Ein erster Entwurf ist es, das Papier vom 21. August, über das seit vergangenem Wochenende diverse Medien berichten. Man könnte darauf hinweisen, abwiegeln und das Thema versenken. Entwürfe haben in der Vergangenheit schon weit weniger Aufmerksamkeit bekommen. Dass beim Vorschlag zum Mietendeckel in Berlin, den Bausenatorin Katrin Lompscher von der Linkspartei nun vorgelegt hat, statt Abwiegeln eher Aufregung vorherrscht, dürfte vor allem mit der Radikalität der Pläne zu tun haben. Sie sehen eine Höchstmiete von 7,97 Euro je Quadratmeter vor, insgesamt aber eine sehr breite Staffelung – je nach Baujahr und Ausstattung. Für eine Wohnung, die erstmals bis 1918 bezogen wurde und mit einer Sammelheizung oder einem Badezimmer ausgestattet ist, dürfen auf dieser Basis höchstens 4,32 Euro pro Quadratmeter fällig werden. Einen solchen Eingriff, so schreibt der Tagesspiegel, haben nicht einmal die Mietervertreter gefordert. Für bestimmte Modernisierungen sind begrenzte Aufschläge möglich, ausgenommen sind Wohnungen, die nach 2013 bezugsfertig wurden. Die Anmeldung von Eigenbedarf für Wohnungsbesitzer soll erschwert werden und Mieterinnen und Mieter, die bislang zu viel bezahlen, sollen die Minderung der Miete einfordern können.
Vergleicht man diesen Aufschlag mit den schlechten Nachrichten, die sonst allenthalben aus der Mieterstadt Berlin zu hören sind – zum Beispiel von Steigerungen der Angebotsmieten bei Erst- und Wiedervermietungen um 67 Prozent allein zwischen 2010 und 2017 – klingt das in der Tat nach einer schier unglaublichen Erleichterung. Einer Erleichterung, die gerade Berliner, bei denen das Lohnniveau deutlich langsamer gestiegen ist als das der Mieten, dringend gebrauchen können. Diese Entlastung kommt allen zugute, auch denen, die viel verdienen. Das wiederum hat zu Kritik am aktuellen Entwurf geführt, die Süddeutsche Zeitung nennt sie gar „eine indirekte Subvention der gut gestellten Berliner in ihren mondänen Altbauwohnungen in Charlottenburg oder im Prenzlauer Berg”. Ein anderer Kritikpunkt ist, dass es auch Vermieter trifft, die eben gerade keinen großen Reibach machen wollen. Auch die Genossenschaften haben den Mietendeckel grundsätzlich kritisiert. Es ist also wahrscheinlich, dass sich am Entwurf noch das ein oder andere ändern wird.
Ein Signal an einen dysfunktionalen Markt
Doch selbst wenn man die Kritik am ersten Entwurf teilt, bleibt die Tatsache, dass Lompschers Pläne ein deutliches Signal darstellen. Die öffentliche Hand will endlich in einen Markt eingreifen, der – allen Beteuerungen der Wohnungswirtschaft zum Trotz – nicht mehr funktioniert. Doch bei etwas so fundamentalem wie einer Wohnung ist ein dysfunktionaler Markt ein echtes soziales Problem. Das Signal, dass nun massiv gegensteuert werden könnte, wird gehört. Natürlich von der Wohnungswirtschaft selbst, so erklärt etwa der Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses, Andreas Mattner, es handele sich um „Enteignung durch die Hintertür in großem Stil“ und kündigt eine Normenkontrollklage an, in der Diskussion etwa bei Twitter werden SED-Vergleiche aus der Mottenkiste geholt – wegen des Eingriffs als solchem und wegen des Verfalls, dem die nicht mehr profitablen Wohnungen überlassen werden – und der Angriff auf das Eigentum beklagt. Die Welt schreibt, die Details seien „politisch, wirtschaftlich und juristisch derart unrealistisch, eigentlich irrsinnig, dass eine Bruchlandung von vornherein als gesichert gelten kann“.
Dabei ist eines der gängigen Argumente, dass weder durch einen Mietendeckel noch durch Enteignung eine einzige neue Wohnung entstehen würde. Bauen, bauen, bauen – das sei die einzige Lösung. Gerade durch die strengen Eingriffe bestünde jedoch die Gefahr, dass Investoren angesichts eines solch unprofitablen Marktes kein Interesse mehr am Wohnungsbau in Berlin hätten. Und natürlich ist da auch etwas dran, genauso wie es stimmt, dass generell – und eben auch in Berlin – mehr gebaut werden müsste. Doch nach den Erfahrungen der letzten Jahre darf durchaus bezweifelt werden, ob die private Wohnungswirtschaft wirklich da angesetzt hätte, wo es nötig ist: im Segment der bezahlbaren Wohnungen und der Sozialwohnungen.
Doch genau auf diese Wohnungen kommt es an, weswegen der Mietenstopp – in welcher Form auch immer er am Ende kommen wird – nur die vielzitierte Atempause sein kann. Wie groß der Mangel an Wohnraum tatsächlich ist, darauf hat erst vergangene Woche das Verbändebündnis Soziales Wohnen, zu dem neben dem Deutschen Mieterbund und der IG BAU unter anderem auch die Caritas gehört, hingewiesen. Laut einer Studie des Pestel-Instituts, die die Grundlage für einen wohnungbaupolitischen Akutplan des Bündnisses bildet, sind seit 2011 500.000 Wohnungen mehr aus der Bindung gefallen als neu entstanden sind. Auch das Segment des “bezahlbaren Wohnens” könne „angesichts der Entwicklung der Errichtungskosten und der Baulandpreise frei finanziert kaum noch bedient werden.“
Milliardeninvestitionen sind notwendig
Das Bündnis hat darum Handlungsempfehlungen vorgestellt, die es ebenfalls in sich haben: „Während die als sinnvoll erachteten 5,6 Millionen kaum in überschaubarer Zeit erreicht werden können, wäre ein Zielmarke von 2 Millionen Sozialwohnungen bis zum Jahr 2030 durchaus realistisch. Bei einem Bestand Ende 2019 von (geschätzten) 1,13 Millionen Sozialwohnungen und einem durchschnittlichen Bindungsauslauf von 75.000 Wohnungen je Jahr müssten 155.000 Sozialbindungen je Jahr geschaffen werden.“ Die Kosten für die verschiedenen Maßnahmen beziffert das Bündnis auf etwa 9,3 Milliarden Euro pro Jahr und fordert, dass dies mindestens bis zum Jahr 2030 zuzusichern ist, um allen beteiligten – auch dem Baugewerbe – Sicherheiten zu bieten.
In eine ähnliche Richtung geht auch das Sondermemorandum “Gutes Wohnen für alle” der “Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik”. Ein Mietendeckel könne kurzfristig Entlastung schaffen, werde aber das Problem nicht lösen können. Für eine dauerhafte Lösung plädieren auch die Autoren dieses Papiers für öffentliche Investitionen – zum Beispiel im kommunalen Wohnungsbau. 100.000 Wohnungen sollten im öffentlichen Eigentum entstehen, dafür brauche es insgesamt Investitionen in Höhe von 18 Milliarden Euro. Unter dem Strich bleibt die Botschaft: Das alles wird Geld kosten, viel Geld.
Nun ist es jedoch eine Binse: Ein Sozialstaat muss in soziale Infrastrukturen investieren, das gilt auch fürs Wohnen. Doch so einleuchtend große Investitionen auch klingen mögen, so sehr stehen sie im Widerspruch zur aktuellen politischen Gemengelage. Die Förderungen im Wohnungsbau reichen bei weitem nicht aus. Für den Zeitraum zwischen 2020 und 2021 will der Bund den Ländern beim sozialen Wohnungsbau gerade einmal mit insgesamt 2 Millarden Euro unter die Arme greifen – und die Fixierung auf die schwarze Null lassen große Investitionen mehr als unwahrscheinlich erscheinen. Vor diesem Hintergrund hilft der geplante Mietendeckel vielleicht nicht nur als Atempause, sondern auch als deutliches Signal dafür, wie radikal eigentlich gegengesteuert werden müsste.
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