen und antiimperialistischen DDR Günter Sarge:
"Es wird ein völlig verzerrtes Bild des Geheimdienstes der DDR gekennzeichnet. Deshalb ist es angebracht und legitim, nach den Wurzeln der deutschen Geheimdienste nach dem Zweiten Weltkrieg zu forschen. Die BRD und die DDR wurden auf Befehl der Besatzungsmächte gegründet. Alles andere zu diesem Akt ist pure Augenwischerei. Auch die Geburtsurkunden der deutschen Geheimdienste lagen in Washington oder Moskau. Nur die deutschen Akteure konnten verschiedener nicht sein. Die Organisation Gehlen, der spätere BND, war ein Nazi-Verein mit Leuten schlimmster Verstrickung. Das MfS war eine Truppe der anderen Seite, der Verfolgten, der gestandenen Antifaschisten." Vgl. Dr. Günter Sarge in Rotfuchs, Julie/August 2006.
Weitere Informationen: Ein Blick zurück.
Im November 1995 erhielt der Berliner Lehrer für Fachpraxis, Reinhold Schramm, Berufsverbot wegen seiner Tätigkeit für das MfS. Reinhold Schramm erinnert sich
http://www.trend.infopartisan.net/trd1115/t011115.html
soviel präzision muß sein:....der von stalin n i c h t un-abhängigen anti-faschisten.oder?
Meine Antwort.
Die Befreiung der europäischen Völker vom deutschen Faschismus und Imperialismus war vor allem auch ein Ergebnis der werktätigen Arbeit und entbehrungsreichen Lebensbedingungen und Bemühungen aller sowjetischen Völker und ihrer unvollkommenen Roten Befreiungsarmee. Dabei können Persönlichkeiten (wie "Stalin") Geschichte beeinflussen, aber nicht entscheidend bestimmen. [Merke: Nur in der feudalen und bürgerlichen Geschichtsschreibung, so aber nicht in der marxistischen, machen und bestimmen Persönlichkeiten Geschichte.]
So war auch die zeitweilige historische Existenz der DDR vor allem ein Ergebnis der Niederlage des deutschen Kapitalfaschismus und Imperialismus (in einem Teil) des vormaligen Deutschlands und Europas.
Der gesellschaftlichen Minderheit von Antifaschist_innen und Kommunist_innen, Sozialist_innen und Christ_innen, ist es in den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges (1945) und nach der Gründung der (antifaschistischen) Deutschen Demokratischen Republik (1949) nicht gelungen, die ostdeutsche Mehrheit der werktätigen Bevölkerung, einschließlich der Mehrheit der ostdeutschen Arbeiterklasse, von ihrer humanistischen Zielsetzung [dauerhaft] zu überzeugen.
Die gesellschaftspolitische [und ökonomische] Verweigerung der werktätigen Mehrheit, ebenso der DDR-AK, am Aufbau einer (neuen) antikapitalistischen, antiimperialistischen und humanistischen Gesellschaftsordnung, prägte die Existenz der DDR bis zum Ende, bis zur ideologischen, politischen und ökonomischen Implosion des (weltweiten) Realsozialismus.
Die ostdeutsche Niederlage [auch 1953, aber auch 1961] 1988/1989/1990, ist auch der Verweigerung der großen Mehrheit der gesamtdeutschen Bevölkerung am antifaschistischen Kampf nach 1933 und vor 1945 geschuldet. ----
Der westdeutschen Bevölkerung blieb diese Entscheidung, einer abschließenden Auseinandersetzung mit dem Kapital-Faschismus vorläufig noch erspart, nicht zuletzt wegen der raschen ökonomischen Entwicklung [sog. "Kalter Krieg"] vor und nach der Gründung der BRD (1949) und der beschleunigten Teilhabe breiter Bevölkerungsteile [westliche Entscheidung des 'Abs'-Finanz- und Monopolkapitals: 'US'-Administration und Monopolbourgeoisie] an der Konsumtion und allgemeinen Wohlstandsentwicklung.*
* [Die Persönlichkeitsprägungen und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen in den 1967/68er und 1970er Jahren, betreffen nur eine (kleine) Minderheit in der westdeutschen und westberliner Bevölkerung. Die große Mehrheit der (damaligen) Jugend war daran kaum bewusst und aktiv beteiligt.]
Abschließend: Sollten sich in der (weiteren) ökonomischen und sozialen EU-Krisen- und militärischen NATO-Konflikt- und Kriegsentwicklung, die Lebensbedingungen für eine Mehrheit der (vor allem werktätigen) Bevölkerung deutlich und/oder dramatisch, so auch in Deutschland und EU, nach unten entwickeln, dann kommt es, -- nicht nur in Westdeutschland --, zu einer ernsthaften Systemfrage -- für das spätbürgerlich-kapitalistische Gesellschaftssystem . Dabei wäre, nach der heutigen allgemeinen Bewusstseinslage der Bevölkerung, ein neuer modifizierter Kapitalfaschismus nicht ausgeschlossen.
[-- unvollständig.]
zum merken angetreten,aber unwillig. möchte mir nicht vorstellen,daß friedrich und karl solche kleinigkeiten unter den tisch hätten fallen lassen wie: stalins mitschuld an der unvollkommenheit der roten armee, seine ignoranz den infos von sorge gegenüber, die mithilfe der arbeiter in den alliierten ländern,die die konvois PQ mit wehrhaftem der roten armee haben zukommen lassen. warum der antifaschismus nicht geschichtsmächtig wurde ..davon später..
Zu "Denkzone 8".
Unter den Tisch wird nichts fallen gelassen. Nur wir können die Kommentarzeilen nicht endlos ausdehnen. Gruß R. Schramm.
In einem totalitären Staat ist jeder irgendwie mit dabei.
Aus Sicht der Nachgeborenen ist das alles anders. Nach 45 ging es dch gar nicht anders, weder in Ost noch in West, und es ist recht gut gelaufen. Ich halte Grauheit für wichtig.
> In einem totalitären Staat ist jeder irgendwie mit dabei.
Was zu diesem Märchen,das Sie da produzieren, Tucholsky gesagt hätte,als er 1930 schrieb? :
Daß sie ein Grab dir graben,
dass sie mit Fürstengeld
das Land verwildert haben,
dass Stadt um Stadt verfällt ...
Sie wollen den Bürgerkrieg entfachen –
(das sollten die Kommunisten mal machen!)
dass der Nazi dir einen Totenkranz flicht –:
Deutschland, siehst du das nicht –?
…dass der Nazi dein Todesurteil spricht –:
Deutschland, fühlst du das nicht –?
http://www.textlog.de/tucholsky-deutschland-1930.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Münchener_Post
Pathetischer Quark. In einer totalitären Diktatur gibt es kein Außen mehr - außer man bekennt sich offen als Feind und "wählt" den Freitod wie Tucholsky.
Gerade las ich nochmals ihren ersten Kommentar ("was ist denn prinzipiell daran falsch,dass NSDAP-Mitglieder in der Verwaltung saßen") und frage mich,warum ich überhaupt antworte..
Ihre Resolutheit ändert, auch 100 mal wiederholt, nichts daran, dass (von menschen herbeigeführte) Diktatur ungleich Naturgewalt ist (und auch niemals sein darf). Seit wann bgeschränkt sich Nicht-Dabeisein auf den Freitod?
Wie sollte man denn "Unbelastete" überhaupt finden? Welche Jugendliche waren denn nicht in der HJ? In einem totalitären Staat, unter den Bedingungen einer Diktatur muss jeder sich irgendeine Uniform anziehen. Das war in der DDR ja (natürlich nicht vergleibar aber prinzipiell) nicht viel anders wie man den Leuten ins Stammbuch schreiben muss, die sich darüber echauffieren., dass Merkel bei der FDJ war.
Die NSDAP hatte rund 7,5 Millionen Mitglieder! Im alten Reichsgebiet gab es etwa 69 Millionen Einwohner. Nun gab es aber noch zig andere gleichgeschaltete Massenorganisationen. Irgendwo war jeder Bürger Mitglied.
„Irgendwo war jeder Bürger Mitglied.“
Ja, z. B. im schon 1925 vor der Machtübernahme von Nationalsozialisten gegründeten Reichsbund der Kinderreichen (RDK), welcher dann dem Rassenpolitischen Amt der NSDAP angeschlossen war. Der RdK propagierte die "biologische Erneuerung unseres Volkes", so der Titel einer programmatischen Schrift des Reichsleiters. Ebenso der Reichsbund deutscher Familien (RDF).
Wenn wir dann an die Nomenklatura denken: Medien, Verwaltung, usw. dann gibt es auch bei uns recht wenig Parteilose. Ich denke, die Kritik an Menschen, weil sie in der Partei waren, die kommt nicht von Zeitgenossen, sondern von nachfolgenden Generationen. Entscheidend ist dann nicht mehr die Mitgliedschaft, sondern irgendwas anderes. Und bei der SED, es spricht ja keiner bei uns über SED-Mitgliedschaft, nur über STASI-Spitzeltätigkeit, ei für wen die wohl gespitzelt haben...
Es geht mir nicht darum, hier irgendjemanden "reinzuwaschen". Falls der Eindruck entstand, haben Sie mich missverstanden.
Worauf ich hinaus wollte (erster Kommentar), war, dass die BRD-Einrichtungen, und Kanzlersessel, von überzeugten Nazis besetzt waren. Das waren nicht Leute, die,salopp gesagt,Schiss um ihren Hintern hatten, sondern "an die Sache" glaubten.
Genau aus diesem Grund ist Ihr Verweis auf Merkel und die FDJ sachlich irreführend. Man kann die FDJ/DDR kritisieren, aber Merkels Worte und Taten als Bundeskanzlerin einer neoliberal völlig entfesselten Bundesregierung haben damit so viel zu tun wie die Kommune 1 mit Adenauer. Oder glauben Sie ernsthaft, eine Partei wie die CDU/CSU würde eine Kommunistin an ihre Spitze wählen? Daran bestand doch zu keinem Zeitpunkt irgendein Zweifel.
Alles in allem denke ich, dass der Verlauf der unmittelbaren Nachkriegssituation ein Versagen der internationalen Politik darstellt (und damit einen Grund für die fehlende Aufarbeitung).
SED Kader waren meistens auch ehemalige Nazis. Zwar haben die Besatzer nach dem Krieg eine Reihe von ehemaligen Nazis in Lagern umgebracht, aber auch das SED-Regime musste irgendwie die Leute integrieren und brauchte geeignete Menschen. Angela Merkel war jedenfalls eine regimekonforme Frau, weshalb sie studieren durfte. Am Ende muss man dann sagen gibt es eben kaum jemanden mit Hochschulbildung, der nicht "dabei war".
Was das "an die Sache" glaubten angeht, da sollte man doch die menschliche Lernfähigkeit nicht unterschätzen.
Was das "an die Sache" glaubten angeht, da sollte man doch die menschliche Lernfähigkeit nicht unterschätzen.
Das ist, im Hinblick auf die braune Geschichte der BRD, bestenfalls naiv.
Der Nazi wurde, wo es in der BRD geschah, mit offenen Armen empfangen. Natürlich nicht in der Presse,aber was ändert das daran, dass jemand wie Adenauer Bundeskanzler wurde?
"Ich weiß schon längst, dass die Soldaten der Waffen-SS anständige Leute waren. Aber solange wir nicht die Souveränität besitzen, geben die Sieger in dieser Frage allein den Ausschlag, so dass wir keine Handhabe besitzen, eine Rehabilitierung zu verlangen... Machen Sie einmal den Leuten deutlich, dass die Waffen-SS keine Juden erschossen hat, sondern als hervorragende Soldaten von den Sowjets gefürchtet war..."