Für wen auch immer das sehenswert sein mag – der Serienmarkt ist seit Beginn des Monats um eine Kuriosität reicher: Die Bundeswehr hat ihre eigene Youtube-Reihe gestartet. Die Rekruten heißt die Serie, die zwölf junge Männer und Frauen während ihrer allgemeinen Grundausbildung begleitet, die sie während des freiwilligen Wehrdiensts oder wegen ihrer Verpflichtung als Zeitsoldat oder -soldatin absolvieren müssen. Erst im Oktober begannen die Dreharbeiten, aktuell laufen sie noch weiter – und an Bewerbern für die Hauptrollen hat es nicht gefehlt, ganz im Gegenteil, wie ein Sprecher der Bundeswehr in Köln erfreut berichtete. 1,7 Millionen Euro hat allein die Produktion der Videos gekostet. Rechnet man den Vermarktungsaufwand hinzu, dürften die Gesamtausgaben bei knapp acht Millionen Euro liegen.
In den kommenden drei Monaten soll man dank der Rekruten „hautnah“ miterleben können, „wie aus jungen Menschen junge Soldatinnen und Soldaten werden“, heißt es seitens der Bundeswehr. Der Trailer, mit dem in den sozialen Medien schon kräftig geworben wurde, verspricht viel Action und Drama. In der Serie selbst dominieren jedoch die Prinzipien und die Stilistik des Reality-TV. Angesichts der beauftragten Produktionsfirma ist das nicht verwunderlich: Spin TV heißt das Unternehmen, das sonst für Formate wie Promihasser (Vox) oder Teenager Stories (RTL 2) verantwortlich zeichnet.
Angewendet wird etwa die Homestory-Methode: Die 18-jährige Rekrutin Julia wird zunächst einmal daheim porträtiert, beim letzten Abendbrot mit der Familie, gebeutelt vom Abschiedsschmerz von ihrem Schatzi, dessen Rede – ob seines starken Dialekts – hochdeutsch untertitelt wird. Julias Vater sagt pflichtbewusst, aber auch unsicher wirkend in die Kamera, wie gut es sei, dass das Kind bei der Bundeswehr einen ordentlichen Beruf erlerne. Dann ist da noch Jerome, der als die coole Socke der Kompanie inszeniert wird und eigentlich begeisterter Breakdancer ist. Während er auf der Suche nach seiner Kasernenstube ist, wird mitgezählt wie oft er „Alda“ und „Digger“ sagt. Ein Augenzwinkern Richtung Zielgruppe. Der Auftakt der Serie ist geprägt von solchen Harmlosigkeiten. Ein erster Höhepunkt besteht darin, dass Julia in Tränen ausbricht, weil sie ihre Ohrringe abnehmen muss.
Begleitet werden die Rekruten von streng auftretenden, letztlich aber nachsichtigen Vorgesetzten. Die wecken die jungen Leute um 4:50 Uhr, lassen sie Kleiderbügel zählen oder bringen ihnen bei, wie der Spind einzuräumen und das Bett zu machen ist. Drill und Spaß gehen Hand in Hand. Die Kaserne soll auch ein wenig an Schloss Einstein erinnern.
Und all das für eine klare Botschaft: Bei der Bundeswehr lernt man Disziplin, kommt aber auch in eine nette Truppe von „Kameraden“, die niemanden zurücklassen, egal was passiert. Vor allem jedoch will sich die Bundeswehr so als attraktiver Arbeitgeber ins Spiel bringen: solide, sinnstiftend, sicher. Kein Wunder – seit Aussetzung der Wehrpflicht muss sich die Freiwilligenarmee ja aktiv um Nachwuchs bemühen. 2014 tat sie dies mit einem in der Bravo beworbenen „Adventure-Camp“. Ob man mit einer Serie wie den Rekruten indes Fachkräfte, zum Beispiel aus dem IT-Bereich lockt, ist mehr als fraglich. Zumal vieles bislang auch übergangen wird. Die ersten Folgen jedenfalls lassen nichts von Auslandseinsätzen, Traumatisierungen oder gar dem Tod erahnen.
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