Es ist noch nicht lange her, da diskutierte fast ein ganzes Land darüber, wie Wolfgang Bosbach (CDU) einmal vorzeitig die Talkshow von Sandra Maischberger (ARD) verließ. In jene Zeit fiel es auch, dass die Alternative für Deutschland in Person von Jörg Meuthen drohte, ARD und ZDF zu verklagen. Der Grund: Die Partei wird nach eigenem Empfinden zu selten in politische Talkshows eingeladen. Es wäre eine eigene Maischberger-Folge wert, zu diskutieren, ob die Teilnahme am durchschnittlichen Polittalk tatsächlich so erstrebenswert ist, oder ob nicht Bosbach mit seinem vorzeitigen Abgang einiges richtig gemacht hat. Interessant ist aber, dass einige Medien den AfD-Vorstoß begierig aufgriffen.
Denn hier wird einmal mehr ein Muster deutlich, das sich im Zusammenspiel von AfD und Medien regelmäßig zeigt. Der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler bezeichnet es als „Double-Bind“-Verhältnis und meint damit, dass die AfD die Medien zwar einerseits hart kritisiert, während sie andererseits aber gleichzeitig auf deren Aufmerksamkeit angewiesen ist. Gäbler hat sich jetzt in einer Analyse für die Otto Brenner Stiftung mit dieser Beziehung zwischen Rechtspopulisten und Medien befasst – ein Unterfangen, das gerade im nun voll anlaufenden Bundestagswahlkampf von Interesse ist.
Die Ambivalenz dieses Verhältnisses resultiert nicht zuletzt aus bemerkenswerten Ähnlichkeiten zwischen Partei und Massenmedien. Das beginnt beim Personal – mit Nicolaus Fest, Konrad Adam oder Alexander Gauland gibt es eine ganze Reihe Parteimitglieder, die das Mediengeschäft gut kennen. Hinzu kommt, dass es die AfD wie keine andere Partei versteht, soziale Medien für sich zu nutzen. Entscheidender ist jedoch die strukturelle Parallele. Mit Mitteln der Emotionalisierung, Personalisierung, Dramatisierung und Reduktion von Komplexität – um nur einige Beispiele zu nennen – arbeiten Rechtspopulisten wie Massenmedien Gäbler zufolge gleichermaßen.
In der Zwickmühle
Auf die Zwickmühle, in der sich Journalisten im Umgang mit der AfD sehen, reagiert Gäbler mit speziellen Handreichungen. Das klingt riskant, legt genau das doch den Eindruck nahe, dass es eben legitim sei, der AfD kritischer als anderen Parteien entgegenzutreten – eine Steilvorlage dafür, sich in die genehme Opferrolle zu begeben. Das sieht allerdings auch Gäbler und schreibt: „Notwendig ist kein eigener, speziell auf die AfD zugeschnittener Journalismus. Vielmehr ist die AfD lediglich eine neue Herausforderung, um sich alte journalistische Tugenden und das klassische Handwerkszeug erneut vor Augen zu führen.“ Soll heißen: Nicht auf jede Provokation sollte man reagieren, sondern vielmehr genau und präzise nachfragen, die Partei auf eine sachliche, inhaltliche Ebene zwingen. Es gilt, sich mit der AfD zu befassen, ohne aber ihre Sprache oder ihr „Framing“, das heißt den Bereich dessen, was sie sag- und verhandelbar machen will, zu übernehmen.
Im Grunde klingt das schlicht nach gutem Journalismus und darum vielleicht ein wenig trivial. Das ändert nichts daran, dass es wohl wirklich der beste Weg ist. Dazu gehört dann auch, das Verhalten der Medien an sich zu hinterfragen. Sind die immer höhere Schlagzahl, der immer reflexhafter „verarbeitende“ Journalismus, die immer schrillere Aufregung wirklich das, was die Gesellschaft braucht? Und welche Verantwortung haben dabei die Mediennutzer? Es sind wichtige Fragen, die es allerdings auch unabhängig von der AfD zu beantworten gilt.
Kommentare 2
„Sind die immer höhere Schlagzahl, der immer reflexhafter „verarbeitende“ Journalismus, die immer schrillere Aufregung wirklich das, was die Gesellschaft braucht? Und welche Verantwortung haben dabei die Mediennutzer? Es sind wichtige Fragen, die es allerdings auch unabhängig von der AfD zu beantworten gilt.“
Nein, die Gesellschaft braucht keine höhere Schlagzahl, aber es stimmt schon, dass auch abseits der AfD sich Mediennutzer und Medien wechselseitig antreiben und „die Medien“ natürlich nicht nur das anbieten, was die Nutzer haben wollen – ein Großteil der Menschen konsumiert ohnehin nur das, was hören, lesen, sehen wollen; das ist ja das Erfolgsmodell von Google, Facebook usw. - in der Art und Weise, wie Nutzer das haben wollen. Der Quote wegen, sonst ist man raus aus dem Rennen.
Viele Nutzer wollen, kurze, schnelle, bunte Schnappschüsse, am besten mit (bewegtem) Bild (und Ton), so von 30 bis 300 Sekunden. Vor einigen Jahren war es so, dass der Nutzer sich nicht mehr eingelesen hat, sondern der Artikel in den ersten paar Sekunden knallen musste, sonst wurde weggeklickt.
Allerdings ist ja auch ein Gegentrend auszumachen. Für lange, gut recherchierte Artikel muss man zwar Geld hinblättern, aber das scheint ja zu laufen, wie man an den plus, +, spezial Angeboten sieht, die immer mehr werden. Eigentlich ist das nur normalguter Journalismus, der sich dahinter verbirgt, aber normal wäre es auch, dass man dafür bezahlt. Das haben wir vergessen.
Allerdings ist der Nutzer sicher auch ein Mischwesen, ist bei mir selbst ja auch der Fall. Ich bin von Anfang an Fan von diesem n-tv roten Balken gewesen, der immer verspricht, dass sonst was Weltbewegendes passiert ist und dann steht da, dass gleich Aufsichtsratssitzung bei irgendwem ist. Ich überfliege zwar die Headlines, mag aber auch gut recherchierte lange Artikel, Bücher und lange Gespräche, das Talkshow-Gebell habe ich (als ehemaliger Talkshow-Junkie) über, meistens zappe ich nach wenigen Minuten weg.
Kurioserweise schaue ich mir vor allem die Themen in Talkshows nicht mehr an, bei denen ich tiefergehende eigene Kenntnisse habe, weil mir die oft platte Wiederholung der immer gleichen zugespitzten Thesen auf den Senkel geht. Meine Erfahrung ist jedoch – und ich halte mich hier für einen durchschnittlich mediensozialisierten User – dass man da durch muss. Das satt sein, der gepflegte Überdruss, ist tatsächlich das beste Mittel gegen platten Mist, aber ich weiß, dass, wenn man einmal Feuer gefangen hat, die Welt alternativer Fakten ungeheuer verlockend sein kann, über Jahre.
Irgendwann überzeugt einen das nicht mehr und man entdeckt Widersprüche, man will vielleicht Neues, verspürt eine innere Unruhe, die dem Drang nach Erkenntnis geschuldet ist. Jedoch ist der Drang nach Erkenntnis unterschiedlich stark ausgeprägt und die Begabung komplexere Weltbilder auszuhalten und vermeintliche Gegensätze entspannt integrieren zu können, ebenfalls. Böse gesagt, wurde jetzt 20 oder 30 Jahre lang der Proll in uns bedient, mit einem Überangebot an kurz getackteter Sensation, Gewalt, Sex, alles in grell und zugespitzt. (Gleichzeitig ist die Zahl und Qualität wunderbarer Sendungen jedoch auch gestiegen, tolle Features, interessante Gespräche oder Sendungen zu ausdifferenzierten Themen. Dass wir etliche Sendungen über Philosophie haben, ist doch wunderbar!) Das wird vermutlich auch nach wie vor Bestandteil des normalem Menüs bleiben – und einer der genialsten Surfer und Interpreter dieser postmodernen Sozialisation ist David Foster Wallace – viele werden auch zukünftig nicht weiter kommen, weil gerade die Unterschicht der Verprollung keine alternativen Angebote entgegenzusetzen hat, die sind da erst mal für viele Jahre und Generationen gefangen, doch der Wunsch auch die andere Seite wieder zu (er)leben, dürfte wieder stärker werden.
Die AfD ist nach meiner Einschätzung einfach die Proll-Variante dieser Bewegung, insofern Indikator, Symptom und m.E. über das hinaus einfach nicht ernst zu nehmen, aber die ausgleichende Bewegung hin zu mehr Orientierung, Verwurzelung, Qualität (und sei es auch zuweilen in der Form schlechter Abziehbildchen) ist schon richtig.
Es fehlt vor allem die distanzierte Analyse. Die Medienvertreter schaukeln sich gegenseitig mit Agitation auf und geben so einen Teil ihrer Würde auf. Was gut uns was richtig ist, schwer zu sagen.