Selbstzerstörer

Wirtschaft Wie wir den radikalen Islamismus mitfinanzieren, zeigt Sascha Adamek in „Scharia-Kapitalismus“
Ausgabe 41/2017

Die Finanzierung von islamisch-fundamentalistischen Vereinen und Terroristen in Deutschland wie Europa ist noch sehr wenig beleuchtet worden. Sascha Adamek wirft in Scharia-Kapitalismus den Blick auf die Finanzierungspfade islamistischer Organisationen, die im Westen agieren. Zugleich schärft der Investigativjounalist unseren Blick dafür, wie wir selbst „den Kampf gegen unsere Freiheit finanzieren“, so die Hauptthese des Buches.

Adamek skizziert die wechselseitigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen westlichen Ländern und „Scharia-Staaten“. Damit meint er solche Länder, die einen Großteil ihrer Zivil- und Strafrechtsnormen aus dem Koran und den Überlieferungen des Propheten Mohammed ableiten.

In Deutschland lebt nur ein geringer Teil der über vier Millionen Muslime nach der Scharia. Dennoch haben „Scharia-Staaten“ auch hierzulande großen ideologischen Einfluss, gerade auf junge Menschen, belegt Adamek. Staaten, regierungsnahe Vermögende oder „Wohltätigkeitsorganisationen“ finanzierten zum Beispiel Koranschulen die hier wöchentlich von Tausenden Kindern besucht würden. Adamek zitiert aus einem vertraulichen Bericht von Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst. Die Geheimdienste sprechen dort von „Missionierungsorganisationen“ aus Katar, Saudi-Arabien und Kuwait die „eine langfristige Strategie der Einflussnahme“ in Deutschland verfolgten.

Die wirtschaftliche Annäherung zwischen Orient und Okzident hat längst nicht überall zu politischer Annäherung geführt. Das Beispiel der Malediven zeige, dass westliche Investitionen nicht zur Liberalisierung und Öffnung von Ländern führen müssten. Trotz immer mehr Touristen, habe sich die Situation für die Einheimischen in dem islamischen Inselstaat nicht verbessert – im Gegenteil. Strafrechtliche Normen werden dort zum großen Teil aus der Scharia abgeleitet. Prügel- und Todesstrafen werden für immer mehr Delikte ausgesprochen. Zugleich führe eine enorm hohe Jugendarbeitslosigkeit dazu, dass junge Menschen in die Arme von Kriminellen und Terroristen getrieben würden. Im Verhältnis zur Bevölkerung hätten die Malediven die meisten ausgereisten IS-Kämpfer weltweit.

Die westliche Tourismus-Industrie macht ein Milliardengeschäft mit Reisen in „Scharia-Staaten“. Insgesamt belief sich der Handel zwischen Deutschland und „Scharia-Staaten“ 2016 auf 58 Milliarden Euro. Der Waffenhandel sei aber „der bedrohlichste Aspekt des Scharia-Kapitalismus“. Weltweit zählten Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei und Pakistan zu den sieben Ländern die im vergangenen Jahr die meisten Waffen importierten, auch aus Deutschland. US-Präsident Donald Trump setzte im Mai bei seiner ersten Auslandsreise neue Maßstäbe, als er in Riad einen Rüstungsdeal mit dem saudischen Königshaus in Höhe von 380 Milliarden Dollar verkündete.

Adamek kritisiert, die Golfstaaten gäben die Waffen, wie zuletzt im Jemenkrieg oft an extremistische oder terroristische Organisationen wie Al-Qaida weiter. Sozüchte sich der Westen seine eigenen Gegner.

Zum Scharia-Kapitalismus zählt auch der Einfluss der Golfdiktaturen als Shareholder deutscher Konzerne und Banken. Einige Fälle aus Großbritannien und den USA zeigen, wie vor allem Geldgeber aus Saudi-Arabien versuchten über ihre Anleihen politischen Druck auszuüben.

Steuerbefreite Extremisten

Während seiner Recherchen sprach der Journalist mit zahlreichen Geheimdienstmitarbeitern und Polizisten aus dem In- und Ausland. Er traf Politiker, Islamwissenschaftler und Lehrer – und vereinzelt auch Imame aus Moscheen, die zum Gespräch bereit waren. Bei Islamverbänden, Moscheevereinen und anderen islamischen Organisationen stieß der Autor aber weitgehend auf eine Mauer des Schweigens. Adamek schickte beispielsweise 252 Moscheevereinen und -verbänden Fragen zu ihrer Finanzierung – gerademal fünf antworteten. Und keiner von ihnen wird aus dem Ausland finanziert. Die Finanzierung der Moscheen ist in Deutschland eine „Blackbox“. Dabei werde das lückenhafte deutsche Steuer- und Vereinsrecht ausgenutzt. Viele islamistische Vereine erhielten gar Steuerprivilegien beziehungsweise würden als gemeinnützig eingestuft – und müssten dann gar keine Steuern mehr zahlen. Damit finanziere jeder Steuerzahler fundamentalistische Aktivitäten mit.

Sascha Adamek ist ein brisantes, bislang einmaliges Buch gelungen. Sein kenntnisreicher Blick und der seiner zahlreichen Gesprächspartner geben neben den zahlreichen Fakten aber vor allem einen Eindruck davon, was in Bezug auf die Finanzierung islamistischer Organisationen alles weiterhin unbekannt ist. Und er nimmt Linke in die Pflicht, sich mit der gleichen Energie gegen islamistische Demokratiefeinde zu stellen, mit der sie Rechtsextremen entgegentreten.

Info

Scharia-Kapitalismus: Den Kampf gegen unsere Freiheit finanzieren wir selbst Sascha Adamek Econ 2017, 320 S., 18 €

Die Bilder des Spezials

Die geschälte Banale, das sind absurde Kurzgeschichten der Berliner Illustratorin Jill Senft. „Warum einfach nur die Wirklichkeit wiedergeben?“, fragt Senft. „Illustration erlaubt es mir, mir alles vorzustellen.“ Die geschälte Banale ist eine Kombination aus dem, was sie sieht und erlebt. Bei Senft verrutschen die Größenverhältnisse, winzig klein, riesig groß, korrekte Perspektiven werden gebrochen. Senft arbeitet zuerst im Skizzenbuch mit Acrylfarben. Das lässt ihr die Freiheit, unverfänglich auszuprobieren, und fühlt sich weniger endgültig an. Danach werden die Entwürfe auf Papier oder Pappe überarbeitet.

Entstanden ist die Reihe Die geschälte Banale als Abschlussarbeit an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Acryl auf Pappe und Papier, 2017

Ben Mendelson schreibt vor allem über Wirtschafts- und Gewerkschaftsthemen sowie die deutsche Rüstungsindustrie

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Geschrieben von

Ben Mendelson

freier Journalist. Schwerpunkt: öffentliche Daseinsvorsorge und Privatisierungen. Wirtschaftshistoriker und Vierteljurist.

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