Oops, wir haben jetzt einen Imperialismus

Die Buchmacher Die Studie von Michael Hudson über die Entstehung der dominanten Stellung der USA in der globalen Finanzpolitik liegt endlich auf Deutsch vor
Ausgabe 47/2017
Das Fundament für die finanzpolitische US-Dominanz wurde zwischen den 1950er und 1970er gelegt
Das Fundament für die finanzpolitische US-Dominanz wurde zwischen den 1950er und 1970er gelegt

Foto: Spencer Platt/Getty Images

Dass die USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Weltwirtschaft dominieren, ist wahrlich keine Neuigkeit. Dennoch lohnt die Lektüre der detailreichen historischen Studie Finanzimperialismus. Die USA und ihre Strategie des globalen Kapitalismus des Ökonomen und Wall-Street-Beraters Michael Hudson, die nun erstmals auf Deutsch vorliegt. Denn weitaus weniger bekannt ist, wie die finanzpolitische US-Dominanz zwischen den 1950er und 1970er Jahren etabliert wurde. Hudsons Klassiker mag selbst historisch sein – die erste englischsprachige Auflage erschien schon 1972. Doch der darin geschilderte finanzielle Imperialismus und seine Mechanismen bestehen und wirken bis in die Gegenwart. Zentral dafür war die Installation des Bretton-Woods-Systems nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Goldstandard, dessen mächtigste Währung der US-Dollar war, und dem Verzicht auf die Rückzahlung hoher Schulden des besiegten Deutschlands. Letzteres, weil US-Diplomaten aus den Folgen der hohen Reparationsforderungen nach dem Ersten Weltkrieg gelernt hatte, die nicht zuletzt zur Weltwirtschaftskrise von 1929 geführt hatten.

Elemente des Bretton-Woods-Systems bestehen bis heute, etwa die Kreditvergabe über den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank, in denen allein US-Vertreter ein Vetorecht hatten und bis heute Politik im Sinne der USA gestalten. Aber besonders spannend ist Hudsons Analyse, wenn es um das Ende des Herzstücks von Bretton-Woods, der Goldpreisbindung des Dollars, geht. Diese stellte aus damaliger Sicht eine Niederlage der USA dar, aber eine, die sich bald in ihr Gegenteil verkehrte. Aufgrund des Zahlungsbilanzdefizits der USA, das hauptsächlich durch hohe Militärausgaben entstand, flossen große Summen an Dollars ins Ausland. Die dortigen Zentralbanken kauften damit wiederum US-Staatsanleihen. Damit finanzierten ausländische Staaten das US-Defizit. Ironischerweise hatte der Rest der Welt ein Interesse am Kauf der Anleihen, um die Währungskurse stabil zu halten.

Vor diesem Dilemma stünden europäische und asiatische Zentralbanken bis heute, schreibt Hudson. Dabei hätten die US-Strategen die Errichtung dieses imperialistischen Systems zunächst gar nicht intendiert. Tatsächlich war es Hudson selbst, der nach der erstmaligen Veröffentlichung seiner Studie vom Pentagon und dem Weißen Haus beauftragt wurde, den Mechanismus zu erforschen und zu erklären. Gleichwohl: Als die Politik ihn verstanden hatte, verteidigte Washington diese extraktive Finanzpolitik vehement.

So reagierten beispielsweise US-Diplomaten Anfang der 1970er Jahre gewitzt auf die Ankündigung mehrerer Golfstaaten, ihre Erdölpreise drastisch zu erhöhen. Sie verkündeten, diese könnten den Ölpreis so hoch ansetzen, wie sie wollten. Allerdings würden die USA es als kriegerischen Akt ansehen, wenn sie die Einnahmen aus den Ölexporten „nicht in Vermögenswerten anlegen, die in US-Dollar denominiert waren“, wie Hudson seinerzeit selbst bei einer Sitzung im Weißen Haus erfuhr.

Bislang habe es kaum Versuche gegeben, sich aus diesem Klammergriff des US-dominierten globalen Finanzsystems zu befreien, kritisiert Hudson. Wie einst bei den Schuldnern aus der „dritten Welt“ und post-sowjetischen Ländern versuchten die USA derzeit sehr erfolgreich, südeuropäische Länder zum Ausverkauf ihres Staatseigentums und zur Austerität zu zwingen. Eben diese Schuldabhängigkeiten kritisch zu beleuchten, dazu lädt Hudsons hintergründiges Buch ein.

Info

Finanzimperialismus Michael Hudson Stephan Gebauer, Thorsten Schmidt (Übers.), Klett-Cotta 2017, 478 S., 27 €

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Geschrieben von

Ben Mendelson

freier Journalist. Schwerpunkt: öffentliche Daseinsvorsorge und Privatisierungen. Wirtschaftshistoriker und Vierteljurist.

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